Wo ein Wille ist, ist nicht auch automatisch ein Weg: Als die deutsche Ausländerbehörde ab Mai verzweifelt versuchte, einen 42jährigen Intensivstraftäter in sein Heimatland abzuschieben, scheiterte dies ausgerechnet an der marokkanischen Verwaltung, wie die Thüringer Allgemeine berichtete. Obwohl die Identität des Mannes mittlerweile feststeht – 1982 in Casablanca geboren, bekannt bei Interpol –, teilten die Behörden des Landes mit, der Mann sei ihnen nicht bekannt.
Als Asylbewerber ist der Mann bereits seit November 2014 abgelehnt. Da er über Italien einreiste, seien nach der Dublin-Verordnung die italienischen Behörden für sein Asylverfahren zuständig, erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge damals. Ein halbes Jahr später, am 16. April 2015, überstellten sie ihn nach Italien. Vier Tage später reiste er wieder nach Deutschland ein. Dabei galt zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch ein fünfjähriges Aufenthalts- und Einreiseverbot.
Rückblickend grenzt es beinahe an ein Wunder, daß der Mann zwischen seiner Einreise im Mai 2014 und seiner Abschiebung im darauffolgenden April nicht zusätzlich auffällig wurde. Ab seiner Rückkehr begann der abgelehnte Asylbewerber nämlich eine Verbrechensserie, die die Landrätin des thüringischen Kreises Weimarer Land, Christiane Schmidt-Rose (CDU), und den Bürgermeister der thüringischen Kleinstadt Apolda, Olaf Müller (CDU), unlängst zu einem Hilferuf an den Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zwang.
Insgesamt ermittelte die Polizei in 46 Fällen gegen den Asylbewerber
„Wir sehen uns zu diesem Schreiben gezwungen, da uns mittlerweile besorgte Bürgeranfragen erreichen und sich bereits zum wiederholten Mal Widerstand in der Bevölkerung erhebt und der soziale Frieden in Gefahr gerät“, heißt es in dem Schreiben. Von dem Mann gehe ein erhebliches Sicherheitsrisiko aus. Ministerpräsident Ramelow möge geeignete Maßnahmen treffen.
Die Vergehensliste des Marokkaners ist mittlerweile stattlich. Als er am 5. August 2015, etwa zweieinhalb Monate nach seiner erneuten Einreise, in Untersuchungshaft genommen wurde, hatte er sich bereits der Körperverletzung, des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, der Sachbeschädigung und der Beleidigung strafbar gemacht. Insgesamt ermittelte die Polizei in 46 Fällen gegen ihn. Im November 2016 verurteilte ihn das Landgericht Erfurt schließlich zu 23 Monaten Haft.
Noch während der Haftstrafe stellte der Mann einen Asyl-Folgeantrag – vergebens. Ab Ende 2017 galt er als „vollziehbar ausreisepflichtig“. Dennoch wurde er nach seiner Haftentlassung im Juli 2017 in die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Thüringen aufgenommen. Nach einem erneuten Angriff auf Ordnungshüter und einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz landete er Ende des Jahres für einen Monat in Untersuchungshaft.
Nach seiner Entlassung folgten weitere Straftaten
Dort saß er auch im April 2019 wieder, nachdem er in den vorherigen Monaten stolze 50 Straftaten angesammelt hatte: Körperverletzungen, mehrfaches Erschleichen von Leistungen, Hausfriedensbruch, Diebstähle, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigungen. Offenbar eckte er währenddessen auch bei seinen Mitbewohnern in der Asylunterkunft an. Im November 2019 starteten die Asylbewerber der Gemeinschaftsunterkunft in Apolda eine Unterschriftenaktion mit dem Ziel, den Mann nach seiner Haftentlassung nicht wieder in ihrer Mitte aufnehmen zu müssen. 146 Bewohner und Mitarbeiter unterschrieben.
Einen Bewußtseinswandel konnten sie bei dem Mehrfachtäter jedoch nicht hervorrufen. Kaum aus der Haft entlassen, beging er ab Herbst 2022 wieder Straftaten und wurde im Juli 2023 aufgrund einer gefährlichen Körperverletzung erneut inhaftiert – bis Mai dieses Jahres. Um schließlich nach seiner Entlassung, die Überraschung ist groß, die Bewohner seiner Gemeinschaftsunterkunft zu bedrohen, die herankommenden Polizeibeamten zu beleidigen und einen Tag später, „äußerst aggressiv“, Bargeld im Landratsamt zu fordern und mehrere Beamte zu bedrohen und zu bespucken.
Vier Polizeieinsätze innerhalb von 24 Stunden
„Diese bisher letzten Vorfälle haben nochmals verdeutlicht, daß der betreffende Straftäter nicht kontrollierbar ist“, heißt es im Brief der Landrätin und des Bürgermeisters. Zuletzt habe er Anfang Juli nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft innerhalb von 24 Stunden vier Polizeieinsätze ausgelöst und sei am Ende mit Zwang in Gewahrsam genommen worden.
Geht es um konkrete Maßnahmen, die der herbeigerufene thüringische Ministerpräsident treffen soll, scheint der Elan von Schmidt-Rose und Müller jedoch erschöpft: Eventuell könne man den Intensivtäter ja in einen anderen Kreis oder eine andere Stadt umverteilen, bitten sie im Brief.