„Ein Reif aus Dreck und Letten“: Die gescheiterte Krönung von Friedrich Wilhelm IV

Friedrich Wilhelm IV. lehnt die ihm angebotene Kaiserwürde in der Frankfurter Nationalversammlung ab: Gekränkter Stolz und taktische Erwägungen Foto: picture-alliance / akg-images | akg-images

„Ein Reif aus Dreck und Letten“

Die gescheiterte Krönung von Friedrich Wilhelm IV

Geschichte

03. April 2024

Autor: Erik Lommatzsch

8 Kommentare

Heute vor 175 Jahren weist der preußische König Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone zurück. Aus den Händen eines Parlaments wollte er sie nicht entgegennehmen. Doch steckten auch realpolitische Erwägungen dahinter?

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Kommentare

Diogenes sagt:

4. April 2024 um 20:13 Uhr

Diese Episode illustriert sehr schön die Idee des Gottesgnadentums. Macht, legitimiert durch eine (bzw. d i e ) „jenseitige“ Autorität.

Da kommen wir, nach dem Aufschwung der freiheitlich verfassten Republiken Freier Bürger, jetzt wieder an: Die „westliche“ Welt wird durch Abschaffung der historisch gewachsenen Nationalstaaten in einen säkularreligiösen Gottesstaat der „Menschen“ umgewandelt, welche der durch Gnade der Linken Weltanschauung herrschenden Einheitspartei untertan sind. Ende der Freiheit, Herrschaft der Moral. Der Moral der Macht.
Da ist es logisch, wenn ein Verweis auf die freiheitliche Verfassung der Volkssouveränität als „Delegitimierung“ der Obrigkeit ausgelegt wird.

Die Idee des Freien Individuums und der Volkssouveränität (Volk = Kollektiv sich freiwillig dazu zusammenschließender Individuuen, die einander als Ihresgleichen ansehen) ist ein Produkt des Denkens der Aufklärung.
Die Idee des Gottesgnadentums ist viel älter. Schon die römischen Kaiser waren gottgleich.

Die sich bekriegenden Völker früherer Zeiten brauchten Heerführer. Der tüchtigste Schlagetot wurde gewählt. Später wurde das Amt des Heerführers erblich. Dann wurde die Erbfolge geheiligt.
Gottfried Hermann Spieth sagt:

4. April 2024 um 11:20 Uhr

Es ist ein Kreuz mit der Einigung. Eigentlich hätte es die grossdeutsche Lösung schon damals geben sollen. Dann wäre dem Liberalismus und Freidenkertum, auch der Loge und ähnlichen Verbänden, ein Riegel vorgeschoben worden. Im großdeutschen Reich hätten Katholiken und konservative Lutheraner eine Dreiviertelmehrheit gehabt. Es wäre nicht zum schleichenden Auseinanderleben von Kirche und Staat gekommen, wie es dann im preussisch dominierten zweiten Reich der Fall war. Die Aufklärung und der Liberalismus wären eine Minderheit geblieben. In enger Anlehnung an das Zarenreich wäre die „Heilige Allianz“ neu formiert worden. Den WK I hätte es in der Form, wie er dann stattfand, nicht gegeben.
Conte di Fonte sagt:

3. April 2024 um 20:39 Uhr

Es wäre schlauer gewesen, den jungen Franz Josef I zum deutschen Kaiser zu berufen. Vermutlich hätte uns allen viel erspart, vor allem die kriegslüsternen Hohenzollern mit Bismarck.. Ich weiß, ich bekomme jetzt Prügel, aber man sollte das zu Ende denken.
1. Fritz aus Fritzlar sagt:
  
  4. April 2024 um 10:07 Uhr
  
  Kaiser Franz Joseph war der Herrscher eines Vielvölkerstaats, dessen Existenz im Zeitalter der Nationalstaaten selbst gefährdet war und der sich ganz darauf konzentrieren mußte, den status quo zu wahren inmitten aggressiver, expansiver Mächte. Aber das ließ sich nicht machen, wie die Kriege Italiens unter Assistenz Frankreichs gegen Österreich zeigen. Auch auf dem Balkan konnte sich Österreich-Ungrn später nur behaupten dank der Rückendeckung des Deutschen Reichs. „kriegslüsterne Hohenzolern mit Bismarck“ hat es nicht gegeben. Daß man heute noch über Bismarcks Politik solchen Unsinn verbreiten kann, zeigt ein erheblches Defizit an historischem Urteilsvermögen.
  1. Diogenes sagt:
    
    4. April 2024 um 19:45 Uhr
    
    „Kaiser Franz Joseph war der Herrscher eines Vielvölkerstaats“
    
    Das war die Faktenlage, von der notwendigerweise auszugehen war. Dazu kam noch der Formaljurismus „daß sich das Habsburgerreich staatsrechtlich von seinen nichtdeutschen, reichsfremden Teilen hätte trennen müssen“.
    
    Dieser Jurismus h ä t t e überwunden werden können durch einen Konsens. Die „staatsrechtlich“ argumentierenden Kräfte setzten sich jedoch durch. Der Konsens kam nicht zustande.
    
    Vielvölkerstaaten waren auch die Kolonialreiche der Briten und Franzosen. Bis in die 1960er Jahre dauerte es, bis die Briten und Franzosen einsahen, daß Vielvölkerstaaten verkehrt sind. Rußland ist heute noch ein Vielvölkerstaat.
    Einen Vielvölkerstaat aufgeben um Kaiser eines Alldeutschland zu werden (das dann von einer Entente der Sichbedrohtfühlenden angegriffen wird)?
    „Soll ich mit der Wurst nach dem Schinken werfen?“, wird Franz Joseph sich gefragt haben.
2. Ernuwieder sagt:
  
  4. April 2024 um 21:02 Uhr
  
  Wäre dieses österreichisch dominierte Großdeutschland ebenso erfolgreich gewesen wie das preußisch dominierte Kleindeutschland – ich glaube nicht, daß das die Russen, Franzosen und Briten von ihrem Komplott 1914 abgehalten hätte.
  
  Das ist der Fluch der geografischen Mittellage.
  Davon kann letztlich auch Polen ein Lied singen:
  Gegen Polen verbündeten sich einst Rußland, Österreich und Preußen.
  1914 waren es dann Rußland, Frankreich und Großbritannien gegen die aufstrebenden Staaten Mitteleuropas.
  
  Im Gegensatz zu den anderen europäischen Großmächten hatte das angeblich so kriegslüsterne Preußen-Deutschland zwischen 1871 und 1914 keinen einzigen Krieg geführt.
  Geholfen hat es ihm trotzdem nichts.
Iudex sagt:

3. April 2024 um 20:22 Uhr

„ Ihr habt mir ganz und gar nicht das Recht, das Allermindeste zu bieten. Bitten, so viel ihr wollt, geben – nein – denn dazu müßtet ihr im Besitz von irgendetwas zu Gebendem sein, und das ist nicht der Fall. Darum seid so gut und wacht auf. Wenn eure Besoffenheit es zuläßt.“
Summa summarum:
Ein Seher…….. Friedrich Wilhelm IV…
Fritz aus Fritzlar sagt:

3. April 2024 um 18:29 Uhr

Friedrich Wilhelm IV: war in seinen politischen Ansichten hoffnungslos antiquiert. Aus der konservativen Gefolgschaft ragten nur wenige heraus, die wie Otto von Bismarck die Zeichen der Zeit erkannt hatten und bestrebt waren, auf den alten Fundamenten etwas Neues zu bauen. Eduard von Simson (1888 nobilitiert durch Verleihung des Schwarzen Adler-Ordens unter Kaiser Friedrich III.), der nach 1871 auch noch für die Errichtung des Reichsgerichts in Leipzg zuständig war, wird in unserer Gedächtniskultur m. E. zu wenig geschätzt. Für ihn gibt es wohl nirgendwo ein Denkmal.

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