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Aiwanger-Affäre: Warum Markus Söder ein Getriebener ist

Aiwanger-Affäre: Warum Markus Söder ein Getriebener ist

Aiwanger-Affäre: Warum Markus Söder ein Getriebener ist

FOTOMONTAGE:Causa Aiwanger um antisemitisches Flugblatt:Markus SOEDER (Ministerpraesident Bayern und CSU Vorsitzender) wartet auf Antworten von Hubert Aiwanger auf die 25 Fragen. Wahlplakate Hubert Aiwanger / Freie Waehler zur Landtagswahl 2023 in Bayern in der Innenstadt von Muenchen. ?
FOTOMONTAGE:Causa Aiwanger um antisemitisches Flugblatt:Markus SOEDER (Ministerpraesident Bayern und CSU Vorsitzender) wartet auf Antworten von Hubert Aiwanger auf die 25 Fragen. Wahlplakate Hubert Aiwanger / Freie Waehler zur Landtagswahl 2023 in Bayern in der Innenstadt von Muenchen. ?
Markus Söder vor einem Aiwanger-Plakat Foto/Montage: picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON
Aiwanger-Affäre
 

Warum Markus Söder ein Getriebener ist

Markus Söder geht mehr und mehr auf Distanz zu seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger. Doch in Wirklichkeit ist auch der CSU-Chef ein Getriebener. Unter ihm verliert die Partei massiv an bundespolitischer Bedeutung – und die jungen Abgeordneten ticken anders. Mit Umfrage.
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In der sogenannten Flugblattaffäre erhöht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder den Druck auf seinen Stellvertreter und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger – weil er selbst unter massivem Druck steht. Der Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende erklärte am Freitag, Aiwangers Entschuldigung sei dringend notwendig gewesen. Viele Fragen seien aber noch offen. Für ihn sei wichtig, daß Aiwanger die bereits vor mehreren Tagen an ihn gestellten 25 Fragen „umfassend, glaubwürdig und zeitnah beantwortet“. Und zeitnah bedeute am besten noch „im Laufe des Tages“ – also am Freitag.

Aiwanger hatte ursprünglich erklärt, die Fragen des Ministerpräsidenten zu dem antisemitischen Flugblatt, das von Aiwangers Bruder nach dessen eigenen Angaben verfaßt worden ist, am kommenden Wochenende beantworten zu wollen. Diese Zeit will Söder dem Chef der Freien Wähler nicht lassen. Er wolle über das Wochenende Zeit haben für eine „faire und abgewogene und auch glaubwürdige Entscheidung“, so der Ministerpräsident.

JF-Umfrage: Wer soll zurücktreten? Hubert Aiwanger oder Markus Söder?
JF-Umfrage: Wer soll zurücktreten? Aiwanger oder Söder? Jetzt abstimmen. Foto: JF

Die CSU verliert immer mehr an Einfluß

Warum Söder den Druck auf Aiwanger verstärkt, liegt auf der Hand. Trotz einer historisch beispiellos schlechten Bilanz der Berliner Ampelkoalition kann die CSU davon nicht groß profitieren. Sie liegt in der letzten Meinungsumfrage vom 9. August bei 39 Prozent und damit nur leicht über dem Wahlergebnis 2018 von 37,2 Prozent. Das Ergebnis von 2018 hatte für die CSU einen Verlust von 10,5 Prozent gebracht. Nach dem Desaster hatte Söder von Demut gesprochen und Besserung versprochen.

Diese trat jedoch nicht ein. Bei der Bundestagswahl 2021 erhielt die CSU landesweit sogar nur 31,7 Prozent, was einem Verlust von 7,1 Prozentpunkten entsprach. Noch schlechter hatte die CSU bei Bundestagswahlen nur 1949 abgeschnitten. Ob die Partei bei der Bundestagswahl in zwei Jahren über die für sie nach dem neuen Wahlrecht für den Bundestag existenziell wichtige Fünf-Prozent-Hürde kommt, ist noch nicht ausgemacht.

Die Freien Wähler sind vom Fleische der CSU

Dem Ministerpräsidenten muß daher die mit anonymen Vorwürfen gespickte Veröffentlichung über ein antisemitisches Flugblatt in der Süddeutschen Zeitung wie ein Wahlkampfgeschenk vorgekommen sein. Die Freien Wähler waren von ihrem ersten Tag an in der bayerischen Staatsregierung für die in den vergangenen Jahrzehnten von charismatischen Führungsfiguren wie Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber von einem Wahlsieg zum anderen gebrachte CSU so etwas wie die verhaßte Verwandtschaft. Mit der mußte man zwar auskommen, aber man sah sie lieber gehen als kommen.

Denn die Freien Wähler sind vom Fleische der CSU. In vielen Kommunen sind sie traditionell stärker als die CSU, bedrohten jedoch durch ihre Konzentration auf die Kommunalpolitik nie die CSU auf Landes- und Bundesebene. Dies änderte sich erst unter der Führung von Hubert Aiwanger, der konservativer und volksnäher als viele CSU-Politiker aufzutreten pflegt. In vielen CSU-Kreisen werden inzwischen lieber Pläne für „modern“ erscheinende Bündnisse mit den Grünen geschmiedet, während eine Koalition mit den bayerisch-barocken Freien Wählern als veraltet gilt.

Hinzu kommt: Söder ist auf bundespolitischer Ebene inzwischen zur Fehlanzeige geworden. Im Bundestag, wo er als Ministerpräsident das Wort ergreifen könnte, war er in dieser Legislaturperiode noch nicht zu sehen. Und die Landesgruppe der CSU-Bundestagsabgeordneten scheint ihren bundespolitischen Anspruch ebenfalls aufgegeben zu haben. Der letzte Vorsitzende mit Format war Peter Ramsauer bis zum Jahr 2009.

Die Unerreichte Meisterschaft Söders

Ob Söder sich nun tatsächlich von Aiwanger trennen wird und damit die Koalition mit den Freien Wählern beendet sein würde, ist schwer vorauszusagen. Ein Rauswurf der Freien Wähler aus der Regierung würde eine Neuauflage der CSU-Freie-Wähler-Koalition nach der Landtagswahl unmöglich machen und die CSU zu einer Koalition mit den in Umfragen stabil bei 14 Prozent liegenden Grünen zwingen – obwohl Söder in den letzten Monaten das Heizungsgesetz des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck als drohenden Untergang des Abendlandes, mindestens aber Bayerns, zu bewerten pflegte.

Allerdings hat Söder eine von anderen unerreichte Meisterschaft in der Unabhängigkeit von seinen eigenen Positionen entwickelt. Es ist leichter, die richtigen Zahlen auf einem Lottoschein zu tippen, als vorherzusagen, wie sich der Herr Ministerpräsident in der nächsten Woche positionieren könnte.

Bayern halten Aiwanger die Treue

Söders Charakter wird vielleicht am besten deutlich an seiner Haltung zur Atomkraft: Im März 2011 unmittelbar nach dem Reaktorunglück von Fukushima wollte er sofort alle deutschen Atomkraftwerke abschalten lassen. Derselbe Söder wollte 2022, nachdem die Ampelkoalition in Berlin seinen Wunsch endlich erfüllt hatte, die bayerischen Atomkraftwerke in Landesregie weiter betreiben.

Überdies scheinen Aiwanger und den Freien Wählern die Vorwürfe bisher nicht sonderlich geschadet zu haben. In einer Umfrage des Instituts Civey im Auftrag der „Augsburger Allgemeinen“ lehnten 62 Prozent der befragten bayerischen Wähler Forderungen nach einem Rücktritt Aiwangers ab, 30 Prozent waren dafür. Selbst auf Bundesebene war mit 53 Prozent mehr als die Hälfte der Befragten gegen einen Rücktritt Aiwangers (34 Prozent dafür). Bisher hat Aiwanger auch Rückhalt in den eigenen Reihen: „Wir stehen als Freie Wähler hundertprozentig hinter Hubert Aiwanger“, erklärte Generalsekretärin Susann Enders.

Markus Söder vor einem Aiwanger-Plakat Foto/Montage: picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON
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