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Nichts zu befürchten?: Warum Klima-„Aktivisten“ auf Passivität hoffen dürfen

Nichts zu befürchten?: Warum Klima-„Aktivisten“ auf Passivität hoffen dürfen

Nichts zu befürchten?: Warum Klima-„Aktivisten“ auf Passivität hoffen dürfen

Links im Bild befinden sich ein Mann und eine Frau, die aus Sorge um das Klima eine Straße blockieren. Der Mann trägt eine silberne Schutzjacke gegen die Kälte, die Frau eine orangene Warnweste. Rechts im Bild befindet sich eine Figur der Justizia.
Links im Bild befinden sich ein Mann und eine Frau, die aus Sorge um das Klima eine Straße blockieren. Der Mann trägt eine silberne Schutzjacke gegen die Kälte, die Frau eine orangene Warnweste. Rechts im Bild befindet sich eine Figur der Justizia.
Selbsternannte Klimaschützer und die Justiz: Ein kompliziertes Verhältnis Fotos: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Sachelle Babbar / picture alliance / | R4223 Montage: JF
Nichts zu befürchten?
 

Warum Klima-„Aktivisten“ auf Passivität hoffen dürfen

Warum sitzen nicht viel mehr „Klima-Kleber“ im Gefängnis? Wie kommen die von vielen als sehr lasch empfundenen Urteile zustande?
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Mit Verwunderung mag der eine oder andere dieser Tage wahrnehmen, wie hilflos sich der Rechtsstaat gegenüber den aufmüpfigen „Aktivisten“ in Form von Klima-Klebern verhalt. Es scheint schon erstaunlich, wie hemmungslos sie inzwischen sogar in Flughäfen eindringen, um sich dort möglichst dauerhaft – zumindest chemisch – mit dem Boden der Tatsachen zu verbinden. Es gibt keinen Zweifel, daß diese Gruppen sehr gut organisiert und beraten sind. Die selbsterklärten Aktivisten werden generalstabsmäßig geschult und auf ihren Einsatz vorbereitet. Natürlich auch juristisch – und hier sollte man stutzig werden.

Warum erfüllen diese jungen Leute also absichtlich Straftatbestände, die in jedem Fall mit einer Freiheitsstrafe bedroht sind? Die Antwort ist wie so oft: Weil sie es können. Zunächst fallt auch bei dieser Aktion der Bezug zu Berlin auf. Aber egal ob in Berlin, Brandenburg oder wo immer diese Straftaten am Ende verfolgt werden. Bei der derzeitigen politischen und – zumindest überwiegend medial vorgespiegelten – gesellschaftlichen Stimmung im Land wird man sich seitens der Justiz wohl eher keinen Gefallen tun, die „Aktivisten“ all zu hart anzufassen. Immerhin konnte man dadurch leicht in den Verdacht geraten, ein „Klimaleugner“ oder „Rechtsaußen“ zu sein und daran kann niemand ein ernsthaftes Interesse haben. Denn auch unter den Juristen wird inzwischen eine relativ offene Drohkulisse gepflegt.

Ein Blick in den Legal Tribute Online, der mit Spiegel-Online kooperiert, offenbart beispielsweise, daß dort Themen wie das Canceln von Hans-Georg Maaßen als Kommentator zu Artikeln des Grundgesetzes regelrecht befeuert werden. Entsprechend umstritten sind auch gerne einmal Richter, die einer bestimmten Partei nahestehen. Und das nicht ohne Grund. Das Richteramt bietet eine enorme Machtfülle und ist ein gesellschaftlicher Multiplikator weit über einen Sachverhalt hinaus. Teilweise finden sich selbst erstinstanzliche Urteile in Entscheidungssammlungen, die zu Blaupausen späterer Entscheidungen auf allen Ebenen werden können.

Unbestimmte Rechtsbegriffe und Meinungen

Sämtliche Staatsorgane sind an Recht und Gesetz gebunden. Wer schon einmal mit dem gesetzten Recht in Berührung kam, weiß, daß die Gesetze alleine zumeist nur einen sehr groben Rahmen bilden. Immerhin gelten unsere wichtigsten Gesetze seit über einem Jahrhundert, ohne daß es großer Änderungen bedurfte. Und das, obwohl die politischen Rahmenbedingungen währenddessen unterschiedlicher nicht hätten sein können. Damit ein Gesetz Zeiten überdauern kann, muß es abstrakt sein und unbestimmte Begriffe enthalten. Das ist auch der Grund dafür, warum selbst gestandene Juristen gerne einmal ins Schleudern geraten, wenn sie ihr Fachgebiet verlassen.

Was eine Vorschrift genau bedeutet, erschließt sich rein durch Lesen des Gesetzestextes nur selten. Denn diese unbestimmten Rechtsbegriffe werden im Wesentlichen durch die Rechtsprechung, sprich die Gerichte selbst, immer wieder neu bestimmt. Flankiert wird die Rechtsprechung von einer Reihe von Stimmen aus der Rechtswissenschaft. Ein Richter hat daher eine enorme Entscheidungsfreiheit, allein durch Auslegung der Gesetze in den Grenzen des vom Gesetzgeber vorgegebenen Wortlauts. In den meisten Fällen orientieren sich die Richter an bestehenden Meinungen, speziell natürlich von höheren Gerichten. Die höheren und höchsten Gerichte bedienen sich wiederum häufig Meinungen aus der Literatur, teils sind die dortigen Richter ebenfalls wieder Autoren und haben auf ihren Fachgebieten publiziert.

Meinungen bestimmen demnach das Tagesgeschäft. Man kann hier leicht erkennen, welche weitreichenden Auswirkungen das Canceln einzelner unerwünschter Stimmen haben kann. Hans-Georg Maaßen etwa ist, wie eingangs erwähnt, Fachautor zu diversen Artikeln des Grundgesetzes, unter anderem zum Asylrecht. Entledigt man sich ihm bei seinem Verlag in München, gibt es eine kritische Meinung zum Asylrecht in der juristischen Fachliteratur weniger. Der in einem solchen Fall erkennende Richter wird dessen asylkritische Auffassung dann gar nicht mehr auffinden. Es gäbe dann auch automatisch einen Grund weniger, asylkritisch zu entscheiden. Eine juristische Meinung würde also alleine auf politisch motivierten Druck hin von der Bildfläche verschwinden.

Zum Vergleich: Hätte eine Partei das Asylrecht im Grundgesetz deutlich freundlicher gestalten wollen, hätte sie hierzu eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament benötigt. Eine enorme Hürde, die nicht umsonst so gewählt wurde. Und eine solche Änderung hätte deutlich mehr Staub aufgewirbelt, als Drohkulissen auf juristische Verlage in juristischen Gazetten. Wird das juristische Umfeld einseitig mit politisch motivierten Rechtsmeinungen geflutet, während andere Meinungen aus dem Verkehr gezogen werden, sind die Auswirkungen daher über kurz oder lang verheerend.

Ein für politische Einflußnahme höchst anfälliges System

Damit ein Täter überhaupt vor Gericht landet, braucht es eine Anklage. Diese wird in der Regel von der Staatsanwaltschaft erhoben. Die Staatsanwaltschaften sind in Deutschland aber weisungsgebunden, § 146 Gerichtsverfassungsgesetz. Ein selbst auf EU-Ebene bereits kritisierter und an sich unhaltbarer Zustand. Denn eine politische Einflußnahme ist auf dieser Ebene quasi direkt vorgesehen. Der Staatsanwalt selbst schließlich kann das Verfahren entsprechend begründet einstellen oder es mit Inbrunst führen und versuchen, es vor ein Gericht zu bringen. Kommt hier eines zum anderen, entsteht eine gefährliche Mischung, zum Beispiel für eine nicht unbedingt gebotene Hausdurchsuchung oder eben die Einstellung eines Verfahrens. Erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage, entscheidet das Gericht dann in einer Vorprüfung, ob es das sogenannte „Hauptverfahren“ eröffnet. Bis ein Gerichtsverfahren überhaupt stattfindet, sind daher schon einmal einige Hürden zu nehmen. Selbstverständlich leben wir noch immer in einem funktionierenden Rechtsstaat, in welchem diese Mechanismen weitestgehend vertrauenswürdig sind und funktionieren. Es geht hier und im Folgenden lediglich darum, die neuralgischen Punkte zu beleuchten. Und Spoiler: Es sind letztlich die Gesetze, geschaffen von gewählten Parteien, die aktuell und in Zukunft die Musik spielen, die in vielen Ohren ziemlich schräg klingen mag.

Doch zurück zur Justiz. Dort entstehen weitere Probleme, wenn juristische Ämter, zum Beispiel Staatsanwälte oder Richter, mit parteinahen Personen besetzt werden, wenn diese nicht neutral bleiben. Die Ernennung der Richter beispielsweise hat daher rein „nach persönlicher und fachlicher Befähigung“ zu erfolgen – theoretisch. Allerdings sind in den meisten Bundesländern entweder direkt die Justizministerien und -minister für die Einstellung der Richter zuständig, oder es bestehen anderweitige gravierende Mitspracherechte politischer Akteure. In Berlin braucht es etwa für eine Richterwahl bei 14 Votanten eine Zweidrittel-Mehrheit von neun Stimmen. Acht Stimmberechtigte kommen alleine aus dem Landesparlament. Eine unpolitische Wahl stellt man sich anders vor. Auch bei Bundesrichtern und Verfassungsrichtern gab es schon häufig Vorwürfe über „Kungeleien“ und „Intransparenzen“. Stichwort: Merkel – Harbarth. Auch wenn Richter auf Lebenszeit ernannt werden und ein zu befürchtendes „Auswechseln“ nicht von heute auf morgen erfolgen kann, besteht dennoch die Gefahr einer zunehmend politisch einseitigen Besetzung, je länger eine politische Agenda vorangetrieben werden kann. Daneben genügt bereits eine politisch nicht neutrale Besetzung einer nachgeordneten Instanz, die gegebenenfalls untergeordnete Abweichler aufheben kann. Auch wenn in den höheren Instanzen ein Richter grundsätzlich nicht mehr alleine entscheidet, ist auch dieser Schutzmechanismus mit der Zeit einfach zu überwinden, wenn eine politische ausgewogene Besetzung dauerhaft unterbleibt.

Erhebliche Gefahren lauern aber auch schon viel früher. Kritisch zu betrachten ist auch die Entstehung der Geschäftsverteilungspläne der Gerichte. Diese regeln vereinfacht gesagt, welche Richter welche Fälle bearbeiten. Wenn man aber weiß, welcher Spruchkörper sich bereits zu welchem Thema positioniert hat, besteht die Gefahr, diesem durch eine passende Geschäftsverteilung erst gar nicht entsprechende Fälle zur Entscheidung vorzulegen. Oder umgekehrt, vorhersehbare Entscheidungen durch eine Zuweisung an bestimmte Personen zu erreichen.
Der Justizapparat ist damit insgesamt ein politisch höchst anfälliges Konstrukt. Wenn beispielsweise das Vertrauen in die demokratische Infrastruktur in Berlin nach den Vorgängen der jüngsten Wahl und anderen Skandalen und Skandälchen, die über die Zeit dort gefühlt überproportional häufig ans Licht kamen, erschüttert ist, kann dies daher nicht verwundern.

Klima-„Aktivisten“: Haft heißt Haft, oder?

Direkt beeinflussen kann die Politik die Gesetze, an welche die Gerichte gebunden sind. Eine Regierung regiert uns durch den Erlaß von Gesetzen. Wozu also der ganze Aufriß um die Justiz, wenn eine Regierung ohnehin Gesetze erlassen kann? Die Antwort liegt nahe. Denn für Gesetze braucht es Mehrheiten, die nicht immer einfach zu beschaffen sind. Und Gesetzesänderungen machen Lärm, Grundgesetzänderungen sowieso. Dennoch hat die Politik in den vergangenen Jahren ganz erhebliche Veränderungen vorgenommen, die der Großteil der Wähler und vielleicht sogar beteiligte Politiker in ihrer Tragweite noch gar nicht erfaßt haben dürften. Sie klingen schließlich auch zu schön und verantwortungsvoll, um im Grunde doch nur einer bestimmten Agenda erheblichen Vorschub zu leisten.

An dieser Stelle kommen wir auf die Flugplatz-Kleber zurück. Abgesehen von den Unwägbarkeiten, bis im Einzelfall ein gerichtliches Verfahren eröffnet wird, haben sie dort mit ein wenig Durchhaltevermögen zwischenzeitlich eher wenig zu befürchten. Für deren Aktionen auf dem BER wäre in strafrechtlicher Hinsicht zum Beispiel § 315 des Strafgesetzbuchs relevant. Dessen Absatz 1 endet mit den Worten „wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.“ Wird der Tatbestand erfüllt, wovon auszugehen ist, folgt nach dem Wortlaut der Vorschrift ohne Entscheidungsspielraum des Gerichts eine Haftstrafe. Das wäre aus der Sicht der „Aktivisten“, die ja nun doch nicht so zahlreich scheinen und teilweise offenbar sogar aus dem Ausland herangeholt werden, eher suboptimal. Gibt es da nicht vielleicht doch noch einen rettenden Strohhalm? Natürlich: Ja, es gibt ihn.

Das Gesetz kennt noch eine Reihe allgemeiner Grundsätze, die hier weiterhelfen können. Zu fast jedem wichtigen Gesetz gibt es einen so genannten „Allgemeinen Teil“, der noch vor den Detailregelungen generelle Grundsätze festlegt. Und irgendwo muß auch die Verfassung ins Spiel kommen, zumal sich in den vergangenen Jahren Einiges im Sinne der Klima-„Aktivisten“ geändert hat, natürlich maßgeblich auch auf Betreiben ihrer eigenen Lobbygruppen. Dort liegt der Hase im Pfeffer, an keiner geringeren Stelle als dem Grundgesetz. Denn seit geraumer Zeit steht mit Artikel 20a dort Folgendes:

Die Strahlkraft der Verfassung

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen (…) nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ Der Kreis schließt sich nun, wenn man weiß, daß jede Vorschrift im Lichte der Verfassung auszulegen ist. Dies geschieht, Sie ahnen es jetzt bereits, in Klauseln mit unbestimmten Rechtsbegriffen, die von den Gerichten verfassungskonform mit Leben gefüllt werden. Durch eine Änderung der Verfassung kann sich damit automatisch die Lesart eines Gesetzes gravierend ändern, indem unbestimmte Begriffe jetzt andersauszulegen sind. Im Strafrecht findet sich in § 34 StGB im Allgemeinen Teil eine Vorschrift über den sogenannten „Rechtfertigenden Notstand“. Das Wording kommt Ihnen bekannt vor? Genau, vor einiger Zeit wurde vielerorts in Deutschland der „Klima-Notstand“ ausgerufen. Ein Zufall? Der strafrechtliche rechtfertigende Notstand ist jedenfalls wie folgt definiert:

„Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit (…) oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.“

Es dürfte wohl kaum ein Zweifel daran bestehen, daß aktuell im Flugbetrieb eine erhebliche Mitursache am „menschengemachten Klimawandel“ gesehen wird. Damit gehen dann auch erhebliche Gefahren für Leben, Freiheit und die natürlichen Lebensgrundlagen (alles Rechtsgüter von Verfassungsrang) einher. Waren die Taten nicht rechtswidrig, sprich über die Vorschrift gerechtfertigt, entfiele eine Strafbarkeit. Freisprüche wären die Folge. Natürlich ist das stark vereinfacht und auf den Kern der Sache reduziert gesprochen. Noch scheint man sich nämlich mit juristischen Details seitens der Justiz solchen Freisprüchen entgegenzustellen. Angesichts der Intensität des aktuellen Diskurses auf allen Ebenen und vor allem des klaren Wortlauts der Verfassung, bedarf es aber eher keiner hellseherischen Fähigkeiten, ein rasches Schmelzen dieser Randprobleme vorherzusagen.

Die „Letzte Generation“ wartet nicht umsonst nach eigenen Angaben lediglich auf eine „mutige Entscheidung“ aus den Reihen der Justiz. Ist der Damm dann erst einmal gebrochen, dürften die Trauben, gegen die politisch finanzierten und in jeder Hinsicht bestens unterstützten „Aktivisten“ strafrechtlich etwas zu erreichen, in etwa auf Reiseflughöhe hängen. Es wird dann mit Sicherheit nicht das letzte Mal gewesen sein, daß man sich die über die Justiz die Augen reibt. Sie setzt aber inzwischen nur geltendes Recht um.

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