BERLIN. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat eingeräumt, die Lage in Afghanistan falsch eingeschätzt zu haben. Die Bundesregierung habe unter anderem mit der Annahme daneben gelegen, in Kabul herrsche die Bereitschaft, Widerstand gegen die Taliban zu leisten, schrieb die CDU-Politikerin in einem Papier, das dem Spiegel vorliegt.
Das „Worst-Case-Szenario“ sei deutlich früher als erwartet eingetreten. Der Vormarsch der Taliban habe Deutschland und die Nato völlig überrascht. Dadurch habe sich die Evakuierung von deutschen Staatsbürgern und afghanischen Helfern verzögert, heißt es in dem Schreiben weiter.
Merz: Maas muß zurücktreten
CDU-Chef Armin Laschet machte das Auswärtige Amt für die jetzige Situation in Afghanistan verantwortlich. Außenminister Heiko Maas (SPD) habe „versagt“. Laut Laschet hätte sich die Bundesbehörde bereits im April darum bemühen müssen, sogenannte Ortskräfte in Deutschland aufzunehmen. „Da hätten wir mehr drängen müssen“, räumte er gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ein. „Auch wenn ich nicht dieser Bundesregierung angehöre – niemand in politischer Verantwortung kann behaupten, hier frei von Fehlern zu sein.”
Der frühere Unions-Fraktionschef Friedrich Merz bezeichnete die Rechtfertigungsversuche des Außenministers als „peinlich”. Falls Maas tatsächlich Warnungen des Bundesnachrichtendiensts (BND) und der deutschen Botschaft in Kabul ignoriert habe, müsse er zurücktreten, schrieb er auf Twitter.
„Wenn es stimmt, dass Nachrichtendienste und die deutsche Botschaft schon Tage vor der Einnahme von #Kabul zur Evakuierung geraten haben, Außenminister #Maas dies aber ignoriert hat, dann muss er zurücktreten. Seine Rechtfertigungsversuche sind nur noch peinlich.“ ™ #MerzMail
— Friedrich Merz (@_FriedrichMerz) August 21, 2021
Deutsche Botschaft mußte sich im Alleingang in Sicherheit bringen
Maas hatte am Freitag dem BND die Schuld für das Versagen der deutschen Politik in Afghanistan gegeben. „Der BND hat offensichtlich eine falsche Lageeinschätzung vorgenommen, so wie andere Dienste auch“, monierte er. Zurückzutreten lehnte er ab. Auch die Verteidigungsministerin will ihr Amt nach eigenen Aussagen nicht aufgeben.
Laut der Welt am Sonntag hat die deutsche Botschaft in Kabul die Bundesregierung frühzeitig über die Lage vor Ort informiert. Dennoch habe die Regierung in Berlin die Situation nicht ernst genommen und keine Freigabe zu einer Evakuierung erteilt. Die Angehörigen der diplomatischen Vertretung hätten sich daraufhin auf eigene Faust in Sicherheit gebracht. (zit)