BERLIN. Der Vorsitzende der Junge Alternativ (JA), Marvin T. Neumann, ist aus der AfD ausgetreten. Das erfuhr die JUNGE FREIHEIT aus dem Bundesvorstand der AfD sowie aus der JA. Die Angelegenheit war am Montag auch Thema einer Telefonkonferenz des Bundesvorstands, bei der sich Neumann zu seinen kritisierten Äußerungen auf Twitter äußern sollte.
Der 27jährige erklärte jedoch schriftlich seinen Austritt mit sofortiger Wirkung. Damit ist Neumann auch nicht mehr Co-Bundesvorsitzender der JA, denn Mitglieder ihres Bundesvorstands müssen laut Satzung auch zwingend Mitglied der AfD sein.
Bereits zuvor hatte Neumann in einer schriftlichen Stellungnahme bedauert, sich entsprechend öffentlich auf Twitter geäußert zu haben, zugleich verteidigte er inhaltlich seine Tweets jedoch zu großen Teilen.
Den Stein ins Rollen hatte Neumann Ende April mit einem Tweet gebracht, in dem er schrieb: „Nach einigen Diskussionen mit Ordnungsstaatlern fällt auf, daß trotz grundsätzlicher Differenz, man oftmals beim chinesischen Modell als im Groben sinnvollste Form zukunftsfähiger Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ankommt. Das gilt es, für Europa zu formulieren.“
AG Verfassungsschutz riet zum Ausschluß
Daraufhin wurden auch ältere Tweets von ihm bekannt, zum Beispiel vom Dezember 2020, wo er schrieb: „Andere weiße Europäer beziehungsweise ihre Nachfahren könn(t)en Deutsche werden, Schwarzafrikaner aber nicht. Andersrum genauso. Daran ist auch nichts verwerflich.“
In einem anderen Eintrag als Reaktion auf einen Tweet des Auswärtigen Amts behauptete er: „Es gibt keine ‘Schwarze Deutsche und Europäer’. Sie sind bestenfalls Teil der Gesellschaft und besitzen bestimmte Staatsbürgerschaften, aber sie sind nicht Teil einer tradierten, authentischen ‘europäische(n) Identität’.“ Die Mehrheitsgesellschaft müsse „ethnisch autochthon“ sein. „Wie dies aussieht, steht zur Debatte. Doch der Kern dessen muß das Eigene sein; die Blutsbande, die Familie.“
Die AfD-interne Arbeitsgruppe Verfassungsschutz prüfte daraufhin die Äußerungen Neumanns und kam zu dem Ergebnis, daß diese „Wasser auf die Mühlen“ des Verfassungsschutzes seien. Die Arbeitsgruppe riet deshalb dem Bundesvorstand dringend, Neumann aufzufordern, als JA-Chef zurückzutreten und die Partei zu verlassen. Am vergangenen Freitag tagte deshalb der Bundesvorstand der AfD, wo sich die überwiegende Mehrheit für harte Maßnahmen gegen Neumann aussprach.
Neumann war Mitte April zusammen mit Carlo Clemens aus Nordrhein-Westfalen zum Bundesvorsitzenden der JA gewählt worden.
Ärger um JA-Neugründung in Niedersachsen
Unterdessen sorgt das Thema Junge Alternative auch in Niedersachsen für Streit. Dort hat sich jüngst ein Landesverband der Nachwuchsorganisation wiedergegründet. Die JA Niedersachsen war 2018 aufgelöst worden, nachdem der Landesverband zum Beobachtungsobjekt des Landesamts für Verfassungsschutz erklärt wurde. Auslöser für die Auflösung war zudem die Affäre um den damaligen JA-Landesvorsitzenden Lars Steinke.
Zur neuen Vorsitzenden nach der Wiedergründung am vorvergangenen Wochenende wurde Rebecca Seidler gewählt, die als Beisitzerin auch dem AfD-Landesvorstand angehört. Auf der offiziellen Facebookseite der niedersächsischen AfD hieß es dazu: „Für den Landesvorstand der AfD Niedersachsen war es eine Herzensangelegenheit die Neugründung der JA Niedersachsen zu unterstützen.“
Doch die Freude ist in der Mutterpartei nicht ungeteilt. Mehr als 50 AfD-Mitglieder haben einen Antrag für den Landesparteitag am übernächsten Wochenende eingereicht, in dem die Unterstützung des Landesvorstands für die Wiedergründung der JA mißbilligt wird.
Außerdem heißt es in dem Antragstext, der der JUNGEN FREIHEIT vorliegt: „Die unter Mitwirkung des Landesvorstandes im April 2021 durchgeführte Neugründung der Jungen Alternative wird nicht als Jugendorganisation der AfD anerkannt.“ Die Anerkennung einer Jugendorganisation der AfD sei „einzig und allein Angelegenheit des Landesparteitages als höchstem Organ der AfD Niedersachsen“ und gehöre „nicht zu den Rechten eines Landesvorstandes“.
Es könne nicht sein, „daß der Landesvorstand ohne die entsprechenden Kompetenzen diese Entscheidung an sich zieht und die Mitglieder vor vollendete Tatsachen stellt“, schreiben die Antragsteller, zu denen unter anderem der Spitzenkandidat der niedersächsischen AfD für die Bundestagswahl, Joachim Wundrak, sowie der Bundestagsabgeordnete Dietmar Friedhoff gehören, in ihrer Begründung. Die Veröffentlichung einer entsprechenden Meldung stelle „eine Anmaßung von Rechten und eine Mißachtung der Mitglieder dar“.
„Geschenk für den Verfassungsschutz“
Die Kritik geht jedoch noch weiter: Die auf diesem Weg erfolgte Neugründung der JA stelle „einen Schaden für die Partei dar“. Denn der Verband stehe in Niedersachsen nach wie vor unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes. Dieser habe „anläßlich der Auflösung der früheren JA deutlich gemacht, daß jede Nachfolgeorganisation automatisch und ohne die Notwendigkeit eines neuen Beschlusses in die Beobachtung kommt“. Die Einstufung als „Beobachtungsobjekt“ bedeute eine Einstufung als „gesichert verfassungsfeindlich“, weswegen auch nachrichtendienstliche Mittel sowie V-Leute eingesetzt werden dürften. Daraus folge laut den Antragstellern, daß „jedes Mitglied beobachtet wird“.
Mit seinem Vorpreschen habe der AfD-Landesvorstand zudem der Partei einen Bärendienst erwiesen und dem Verfassungsschutz einen Gefallen getan, monieren die Antragsteller. Denn der Nachrichtendienst prüfe laufend, ob es neue Anhaltspunkte gegen die Partei ergäbe. Relevant sei diesbezüglich „auch eine personelle Überschneidung mit verfassungsfeindlichen Organisationen“. Sind Mitglieder, zumal führende, der AfD Mitglied in einer als verfassungsfeindlich eingestuften Organisation, so spreche das für die Behörde dafür, daß auch die AfD verfassungsfeindlich sei, heißt es in der Antragsbegründung.
Dabei wird ausdrücklich JA-Landeschefin Rebecca Seidler genannt, die somit einer „als gesichert verfassungsfeindlich geltenden Organisation“ vorstehe und Mitglied im Landesvorstand der AfD ist. Erwähnt wird auch Adrian Maxhuni, der nicht nur im Landes-, sondern auch im Bundesvorstand der JA sitzt und Stellvertretender Vorsitzender des AfD-Kreisverbands Osnabrück ist.
Für die Unterzeichner ist damit klar: „Wenn man dem VS ein Geschenk machen möchte, dann trifft man solche Entscheidungen.“ Pikant an diesem Rüffel für den Landesvorstand: Mit Klaus Wichmann und Harm Rykena gehören auch zwei AfD-Landtagsabgeordnete zu den Antragstellern, die im vergangenen Jahr noch zu den Unterstützern des Landesvorsitzenden Jens Kestner gezählt wurden. (vo/krk)