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Streit um Erdgasfelder: Die türkische Großmannssucht und der deutsche Kleinmut

Streit um Erdgasfelder: Die türkische Großmannssucht und der deutsche Kleinmut

Streit um Erdgasfelder: Die türkische Großmannssucht und der deutsche Kleinmut

Heiko Maas (SPD) und Mevlut Cavusoglu
Heiko Maas (SPD) und Mevlut Cavusoglu
Außenminister Heiko Maas (SPD) und sein Amtskollege Mevlut Cavusoglu Foto: picture alliance / abaca
Streit um Erdgasfelder
 

Die türkische Großmannssucht und der deutsche Kleinmut

Berlin versagt als Vermittlungsmacht im Streit zwischen Griechenland, Zypern und der Türkei im östlichen Mittelmeer. Das deutsche Appeasement-Verhalten gibt nicht nur falsche Signale an den türkischen Präsidenten Erdogan, es gefährdet auch die Freundschaft mit Frankreich. Ein Kommentar von Jürgen Liminski.
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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Man ist vom türkischen Diktator Recep TayyipErdogan einiges gewohnt. Gegenüber Frankreich und den Griechen zögert er nicht mit öffentlichen Beleidigungen. Die Regierungen in Paris und Athen hält er für „inkompetent“ und „gefährlich“. Und allgemein läßt er keine Zweifel an seiner Bereitschaft aufkommen, mit dem Säbel nicht nur zu rasseln, sondern ihn auch zu gebrauchen, wenn er sagt: „Keine Kolonialmacht und keine Bedrohung kann unser Land davor abschrecken, Hand anzulegen an die Öl-und Gasvorkommen, die sehr wahrscheinlich in dieser Region liegen.“

Die Krise im östlichen Mittelmeer ist ernst zu nehmen. Gute Vermittler sind da gesucht. An erster Stelle Deutschland, das derzeit die Ratspräsidentschaft der EU innehat. Aber Erdogan schätzt die Berliner Regierung richtig ein, wenn er droht, statt Kompromißbereitschaft zu zeigen. Berlin eiert. Dabei ist die Lage klar.

Indem Erdogan Bezug nimmt auf Kolonialmächte, die nicht mehr als solche existieren, erinnert er an Frankreich, Italien und Großbritannien, die 1923 im Vertrag von Lausanne die heutigen Grenzen der Türkei festlegten und die Ägäis de facto zu einem griechischen Meer machten, was er nun mit deutscher Hilfe infrage stellen will. Er fordert die Revision von Lausanne.

Türkei treibt auf Konkurs zu

Damit meint er es ernst und zwar nicht nur aus nationalistischen oder auch neo-osmanischen, imperialistischen Gründen. Ihn treibt auch die wirtschaftliche Situation der Türkei. Die Lira stürzt ab, der Tourismus ist wegen Corona zusammengebrochen, die Schlagseite der Handelsbilanz (zunehmend mehr Importe als Exporte) droht zum Schiffbruch zu werden, die Inflation liegt bereits bei zwölf Prozent.

Der Wohlstand der vergangenen Jahre vedunstet, die Türken leben deutlich über ihre Verhältnisse, die Schuldentragfähigkeit des Landes stößt an die Grenzen, die Türkei treibt auf einen Konkurs zu. In dieser Situation tun Diktatoren gern das, womit sie oft drohen: Sie schießen, zunächst verbal, dann scharf. Das lenkt von der Misere ab und schart die Massen um den Führer. In diesem Fall verspricht er auch noch Beute, die Öl-und Gasvorkommen in der Ägäis.

Diese Vorkommen sind real existent. Erdogan forscht danach im imaginären türkischen Seegebiet. Er setzt Marine-Manöver an, die Griechen tun desgleichen, zusammen mit Frankreich. Die Manöver spielen sich in relativer Nähe ab, es sind Kriegsspiele. Dabei kann manches passieren und dem einen oder anderen Matrosen auch die Nerven durchgehen. Schon einmal wäre es fast zu einem echten Schlagabtausch zwischen zwei türkischen und einer französischen Fregatte gekommen, als die Franzosen bei der Überwachung des Waffenembargos für Libyen einen Frachter durchsuchen wollten und die Türken, die dem Frachter seit Istanbul Begleitschutz gaben, dies verhinderten und sogar das Feuerleitradar aktivierten.

Keine Waffen mehr für die Türkei

Man stand unmittelbar vor dem Feuerbefehl. Die Türken deckten, wie die Aufklärung der Nato später bestätigte, die Lieferung von Panzern und Söldnern aus der Türkei nach Libyen, um die islamistischen Einheiten zu unterstützen, die dort auf Seiten der Regierung gegen die Armee von General Haftar kämpfen.

Es ist auch schon kein Geheimnis mehr: Die Türkei Erdogans bricht offen und permanent das Abkommen, das im Januar auf der Berliner Libyen-Konferenz unter Moderation der deutschen Regierung vereinbart worden war. Schon längst hätte die EU wirksame Sanktionen gegen die Türkei verhängen sollen. Deutschland hätte außerdem einen zweiten Grund: Ankara setzt deutsches militärisches Gerät auch in Syrien und vermutlich jetzt auch in Libyen ein.

Ein totaler Stopp für Rüstungslieferungen und mindestens auch für die Wartung von Transportflugzeugen der Firma Airbus wären dringend geboten. Denn mit diesen Transportern werden ebenfalls Waffen und Söldner nach Libyen gebracht. Und möglicherweise werden deutsche Waffen und Elektronik auch auf den Schiffen eingesetzt, die jetzt französische und griechische Einheiten bedrohen.

Stärke als einzige Sprache

Die türkische Großmannssucht und der deutsche Kleinmut – um nicht zu sagen Feigheit – vermengen sich zu einem politisch explosiven Gemisch. Es bedroht nicht nur den Zusammenhalt der Nato, über den man trefflich streiten kann – Stichwort Hirntod – sondern auch die deutsch-französische Freundschaft.

Man stelle sich nur vor: Deutsche Waffen im Einsatz gegen Frankreich. Oder noch schlimmer: im Einsatz gegen Israel. Denn Israel ist mit seinem Seegebiet Partner Zyperns und Griechenlands bei der Erforschung und Verwertung der Öl-und Gasvorkommen. Israel hält sich zurück, bleibt sozusagen untergetaucht, wie seine U-Boote im östlichen Mittelmeer.

Die einzige Sprache, die Diktatoren vom Schlag Erdogans verstehen, ist die Stärke. Die muß man zeigen. Paris hat das begriffen, Athen auch und selbst Moskau hat Erdogan schon deutlich die Grenzen gezeigt. Berlin aber pfeift kleinlaut vor sich hin. Gerade das ist gefährlich, Diktatoren sehen solch ein Appeasement-Verhalten als Signal, daß sie weiter vorrücken können. Die Deutschen müßten das eigentlich wissen. Sollte es im östlichen Mittelmeer tatsächlich krachen, trägt Berlin ein gerüttelt Maß Schuld daran.

Außenminister Heiko Maas (SPD) und sein Amtskollege Mevlut Cavusoglu Foto: picture alliance / abaca
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