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Bernd Zimniok, Demografie, Massenmigration

Thilo Sarrazin: Im Fegefeuer der Rassistenjäger

Thilo Sarrazin: Im Fegefeuer der Rassistenjäger

Thilo Sarrazin: Im Fegefeuer der Rassistenjäger

Sarrazin
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Der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin Foto: picture alliance/Wera Engelhardt/dpa
Thilo Sarrazin
 

Im Fegefeuer der Rassistenjäger

Die Bücher des früheren Berliner Finanzsenators, Thilo Sarrazin, werden regelmäßig von Rassismusvorwürfen begleitet. Nun fordert ein prominenter Sozialdemokrat einen dritten Anlauf, Sarrazin aus der Partei auszuschließen. Und daß, noch bevor sein neues Buch „Feindliche Übernahme“ in den Läden steht. <>Ein Kommentar von Lukas Mihr.<>
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Ende August erscheint „Feindliche Übernahme“, das neue Buch des früheren SPD-Politikers und Bestsellerautors Thilo Sarrazin. Nach einem Streit mit dem Autor war der Verlag Random House nicht mehr zur Veröffentlichung bereit. Kurzfristig sprang der Finanzbuch Verlag ein. Jüngst konnte Sarrazin in der Auseinandersetzung mit Random House einen ersten Punktsieg erzielen, da der Verlag eine Falschbehauptung eingestehen mußte. Verlagsjustiziars Rainer Dresen hatte zuvor behauptet, Sarrazin habe es abgelehnt, vor der Veröffentlichung des Buches ein wissenschaftliches Gutachten über die Richtigkeit seiner Islaminterpretation einzuholen.

Erneut soll es um den Islam gehen. Frühere Äußerungen Sarrazins hatten bereits zu zwei Parteiausschlußverfahren geführt, die allerdings im Sande verliefen. Nun steht ein drittes Verfahren im Raum.

Stegner wirft Sarrazin Rassismus vor

Thilo Sarrazin: Feindliche Übernahme. Jetzt im JF-Buchdienst vorbestellen

Ausgerechnet Parteivize Ralf Stegner stellte fest: „Thilo Sarrazin ist charakterlich gescheitert und kaum zu ertragen.“ Er nutze das „Feigenblatt der SPD-Mitgliedschaft“, um „seine Bücher zu verkaufen und sich gleichzeitig vom Rassismusvorwurf reinzuwaschen“.

Der frühere Parteichef Sigmar Gabriel hatte es als Fehler bezeichnet, in seiner Amtszeit keinen Parteiausschluß Sarrazins durchgesetzt zu haben. Neulich gab er zu Protokoll: „Er hat sich nie von seinen Ideen zur Wiederbelebung der Eugenik distanziert, obwohl das ganze Grundgesetz gegen diese schreckliche Verbindung genetischer und sozialer Fragen geschrieben wurde.“

Aydan Özoguz, die ehemalige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, sagte: „Thilo Sarrazin hat sich längst von sozialdemokratischen Werten verabschiedet.“ Das SPD-Präsidium werde sich mit dem Thema befassen.

UN-Ausschuß verurteilte Sarrazin

Erinnerungen werden wach. In den Jahren 2009 und 2010 hatte Sarrazin im Interview mit der Kulturzeitschrift Lette International und in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ Fehler in der Integrationspolitik klar benannt. Dort hieß es beispielsweise: „Ich muß niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert. Das gilt für 70 Prozent der türkischen und 90 Prozent der arabischen Bevölkerung in Berlin.“

Unisono erkannten die politische und mediale Klasse Deutschlands Rassismus. Auch der angesehene Politologe Gideon Botsch, die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) und der UN-Ausschuß für die Beseitigung der Rassendiskriminierung waren sich sicher, daß Sarrazin rassistisch argumentiere.

Botsch hatte allerdings nicht auf die Kraft seiner Argumente, sondern auf eine möglichst weiche Rassismusdefinition gesetzt – je niedriger der „Grenzwert“ umso mehr Rassismus. TGD-Vorsitzender Kenan Kolat hatte in der Vergangenheit interveniert, um den Völkermord an den Armeniern aus den deutschen Geschichtsbüchern zu tilgen. Und auch der UN-Ausschuß kann kaum als unbefangen gelten, gehören ihm doch mehrere islamische Staaten an, die ethnische und religiöse Minderheiten diskriminieren. Zudem betrachtete das Gremium schon die dänischen Mohammed-Karikaturen als rassistisch.

Sarrazin befürwortete Einwanderung aus dem Irak und dem Iran

Wie so oft in einer hitzigen Debatte empfiehlt es sich, den Blick nicht auf einzelne Äußerungen zu versteifen, sondern das große Ganze in den Blick zu nehmen. Oft heißt es, Sarrazin habe islamische Einwanderer als aus genetischen Gründen dümmer bezeichnet – ohne daß dies je durch ein entsprechendes Zitat belegt werden konnte. In „Deutschland schafft sich ab“ findet sich hingegen sogar eine exakt gegenteilige Passage:

„Interessant sind die in Großbritannien beobachteten Unterschiede zwischen den verschiedenen Migranten aus der ehemaligen Kolonie Indien: Indische Schüler schneiden in England doppelt so gut ab wie pakistanische Schüler. Schüler aus Fernost lassen in ihren Leistungen alle hinter sich, auch die britischen. Zwischen Indern und Pakistanern gibt es aber keine Unterschiede außer dem, daß die Pakistaner einen islamisch-kulturellen Hintergrund haben.“

Auch lehnt Sarrazin keineswegs jede Einwanderung aus dem islamischen Kulturkreis ab. Anläßlich seiner Buchvorstellung bei der Märkischen Allgemeinen Zeitung in Potsdam äußerte sich Sarrazin im September 2010: „Als 1979 die Islamische Republik im Iran gegründet wurde, flohen viele gebildete Perser, die vielleicht auch gläubig waren, aber auch nicht besonders gläubig, sondern sehr weltlich, europäisch gesonnen und hochgebildet. Und sie sind für alle Länder, in die sie geflohen sind, eine kulturelle und wirtschaftliche Bereicherung. Aus dem Irak flohen vor allen Dingen Christen. Die kleine christliche Minderheit im Irak ist seit Beginn des Irakkrieges auf 20% [ihrer Ursprungsgröße] geschrumpft und daneben flohen gebildete Iraki, also eine positive Auslese, weil die Terroristen systematisch Ärzte und ähnliche Professionen umbrachten. Da floh also eine intellektuelle Elite.“

Nicht die Herkunft soll entscheiden

Jürgen Todenhöfer warf Thilo Sarrazin im TV-Talk bei Markus Lanz vor, er plane eine Geburtenprämie für weiße Akademikerinnen. Sarrazin stellte umgehend klar, daß er durch eine Änderung bei der Auszahlung des Kindergelds tatsächlich die Geburtenrate beeinflussen wolle, entscheidend sei für ihn aber nur der Bildungsabschluß, nicht die Herkunft der Frau.

Erhellend ist Sarrazins Bewertung der berühmten Kölner Rede Recep Tayyip Erdogans aus dem Jahr 2008. („Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“) Vor 10 Jahren hatte der damalige türkische Ministerpräsident seine Landsleute in Deutschland und Europa dazu aufgefordert, türkisch zu bleiben, also an Kultur, Religion und Sprache festzuhalten. Er forderte auch die Errichtung von türkischsprachigen Schulen und Universitäten auf deutschem Boden. In „Deutschland schafft sich ab“ lautet der entsprechende Kommentar:

„Ein Land, das seine Migranten dafür lobt, daß sie sich nicht in den Gastländern assimiliert haben, ist ein Störenfried im friedlichen Zusammenleben. Wenn wir annehmen, […] daß Erdogans Rede ein Spiegel der türkischen Seele ist, dann dürfen wir uns über die mangelhaften Integrationserfolge der türkischen Migranten nicht wundern.“

Vorbild: Kanada

Ganz anders hatte die NPD argumentiert, die Erdogans Ausführungen zustimmte. Nur logisch: Wenn Türken weiterhin türkisch sprechen und die türkische Staatsbürgerschaft behalten, ist es einfacher, sie wieder abzuschieben. Die Forderung nach eigenen Bildungseinrichtungen fördert die Entstehung von Parallelgesellschaften – ähnlich sah die Rassentrennung in den USA aus.

Im taz-Gespräch mit Henryk Broder hatte Sarrazin auch explizit Ehen zwischen Deutschen und Ausländern gefordert – für jeden Rassisten ein Albtraum: „Erstmal muß man fragen, wer wandert ein. Man muß eine rationale Einwanderungspolitik betreiben. Und dann muß man ganz klar machen, daß die, die einwandern, sich vermischen sollten.“

Viele Medien warfen Sarrazin eine ethnische Abschottung vor, doch dergleichen hatte er nie gefordert. Für ihn ist Kanada das große Vorbild. Dort darf nur einwandern, wer qualifziert ist und eine Bereicherung darstellt. Sarrazin hatte immer wieder lobend auf die Bildungserfolge junger Vietnamesen in Deutschland verwiesen. Es ist zu befürchten, daß die Debatte um „Feindliche Übernahme“ ähnlich pauschal verlaufen wird.

Der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin Foto: picture alliance/Wera Engelhardt/dpa
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