NEUMÜNSTER/BARCELONA. Der Anwalt des in Deutschland inhaftierten katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont hat angekündigt, daß sein Mandant kein Asyl beantragen werde. Das sagte Jaume Alonso-Cuevillas laut der Zeit Online im katalanischen Rundfunk. Damit dementierte Alonso-Cuevillas einen Bericht der Bild-Zeitung vom Vortag, wonach Puigdemont erwäge, hier einen Asylantrag zu stellen.
Der frühere Bürgermeister von Girona war am Sonntag an einer Autobahnrastätte auf der A7 von der Bundespolizei auf Basis eines Europäischen Haftbefehls festgenommen worden. Laut der spanischen Tageszeitung El País wurde Puigdemont während seiner Fahrt von Finnland über Schweden und Dänemark nach Deutschland von zwölf Agenten des spanischen Geheimdienstes CNI beschattet. Sie waren es auch, die den deutschen Behörden den entscheidenden Tip gegeben hatten.
Gefängnisinsassen rufen „Free, free Puigdemont“
Auf Twitter brüstete sich die spanische Polizei mit dem Vorgang: „Vielen Dank für eine koordinierte Operation von polizeilichen Geheimagenten und dem CNI. Puigdemont ist in Deutschland festgenommen worden.“
In Barcelona gingen aus Protest gegen die Verhaftung rund 50.000 Menschen auf die Straße. Sie zogen vors deutsche Generalkonsulat in der katalanischen Hauptstadt und verlangten dort die Freilassung ihres Präsidenten. Die Polizei schoß mehrfach in die Luft und prügelte auf zahlreiche Demonstranten ein. Diese bewarfen die Sicherheitskräfte mit Eiern, Müllcontainern und Glasflaschen. Es gab rund 100 Verletzte, darunter 23 Polizisten.
Die Nacht hatte der von der spanischen Zentralregierung für abgesetzt erklärte Katalanen-Präsident in einer Zelle in der Justizvollzugsanstalt Neumünster verbracht. Die dortigen Häftlinge feierten nach einem Bericht des Stern den Neuankömmling mit „Free, free Puigdemont“-Rufen.
Linkspartei spricht von „Schande“
Mehrere Politiker haben die Festnahme und eine mögliche Auslieferung Puigdemonts scharf kritisiert. Die Strafverfolgung sei „ganz offensichtlich politisch motiviert“, sagte der europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Andrej Hunko. Seine Festnahme sei eine „Schande“. Sein Fraktionskollege Niema Movassat schrieb auf Twitter: „Während die Bundesregierung den Massenmörder Sharudi laufen ließ, wird Puigdemont, der keiner Fliege was zu leide getan hat, in Deutschland verhaftet. Schande!“
Während die #Bundesregierung den Massenmörder #Sharudi laufen ließ, wird #Puigdemont, der keiner Fliege was zu leide getan hat, in Deutschland verhaftet. Schande!
— Niema Movassat (@NiemaMovassat) March 25, 2018
Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele kritisierte auf Twitter die Zusammenarbeit der Bundespolizei mit dem spanischen Geheimdienst. „Was macht der spanische Geheimdienst in Deutschland? Von dem soll der Hinweis an die Polizei gewesen sein, den katalanischen Ex-Ministerpräsidenten Puigdemont in Deutschland festzunehmen. Auslieferung geht gar nicht. Demokratische Rebellion per Volksentscheid ist hier nicht strafbar.“
Der AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer rügte die Verhaftung mit deutlichen Worten: „Ein Regionalpräsident, der die Interessen seines Volkes vertreten hat, wird in Deutschland inhaftiert, während ein Millionenheer illegaler Migranten beklatscht wird und direkt in unser Sozialsystem einwandern darf. Irgendwas stimmt hier nicht!“
Ein #Regionalpräsident, der die Interessen seines Volkes vertreten hat, wird in #Deutschland inhaftiert, während ein Millionenheer illegaler #Migranten beklatscht wird und direkt in unser #Sozialsystem einwandern darf. Irgendwas stimmt hier nicht! @AfDimBundestag #Puigdemont https://t.co/ULkWCXudTL
— René Springer (@Rene_Springer) March 25, 2018
Angeklagt wegen Rebellion
Die mit den katalanischen Regionalisten in einer europäischen Parteienfamilie verbundene Bayernpartei verurteilte das Vorgehen der deutschen Behörden. Die Festnahme verbiete sich, weil Puigdemont nur seine Grundrechte wahrgenommen habe. „Carles Puigdemont wird in Spanien offenbar aus politischen Gründen verfolgt.“ Der internationale Haftbefehl diene lediglich dazu, „einen prominenten Verfechter der katalanischen Demokratiebewegung unschädlich zu machen“. Die Partei hat inzwischen Strafanzeige gegen alle an der Verhaftung Beteiligten wegen Verschleppung gestellt.
Der finnische Parlamentsabgeordnete Mikko Kärnä warnte mit Blick auf die Überstellung des damaligen katalanischen Präsidenten Lluís Companys durch die Gestapo 1940: „Wenn Deutschland ihn ausliefern würde, wäre es nicht besser als das Nazi-Deutschland, das Companys von Katalonien zum sicheren Tod in Francos Spanien ausgeliefert hat.“
Deutschland kann Präsident @Krls von #Katalonien nicht ausliefern. #Deutschland repräsentiert Europäische Werte. Wenn Deutschland ihn ausliefern würde,wäre es nicht besser als das Nazi-Deutschland, das Companys von Katalonien zum sicheren Tod in Francos #Spanien ausgeliefert hat.
— Mikko Kärnä (@KarnaMikko) March 25, 2018
Der Vorsitzende der Gesellschaft für bedrohte Völker, der aus Nordschleswig stammende Jan Diedrichsen, sagte dem Nordschleswiger, eine Auslieferung Puigdemonts wäre ein katastrophaler Fehler. Ein faires Verfahren hat er in Spanien nicht zu erwarten“.
Puidemont vor dem Amtsgericht
Die Süddeutsche Zeitung sprach davon, daß Deutschland nun seinen ersten politischen Gefangenen habe. Ihm drohen in Spanien bis zu 30 Jahre Haft. Angeklagt ist er unter anderem wegen Rebellion, ein Strafttatbestand, den es in Deutschland nicht mehr gibt. Auch nach spanischem Recht setzt „Rebellion“ allerdings einen Aufruf zu Gewalt voraus, was Puigdemont nicht vorgeworfen werden kann.
Zustimmung kam hingegen vom CDU-Europapolitiker Elmar Brok. „Puigdemont hat eindeutig gegen spanisches Recht und gegen die Verfassung verstoßen“, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Ihm ist zu raten, die Sache friedlich zu beenden.“ Auch für die Katalanen hatte Brok einen Ratschlag mit im Gepäck. „Ich würde den Katalanen raten, ihr Streben nach Unabhängigkeit aufzugeben, denn es ist völlig aussichtslos.“
Am Mittwoch wird der 55jährige zunächst vor dem Amtsgericht Neumünster zur Festellung seiner Personalien erscheinen müssen. Über die Frage einer möglichen Auslieferung und Abschiebehaft entscheidet dann das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht. (tb)