KÖLN. Fast jedem zweiten Arbeitnehmer, der ab 2030 in Rente geht, droht Altersarmut. Das geht aus Recherchen des WDR zur Zukunft der gesetzlichen Rentenversicherung hervor.
Grund dafür sei das seit geraumer Zeit sinkende Niveau der gesetzlichen Rente. Ab 2030 soll es auf bis zu 43,5 Prozent des Bruttodurchschnittslohns der gesamten Lebensarbeitszeit fallen. Das habe bereits die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD) beschlossen und zum Ausgleich die Riesterrente eingeführt.
Niedrige Löhne und Teilzeitbeschäftigung als Grund
Die Berechnungen stützten sich auf den aktuellen Arbeitsmarkt und die derzeitige Verteilung der Bruttoeinkommen. Demnach verdiene heute fast jeder zweite zu wenig, um höhere Rentenansprüche zu erhalten. Ursache dafür seien nicht nur die niedrigen Löhne wie etwa im Gastgewerbe oder Einzelhandel, sondern auch der hohe Anteil von Teilzeitbeschäftigten, Mini-Jobbern und Solo-Selbständigen.
Vor allem diese Personengruppen seien künftig einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt. Ein Arbeitnehmer müsse demnach 40 Jahre lang ununterbrochen 2.097 Euro brutto verdienen, um im Jahr 2030 eine Rente über dem Grundsicherungsniveau zu erhalten.
Nahles und Seehofer kündigen eigene Konzepte an
Auch sozialversicherungspflichtige Beschäftigte seien von diesem Risiko nicht ausgeschlossen. Denn die private Altersvorsorge könne nur bedingt helfen, weil viele Arbeitnehmer es sich nicht leisten könnten, Geld fürs Alter anzusparen.
SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles und CSU-Chef Horst Seehofer haben bereits Pläne für eine umfassende Rentenreform angekündigt. Für Nahles ist die gesetzliche Rentenversicherung ein „ zentrales Versprechen des Sozialstaats“. Arbeitnehmer müßten auch im Alter davon leben können. „Wer die Ärmel hochgekrempelt hat, steht später nicht mit leeren Händen da“, sagte Nahles der Nachrichtenagentur dpa. Seehofer fordert dagegen die Abschaffung der Riesterrente.
Linkspartei fordert Mindestrente von 1.050 Euro
Der Chef der Deutschen Rentenversicherung, Axel Reimann, forderte die Politik auf, schon „jetzt darüber zu reden, was nach 2030 geschehen soll“. Die Rentenversicherung brauche frühzeitig Klarheit über mögliche neue Zielgrößen bei Beitragssatz und Rentenniveau, sagte Reimann den Zeitungen der Madsack-Mediengruppe.
Derzeit sei Altersarmut kein Massenphänomen. Etwa 2,5 Prozent der Rentner erhielten derzeit zusätzlich zu ihrer Rente Grundsicherung im Alter. Allerdings wüchsen in der näheren Zukunft neue Risikogruppen heran. Dazu gehörten Langzeitarbeitslose und Niedriglohnempfänger, warnte Reimann.
Die Linkspartei forderte mit Blick auf die Zahlen eine „Revolution der Gerechtigkeit“, um die „Massenarmut im Alter“ zu bekämpfen. „In einem ersten Schritt muß das Rentenniveau umgehend zurück auf 53 Prozent gehoben werden“, sagte Parteichef Bernd Riexinger. Die Rente mit 67 müsse rückgängig gemacht werden, „da diese für viele Beschäftigte eine Rentenkürzung durch die Hintertür“ sei. Riexinger sprach sich für eine Mindestrente von 1.050 Euro aus. (ls/ho)