Walter Ulbricht war eine widersprüchliche Erscheinung. Nach innen wirkte er als fähiger Organisator und Machtmensch, seine Außenwirkung brachte ihm Spott ein. Vor 50 Jahren starb der DDR-Machthaber, der untrennbar mit dem Mauerbau verbunden ist.
IHR DIGITALER ZUGANG.
Einfach registrieren undweiterlesen.
Alle Artikel auf JF online frei
Die JF schon jeden Mittwoch als E-Paper und via App
Walter Ulbricht war ein autoritärer Parteiführer, der u. a. deswegen kaum echte Gefolgschaft hatte und als er diese benötigte ohne sie dastand. Das lag aber auch daran, dass W. Ulbricht den meisten Genossen intellektuell überlegen war. Er konnte sowohl operativ wie strategisch denken und kurzfristig entschlossen handeln. Dialektik war im wesenseigen. Die Entwicklung in den sechziger Jahre zeigt eindeutig, dass er eine Gesamtvorstellung einer sozialistischen Gesellschaft in der DDR und darüberhinaus hatte. Er war diesbezüglich seiner Zeit voraus (die Chinesen haben sich das sehr genau angeschaut). Er drängte seine Leute nach vorne. E. Honecker und seine Spießgesellen waren nicht in der Lage Ulbrichts Konzept zu verstehen, dieser wollte u. a. die Wirtschaft so gut stellen, dass der Abstand zum Westen nicht mehr so entscheidend auf die Politik zurückkoppeln konnte. 1971 stand die DDR ziemlich gut da. E. Honecker hat sich dann hinter der Mauer eingerichtet und die Substanz verzehren lassen- wirtschaftlich wie politisch. Wie es das untere politische Mittelmaß stets fordert. Das kommt mir heute sehr bekannt vor. Man kann ein Land auch demokratisch gegen die Wand fahren…
„1971 stand die DDR ziemlich gut da“
Noch besser hätten wir da gestanden, ohne die bis 1969 andauernde „Hallstein-Doktrin“. Die BRD untersagte damit die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der DDR. Erst haben wir allein alle Reparationen an die SU leisten müssen, dann wurden uns auch noch Hemmschuhe von seiten der BRD in den wirtschaftlichen Werdegang gelegt…
„Ulbricht den meisten Genossen intellektuell überlegen war.“ Man könnte auch formulieren, er war der Einäugige unter Blinden. Ich hielt und halte ihn für primitiv, kulturlos. Dafür besass er das was man als „Bauernschläue“ bezeichnet. Intelligenz würde ich das nicht nennen.
Wie war Ulbrichts Stellung zu deutschen Einheit? Doch wohl nicht ablehnend. Wie war seine Stellung zur westlichen Populärkultur, die sich bereits damals in der DDR gar nicht so leise bemerkbar machte? Ablehnend. Legendär ist seine Verhöhnung der Beatles. Hätten wir in der BRD nur auch eine solche Brandmauer gegen westliche Dekadenz gehabt! Da bei uns von staatlich-gesellschaftlicher Seite keine Ablehnung dieser trivialen US-und GB-Ergüsse kam, war es Kleingruppen und Familien vorbehalten, entsprechende Akzente zu setzen. Mein Vater war ein vehementer Gegner der aus dem angelsächsischen Raum eindringenden Rockmusik. Als Jugendliche hielt ich das für eine Marotte. Heute verstehe ich ihn – und zumindest in diesem Punkt auch Walter Ulbricht.
Dieser Beitrag ist älter als 2 Tage, die Kommentarfunktion wurde automatisch geschlossen.