BERLIN. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hat ein Eingreifen des Gesetzgebers bei der Anhebung des Mindestlohns nicht ausgeschlossen. Wenn die zuständige Mindestlohnkommission den politischen Erwartungen nicht gerecht werde, könne der Gesetzgeber tätig werden, sagte Miersch im Podcast „Table Briefings“. „Wir haben auch in anderen Fällen schon bewiesen, daß wir dann gesetzgeberisch tätig werden können“, erklärte der SPD-Politiker.
Die künftige schwarz-rote Koalition gehe fest davon aus, daß der Mindestlohn im kommenden Jahr auf 15 Euro pro Stunde steige, sagte Miersch weiter. Auch CDU-Chef Friedrich Merz habe diesen Wert bereits als Ziel benannt. Im Koalitionsvertrag der beiden Parteien heißt es, ein Stundenlohn von 15 Euro sei im Jahr 2026 „erreichbar“. Einen gesetzlichen Automatismus lehnte Merz jedoch ab.
Wie funktioniert die Mindestlohnkommission?
Derzeit liegt der Mindestlohn in Deutschland bei 12,82 Euro pro Stunde. Die nächste reguläre Erhöhung steht zum 1. Januar 2025 an. Die Entscheidung darüber trifft die unabhängige Mindestlohnkommission, die paritätisch aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besteht und von einer neutralen Vorsitzenden geleitet wird. Die Kommission orientiert sich bei ihren Empfehlungen an der Entwicklung der Tariflöhne und soll für eine faire und wirtschaftlich tragfähige Lohnuntergrenze sorgen.
Für die Kommission betonte deren Vorsitzende Christiane Schönefeld, daß die Mitglieder „bei der Wahrnehmung ihrer Tätigkeit keinen Weisungen“ unterlägen. Zwar gebe es Kriterien für die Festlegung der Lohnuntergrenze – etwa die Entwicklung der Tariflöhne und ein Richtwert von 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten. Allerdings dürfe die Kommission im Rahmen einer Gesamtabwägung auch davon abweichen, etwa wenn „besondere ökonomische Umstände“ vorlägen.
Wirtschaft warnt vor unbezahlbarem Spargel
Widerstand gegen eine politisch forcierte Mindestlohnerhöhung kommt unterdessen aus der Wirtschaft. Beispielhaft rechnete ein Brandenburger Spargelbauer gegenüber der Bild-Zeitung vor, daß ihn ein Stundenlohn von 15 Euro pro Saisonarbeitskraft über 22.000 Euro zusätzlich koste – allein an Löhnen. Bei solchen Steigerungen könnte der Preis auf 20 Euro für das Kilo deutschen Spargel steigen. Oder heimische Anbauflächen könnten stillgelegt und zunehmend durch Importware ersetzt werden, hieß es.
Zu weiteren Vorhaben der sich formierenden Koalition wollte sich Miersch nicht konkret äußern. Grundlegende Reformen – etwa im Bereich der Sozialpolitik – könnten nicht in Koalitionsverhandlungen, sondern müßten in breiter besetzten Kommissionen erarbeitet werden. Der Vertrag trage aber eine „klare sozialdemokratische Handschrift“, sagte Miersch. (sv)