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Verkehrswendemotor Elektrifizierung: Der Verkehrswende den Stecker ziehen

Verkehrswendemotor Elektrifizierung: Der Verkehrswende den Stecker ziehen

Verkehrswendemotor Elektrifizierung: Der Verkehrswende den Stecker ziehen

E-Busse der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) an der Elektro Ladestation zum Tanken von Strom - ist die Elektrifizierung der Schlüssel zur Verkehrswende? Foto: picture alliance / Flashpic | Jens Krick
E-Busse der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) an der Elektro Ladestation zum Tanken von Strom - ist die Elektrifizierung der Schlüssel zur Verkehrswende? Foto: picture alliance / Flashpic | Jens Krick
E-Busse der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) an der Elektro Ladestation zum Tanken von Strom – ist die Elektrifizierung der Schlüssel zur Verkehrswende? Foto: picture alliance / Flashpic | Jens Krick
Verkehrswendemotor Elektrifizierung
 

Der Verkehrswende den Stecker ziehen

Der Wasserstoff-Antrieb für Busse und Bahnen ist teuer und praxisfremd. Dadurch wird die Verkehrswende blockiert. Ist Elektrifizierung die Alternative?
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Angesichts der 10.000 Busse, die für die DB Regio Bus fahren, wären die 62 Wasserstoffbusse vernachlässigbar. Wären da nicht die ehrgeizigen Klima-Pläne der Muttergesellschaft Deutsche Bahn: Bis Ende 2024 will der Staatskonzern weitere 200 Elektrobusse erwerben und bis 2038 den letzten Dieselbus ausgemustert haben.

Ein mit der japanisch-portugiesischen Firma Caetanobus geschlossener Rahmenvertrag sieht die Lieferung von weiteren 60 Zwölf-Meter-Bussen Typ „H2.City Gold“ für 40 Millionen Euro bis 2026 vor. Zwei Gold-Busse mit Toyota-Brennstoffzellen fahren bereits seit 2021 bei der DB-Tochter Autokraft im Zuge des Subventionsprojektes eFarm im Kreis Nordfriesland.

Problempunkt: Betankung

Die Zusatzlieferung für den rot-grünen Wattenmeer-Landkreis und den schwarz-grünen Ostseekreis Rendsburg-Eckernförde könnte sogar praktisch sofort erfolgen: Wiesbaden mustert seine Caetano-Busflotte nach nicht einmal zwei Jahren wieder aus. Die dortige Verkehrsgesellschaft Eswe zieht nach Problemen mit der Wasserstofftankstelle dem millionenteuren Klimaprojekt den Stecker. Es konnten immer nur drei bis vier Caetano-Busse hintereinander betankt werden.

Danach mußte drei bis vier Stunden gewartet werden, bis der explosionsfreudige Wasserstoff (H2) im Hochdruckspeicher wieder auf 550 bar verdichtet war. Seit April fahren in Polen gebaute Gelenkbusse vom Typ MAN Lion’s City 19C mit kräftigem 360-PS-Dieselmotor durch die hessische Landeshauptstadt – für weniger als die Hälfte des Caetano-Preises.

„Konstant zuverlässige Reichweite von 270 Kilometern“

Im 40 Kilometer entfernten Bad Homburg im Taunus wurde der 2020 von der CDU-Stadtratsfraktion beantragte H2-Busversuch wegen zu langer Lieferzeiten, zu hoher Anschaffungskosten und fehlender Tankmöglichkeit rechtzeitig abgesagt. Bis 5. Juni können sich nun die „Bürger*innen“ zu den 50 neuen Maßnahmen des „gesamtstädtischen Mobilitäts- und Verkehrskonzepts“ äußern – darunter die Idee, die „gesamte Busflotte auf Elektroantrieb“ umzustellen, „um den Betrieb möglichst emissionsarm gestalten zu können“. Der angebliche „Bus of the Year 2023“, der MAN Lion’s City E mit Lithium-Ionen-Batterie, bietet aber nur eine „konstant zuverlässige Reichweite von 270 Kilometern“.

https://twitter.com/mantruckandbus/status/1621494267209302017?s=46

Die Saarbahn will auf die längere Reichweite, die Schnellbetankung der H2-Busse und die Subventionsmillionen hingegen nicht verzichten. Bis 2030 sollen insgesamt 85 H2-Busse angeschafft werden. Da es aber – anders als in Nordfriesland – mit der H2-Elektrolyse aus „Grünstrom“ nicht so recht klappt, setzt man dort auf ein „grenzüberschreitendes Wasserstoffnetz mit Projektpartnern aus Frankreich“. Und dort gilt H2 aus Atomstrom dank EU-Taxonomieverodnung als „grün“.

Der Trolleybus als einsamer Kämpfer der Verkehrswende

Die Firma Rebus im Landkreis Rostock ist noch mutiger: Die 170 Dieselbusse sollen ab 2025 schrittweise durch H2-Busse ersetzt werden – die ersten 52 soll die spanisch-polnische Firma Solaris liefern. Ob die „Urbino Hydrogen“ in Mecklenburg dem deutschen Steuerzahler mehr Freude bereitet? Die „Richtlinie zur Förderung alternativer Antriebe von Bussen“ – initiiert 2021 von CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer – ermöglicht aber „eine Förderung von 80 Prozent der zusätzlichen Kosten“.

https://twitter.com/electricbus2/status/1044515651954577408?s=46

Solaris bietet mit seiner Trollino-Baureihe übrigens auch Oberleitungsbusse an. Für diese seit hundert Jahren bewährte Technik gibt es allerdings keine üppigen Förderungen. Daher sind in Deutschland nur noch in Eberswalde, Esslingen und Solingen O-Busse unterwegs. In Bulgarien, Italien, Rumänien, der Schweiz oder der Tschechei sind sie weiterhin Alltag. O-Bus-Weltmeister ist Rußland – obwohl Diesel dort umgerechnet nur 68 Cent pro Liter kostet. Noch absurder ist der aufwendige H2-Einsatz bei der Eisenbahn. E-Loks gibt es in Deutschland seit über 140 Jahren – doch in Deutschland sind bislang nur 62 Prozent des 33.400 Kilometer langen Streckennetzes elektrifiziert. In der Schweiz sind es 100 Prozent, in Belgien 88 Prozent und Schweden 75 Prozent.

Förder-Flop aus Hessen

Die schwedische Zielmarke ist laut Ampelkoalitionsvertrag für 2030 geplant. Doch statt das Tempo zu erhöhen, stellte Siemens 2022 mit der DB das Projekt „H2goesRail“ vor: Der Zug Mireo Plus H soll ab 2024 Tübingen, Horb und Pforzheim verbinden und so die 330 Tonnen CO2 pro Jahr des bisherigen Dieseltriebzuges einsparen. Und „über die Lebensdauer von 30 Jahren“ seien es sogar „bis zu 45.000 Tonnen CO2 gegenüber entsprechenden Autofahrten“, rechnete Michael Peter, Chef von Siemens Mobility, vor – sprich: Eine Elektrifizierung ist nicht geplant. Dafür aber ein Verbot von Pkw-Fahrten mit Verbrennungsmotor. Besonders absurd: Der teure Wasserstoff wird in Tübingen mit „Ökostrom“ aus der Oberleitung produziert.

https://twitter.com/eisenbahnin/status/1651149159125139458?s=46

Auch der französische Konkurrent Alstom will etwas von den deutschen Klima-Milliarden einstecken. 27 „Coradia iLint“-Züge für 500 Millionen Euro sollen auf der Taunus-Bahnlinie eingesetzt werden, versprach der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV). Doch die Idee der „größten Wasserstoffzug-Flotte der Welt“ ging schief: Alstom konnte bis Jahresende 2022 nur sechs Züge liefern – und die waren oft unpäßlich, weil es Probleme mit der Betankung, der Software oder der Einspritzpumpe gab. Wiesbaden läßt grüßen. Von einem „fulminanten Fehlstart“ sprach Anfang Mai RMV-Chef Knut Ringat. Was allerdings untertrieben ist.

„Ich komme mir vor, als würden wir im Kongo leben“

Denn die Dieselloks (Ringat 2021 in der FAZ: „Aus der Verantwortung für das Klima kann sich niemand mehr herausstehlen.“) wurden verkauft, so daß auf den RVM-Nebenstrecken fast nichts mehr fuhr. Gemietete Dieselbusse mußten Schienenersatzverkehr leisten, bis Alstom wieder ausreichend Dieselloks aufgetrieben hatte. Elf „Coradia iLint“-Züge sind nun ausgeliefert, Zugausfälle gehören trotzdem zum Alltag: „Ich komme mir vor, als würden wir im Kongo leben“, zitierte der Kelkheimer Bürgermeister Albrecht Kündiger bei einem Pressegespräch aus dem Beschwerdebrief einer Bürgerin.

Angesichts von bis zu 20 Zugausfällen am Tag habe die Situation „eine Eskalationsstufe erreicht, die nicht mehr akzeptabel ist“, so Kündiger in der Welt. Zudem kündigten einige iLint-Lokführer, weil sie eine extra H2-Schulung machen und nebenbei noch ihre Schichten fahren sollten.

Das Zauberwort lautet Elektrifizierung

Beim 2022 gestarteten iLint-Projekt der EVB in Niedersachsen zwischen Buxtehude, Bremerhaven und Cuxhaven, das knapp 100 Millionen Euro Steuergeld verschlingt, gibt es zwar noch keine Horrormeldungen. Doch der dortige „CO2-Fußabdruck“ ist beachtlich: Der keineswegs „grüne“ Wasserstoff stammt von der „fossilen“ chemischen Industrie in Stade – und er wird mit zwei bis drei Gefahrgut-Lkw pro Tag zur H2-Bahntankstelle nach Bremervörde gebracht.

Der nordfriesische eFarm-Wasserstoff stammt zwar aus Wind- und Solarstrom, doch auch hier liefert ein Diesel-Lkw das verdichtete Gas bei den H2-Tankstellen in Husum und Niebüll an. Batterie-Hybrid-Züge, die auf elektrifizierten Streckenabschnitten ihre Akkus aufladen können, sind auch technisch möglich – aber lohnt sich der Aufwand? Eine Elektrifizierung des 123 Kilometer langen EVB-Netzes wäre für 175 bis 200 Millionen Euro möglich gewesen. Und das hätte auch „grünen“ Güterverkehr ermöglicht.

JF 22/23

E-Busse der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) an der Elektro Ladestation zum Tanken von Strom – ist die Elektrifizierung der Schlüssel zur Verkehrswende? Foto: picture alliance / Flashpic | Jens Krick
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