BERLIN. Die Grünen haben angemahnt, daß der Bundestag jetzt einen neuen AfD-Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht stellen müsse. Das vom CDU-Abgeordneten Marco Wanderwitz initiierte Vorgehen war wegen der Auflösung des Bundestags in der vergangenen Legislaturperiode abgebrochen worden.
Nun gehört Wanderwitz dem Bundestag nicht mehr an. Aber die Grünen machen Druck und verfolgen das Ansinnen weiter. Der Geschäftsführer der Fraktion, Till Steffen, erklärte, es werde „schnellstmöglich“ einen neuen Vorstoß geben. Erneut würde der Antrag fraktionsübergreifend gestellt. Im vergangenen Bundestag unterzeichneten ihn mehr als 100 Parlamentarier aus allen Fraktionen – mit Ausnahme von FDP und AfD.
Wichtig für den Antrag ist ein Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das dem Innenministerium unterstellt ist. Darin soll die AfD, so drängen Politiker aller Parteien, als „gesichert rechtsextremistisch“ hochgestuft werden. Bisher gilt die Partei, die ab Dienstag die mit Abstand zweitgrößte Fraktion im Bundestag stellt, dem Inlandsgeheimdienst, „nur“ als „Verdachtsfall“.
Verfassungsschutz ohne Präsident
Das Gutachten verzögert sich jedoch, weil der Verfassungsschutz aktuell keinen Präsidenten hat. Nach dem Abgang von Thomas Haldenwang (CDU), der den Kampf gegen die AfD und das Senken von deren Umfrageergebnissen zu seinem Steckenpferd auserkoren hatte, konnte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) keinen Nachfolger präsentieren.
Und das wird sie, wie die regierungsnahe Frankfurter Rundschau (FR) berichtet, wohl trotz gegenteiliger Ankündigungen aus dem Winter auch nicht mehr tun, bis der neue Bundeskanzler mit seinem Kabinett vereidigt ist.
Die AfD-Verbotsbefürworter werden nun ungeduldig, denn die Zeit drängt, um möglichst noch vor der nächsten Bundestagswahl eine erneute Kandidatur der AfD verhindern zu können. Zwar will auch die SPD-Fraktion auf das Gutachten warten. Das Urteil von Fraktionsgeschäftsführerin Katja Mast steht allerdings bereits fest: „Die AfD stellt eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie dar.“
Merz wartet auf BfV-Gutachten
Aus der Union heißt es, so meldet die FR, Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) habe die Zustimmung seiner Fraktion zum AfD-Verbotsantrag ebenfalls von der Stellungnahme des Verfassungsschutzes abhängig gemacht. Klar ist: Im neuen Bundestag gibt es rein rechnerisch ohne CDU und CSU keine Mehrheit dafür.
Da das Bundesverfassungsgericht Jahre brauchen könnte, um die Partei zu verbieten, tickt die Uhr erbarmungslos. Der Zeitplan des Innenministeriums sieht nun so aus: Die neue Bundesregierung kommt ins Amt. Die neue oder alte Innenministerin bestimmt den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und der legt dann das Gutachten vor.
Grüne drängen beim AfD-Verbot aufs Tempo
Doch den Grünen geht das nicht schnell genug. Fraktionsgeschäftsführer Steffen sagte, es sei „nicht einsichtig“, daß das AfD-Gutachten erst am Ende des Prozesses kommen soll. „Das BfV hat den Wahlkampf als Grund angeführt, warum es verschoben wurde. Und die Wahl ist vorbei.“
Wanderwitz macht ebenfalls Druck, nun von außerhalb des Bundestages: „Das BfV muß sein Gutachten endlich vorlegen. Wenn die neue Regierung im Amt ist, sollte das eine Sache von wenigen Wochen sein.“ Dann müßte „sehr schnell“ der AfD-Verbotsantrag im neuen Bundestag folgen, „dem sich hoffentlich auch die neue Bundesregierung anschließt“.
Wie langwierig das Procedere sein dürfte, zeigt das zweite Verbotsverfahren gegen die NPD. Das hatte mehr als drei Jahre gedauert. Im Dezember 2013 hatte der Bundesrat den Antrag gestellt, nachdem es im Bundestag dafür keine Mehrheit gab. Im Januar 2017 lehnte das Bundesverfassungsgericht dann ein Verbot der rechtsextremen Partei ab. (fh)