MANNHEIM. Die Gemeindevertretung Mannheim hat die nach Gustav Nachtigal, Theodor Leutwein, Sven Hedin und Adolf Lüderitz benannten Straßen im Stadtteil Rheinau-Süd umbenannt. Den Antrag hatten die Grünen bereits 2020 gestellt, weil es sich bei den Männern um „Rassisten und Kolonialisten“ handele.
Doch erst jetzt, kurz bevor die AfD nach ihrem Kommunalwahlsieg gestärkt in das Stadtparlament einzieht, haben die übrigen Parteien die Umbenennung exekutiert. In der letzten Sitzung in alter Besetzung fiel der Beschluß. „Da müssen wir jetzt durch“, kommentierte FDP-Kommunalpolitiker Hans Held das Eilverfahren, wie die Welt berichtet. Regiert wird Mannheim vom CDU-Oberbürgermeister Christian Specht.
Die Gemeindevertreter fühlten sich damit der „Mannheimer Vereinbarung für Vielfalt“, einem „Leitbild der Toleranz und Pluralität“ verpflichtet. Auch wenn die Anwohner mehrheitlich gegen die Umbenennung waren, beziehen sich die neuen Namen auf Vorschläge und einer Abstimmung aus der Mannheimer Bevölkerung.
AfD kritisiert Umbenennungen in Mannheim
Zu den neuen Namenspatronen gehört die zum Islam konvertierte französisch-schweizerische Wüstenreisende Isabelle Eberhardt. Sie ersetzt den schwedischen Geographen Sven Hedin, dem zu große Nähe zu Hitler vorgeworfen wird. Die AfD kritisierte, Eberhardt „mag eine interessante Persönlichkeit und Schriftstellerin gewesen sein, aber was soll einer Stadt wie Mannheim ihre Konvertierung zum und ihr Faible für den Islam sagen?“
Die Österreicherin Ida Pfeiffer, eine österreichische Weltreisende aus dem 19. Jahrhundert, die auch in der Queer-Bewegung als Ikone gefeiert wird und statt Leutwein aufs Straßenschild kommt, stieß ebenfalls auf Ablehnung bei der AfD. Diese bezeichnete die neue Namensgeberin als „in ihrer Sexualität verwirrt und aus einem zerrütteten Familienhaus stammend“. Stattdessen forderte die Partei, eine Straße nach dem von einem Islamisten ermordeten Polizisten Rouven Laur zu benennen.
In Namibia bleibt Lüderitz Lüderitz
Kritik kommt aber auch vom linken, antirassistischen „Arbeitskreis Kolonialgeschichte“. Er moniert, daß statt des Gründers von Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia), Lüderitz, nun der Meteorologe und Geophysiker Georg Balthasar Neumayer geehrt wird. Dieser war, wie die Mannheimer Gemeindevertreter zu spät bemerkten, Mitglied der Deutschen Kolonialgesellschaft und damit ein Anhänger der kaiserlichen Kolonialpolitik und von Lüderitz. Da es aber wegen des AfD-Wahlergebnisses schnell gehen mußte, wollte man das Umbenennungspaket nicht wieder neu aufschnüren.
Der „Arbeitskreis Kolonialgeschichte“ ist nicht nur über diese Auswahl geschockt, sondern vor allem über den heftigen Widerstand der Mannheimer gegen die Umbenennung. Es habe sich gezeigt, wie tief Rassismus noch immer in den Köpfen der Gesellschaft stecke, heißt es.
In Namibia reagierte man vor mehr als zehn Jahren gelassener auf die geforderte Umbenennung der Küstenstadt Lüderitz. Als sich die Einwohner dagegen wehrten, nahm die Regierung von ihren Plänen Abstand. (fh)