Vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht (OLG) beginnt am Dienstag der Prozeß gegen Babak J. Die Bundesanwaltschaft wirft dem deutsch-iranischen Staatsbürger versuchte Brandstiftung sowie versuchte Anstiftung zur schweren Brandstiftung vor. Der 36jährige soll vom iranischen Regime aufgefordert worden sein, am 17. November 2022 einen Molotow-Cocktail auf die neue Synagoge in Bochum zu werfen. Die Gebetsstätte wurde 2007 nach zweijähriger Bauzeit eröffnet, nachdem die frühere Synagoge 1938 von den Nazis zerstört worden war.
Als Babak J. das Anschlagsziel erkundet hatte, sollen ihm die erheblichen Schutz- und Überwachungsmaßnahmen der hell erleuchteten Synagoge Angst vor Entdeckung gemacht haben. Laut Anklage soll er den Brandsatz daraufhin auf die Fassade der neben der Synagoge gelegenen und frisch sanierten Hildegardis-Schule geworfen haben. An dem Schulgebäude entstand nur geringer Sachschaden. Zuvor soll sich ein Bekannter, den er aufgefordert haben soll, den Brandanschlag mit ihm gemeinsam zu begehen, dem verweigert und sich stattdessen an die Polizei gewandt haben. Seit 18. November 2022 befindet sich Babak J. in Untersuchungshaft.
In der Nacht zum 18. November wurden auch Schüsse auf das Rabbinerhaus der Alten Synagoge in Essen abgegeben. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte kurz darauf, daß ein Zusammenhang beider Taten möglich sei. Für die ohnehin einer zunehmenden Bedrohungslage ausgesetzten jüdischen Gemeinden waren die Ereignisse ein Schock. Ermittler und Medien sprachen schnell vom „iranischen Staatsterrorismus“, der nun auch deutschen Boden erreicht habe.
Al Quds-Brigade soll Brandanschlag auf Synagoge beauftragt haben
Aber erst ein im Mai ergangener Beschluß des Bundesgerichtshofs (BGH) verriet Details über ein vierköpfiges „Operativteam“, das sich im Juni 2022 zusammengeschlossen haben soll, um im Auftrag des Mullah-Regimes „in Deutschland Anschläge auf Synagogen und gegebenenfalls andere jüdische Einrichtungen zu verüben“. Bei dem Drahtzieher der Gruppe soll es sich um den ehemaligen Rockerchef Ramin Y. gehandelt haben. Der Deutsch-Iraner übte nach seiner Schulzeit verschiedene Funktionen im Rotlichtmilieu aus. Seine Rockerkarriere begann er bei den Kölner Bandidos. Zuletzt soll er in Mönchengladbach für die Hells Angels das Charter „MG City“ angeführt haben.
Seit 2021 wird der 35jährige wegen Mordes an einem anderen Hells Angel gesucht, der von den Rockern verdächtigt wurde, als V-Mann für die Polizei tätig zu sein. Ramin Y., der sich in der Mönchengladbacher Altstadt nicht selten mit seinem Sportwagen zeigte und auf dessen rechtem Oberarm eine Hakenkreuz-Tätowierung prangt, setzte sich daraufhin in den Iran ab. Dort soll er die geplanten Taten in Zusammenarbeit mit der Quds-Brigade, einer Eliteeinheit der Iranischen Revolutionsgarde, koordiniert haben. Dabei soll er auch mehrfach mit Babak J. telefoniert und diesen zu dem Brandanschlag aufgefordert haben. Zuerst sei Babak J. davon ausgegangen, daß damit eine Synagoge in Dortmund gemeint sei. Dann aber soll ihm gesagt worden sein, daß die Synagoge in Bochum das Anschlagsziel sei.
Der Fall gilt als Politikum, weil die Iranische Revolutionsgarde in den USA als Terrororganisation eingestuft ist, aber nicht in Europa. „Damit ist die Behauptung von Außenministerin Annalena Baerbock, daß die Terrorlistung der Revolutionsgarde rechtlich nicht möglich sei, endgültig unhaltbar geworden“, sagte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen nach der Anklageerhebung. „Ich erwarte, daß Frau Baerbock jetzt endlich entsprechend handelt und sich eindeutig für eine Terrorlistung der Revolutionsgarden in der EU einsetzt.“
BGH sieht Angriff auf Souveränität Deutschlands
Noch deutlichere Worte fand der BGH, der in seinem Beschluß davon sprach, daß Anschläge, die „mutmaßlich von einem fremden Staat initiiert wurden, nicht nur die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland berühren, sondern auch ihre Souveränität“. Strafrechtlich aber bewegt sich die Anklage auf dünnem Eis, denn die aus Angst getroffene Entscheidung, den Brandsatz nicht auf die Synagoge, sondern auf die Schule zu werfen, könnte auch als strafbefreiender Rücktritt von der eigentlich geplanten Tat gewertet werden.
Das OLG hat zunächst elf Verhandlungstermine bis 23. November angesetzt. Das Gericht ließ jedoch bereits durchblicken, daß eine Verlängerung darüber hinaus möglich sei. Aufgrund der bei diesem Prozeß erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen wird nicht im Hauptgebäude des OLG verhandelt, sondern in einem Hochsicherheits-Gerichtssaal am Rande der Stadt. Das in Düsseldorf ironisch als „Terror-Bunker“ bezeichnete Gebäude befindet sich in unmittelbarer Nähe des Landeskriminalamts und wird zumeist für Islamismus- und Mafia-Prozesse genutzt. (wp)