BERLIN. Die Fraktionschefin der Linkspartei im Bundestag, Amira Mohamed Ali, hat ihren Rückzug angekündigt. „Ich habe mich entschieden, bei der kommenden Vorstandswahl nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Linken im Bundestag zu kandidieren“, teilte sie am Sonntag in einer über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreiteten Stellungnahme mit.
Ich habe mich entschieden, bei der kommenden Vorstandswahl nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Linken im Bundestag zu kandidieren.
Diese Entscheidung hat politische Gründe. Meine Erklärung: pic.twitter.com/c6UxsvkyeI— Amira Mohamed Ali (@Amira_M_Ali) August 6, 2023
Die Aufgabe einer Fraktionsvorsitzenden sei es, den Kurs von Partei und Parteiführung öffentlich zu stützen. „Diese Aufgabe fiel mir zunehmend schwer und ist mir mittlerweile unmöglich geworden“, unterstrich Mohamed Ali.
Mohamed Ali: Linkspartei formuliert kein klares Nein zur Ampel-Politik
In der Linkspartei habe sich ein Kurs durchgesetzt, der ihren Überzeugungen an vielen Stellen deutlich widerspreche. „So beschränkt sich zum Beispiel die Kritik an der Ampelregierung weitgehend auf die Forderung nach einem etwas stärkeren sozialen Ausgleich für die Mißstände, die durch die Politik der Ampelregierung und ihrer Vorgänger ausgelöst oder verschärft wurden“, kommentierte die gebürtige Hamburgerin ihre Entscheidung.
Es werde bewußt kein klares und grundsätzliches Nein zum falschen Kurs der Ampelkoalition formuliert, „der den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet und damit massiv Wohlstand und Arbeitsplätze bedroht, der nichts tut gegen Kinderarmut, gegen Löhne, die zum Leben nicht reichen, gegen Armutsrenten“.
Kurswechsel „im Sinne der Demokratie bitter nötig“
Deutlich kritisierte Mohamed Ali in diesem Zusammenhang die Weigerung des Parteivorstandes um Martin Schirdewan und Janine Wissler, eine im Februar von der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht (Linkspartei) mitorganisierte Friedensdemonstration gegen den Krieg in der Ukraine zu unterstützen. Die Abrechnung der beiden Parteichefs mit Wagenknecht im Juni habe den letzten Ausschlag dafür gegeben, nun nicht erneut für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren.
Mit ihrem Kurs wolle die Parteiführung vor allem enttäuschte Grünen-Wähler gewinnen, was Mohamed Ali als die falsche Strategie bezeichnete. Vielmehr sei es „im Sinne der Demokratie bitter nötig“, einerseits auf derzeitige Nichtwähler und andererseits auf AfD-Anhänger zu setzten, die sich mit ihrer Präferenz aber noch nicht sicher sind. Die Reaktionen auf den Verzicht auf eine erneute Kandidatur von Mohamed Ali fielen in der Linkspartei durchwachsen aus.
Pellmann ruft Linkspartei zum Umdenken auf
Der Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann etwa drückte sein Bedauern über den Weggang der 43jährigen aus und rief seine Partei zum Umdenken auf. „Ich habe hohes Verständnis für diesen Schritt. Vielleicht führt der nun endlich zum Nachdenken bei den Mitgliedern des Parteivorstandes. Die Hoffnung stirbt zuletzt“, schrieb Pellmann am Sonntag auf Twitter. Auch der Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst (Linkspartei) gab der Parteiführung eine Mitschuld am Weggang von Mohamed Ali.
Für den Entschluss von Amira Mohammed Ali, nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Bundestagsfraktion zu kandidieren, habe ich größtest Verständnis. Trotzdem bedauere ich ihren Schritt, weil damit erneut eine profilierte Linke wegen der Politik des Parteivorstands und der…
— Klaus Ernst (@ernst_klaus) August 6, 2023
Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Jessica Tatti (Linkspartei), zeigte sich ihrerseits nicht überrascht von dem Rückzug ihrer Parteifreundin. „Wer den eigenen Genossen permanent die Tür zeigt, braucht sich nicht wundern, wenn sie irgendwann durchgehen“, mahnte sie.
Riexinger kritisiert laxe Haltung gegenüber Wagenknecht
Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch hingegen gab sich unbeeindruckt. „Wir werden die Aufgabe, die uns die Wähler zugewiesen haben, die soziale Opposition zu sein, in großer Entschlossenheit wahrnehmen, wie wir das als Bundestagsfraktion auch bisher getan haben“, sagte er im Gespräch mit Rheinischen Post und dem General-Anzeiger. Die Partei habe ihre Probleme zu lange nach außen gekehrt, warnte der Rostocker.
Der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Parteivorsitzende Bernd Riexinger seinerseits warf Mohamed Ali vor, nicht entschieden genug gegen die Pläne von Wagenknecht vorgegangen zu sein, eine neue Partei zu gründen. „Klar muß auch sein, daß eine Fraktionsvorsitzende nicht akzeptieren darf, daß aus der eigenen Partei heraus eine Konkurrenzpartei gegründet wird“, schrieb er am Montag auf Twitter.
Die Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE hat, wie in den meisten Parteien, das Wahlprogramm und die grundsätzliche politische Richtung ihrer Partei im Parlament zu vertreten und nicht umgekehrt. Das ist Amira Mohamed Ali ersichtlich schwer gefallen.
Dass die Partei beim…
— Bernd Riexinger ☮︎ (@b_riexinger) August 7, 2023
(fw)