BERLIN. Nach der Wahl von Kai Wegner (CDU) zum Regierenden Bürgermeister von Berlin haben Grüne und Linkspartei schwere Vorwürfe gegen das Abstimmungsverfahren erhoben. „Ich sehe hier Parallelen zu Thüringen. Denn die AfD nutzt den Parlamentarismus, um ihn verächtlich zu machen“, beklagte etwa Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) am Freitag laut dem Spiegel.
Nachdem Wegner in den beiden ersten Wahlgängen nicht die nötige Mehrheit auf sich vereinigen konnte, wurde er im dritten Durchgang mit 86 Stimmen gewählt – was genau der Abgeordnetenzahl der beiden Koalitionäre CDU und SPD entspricht. Die AfD teilte unmittelbar nach der Abstimmung trotzdem mit, auch sie habe für Wegner gestimmt.
Grüne sehen politische Kultur des Landes beschädigt
Berlins Grünen-Chefin Bettina Jarrasch kritisierte daraufhin das Wahlverfahren. „Das war ein desaströser Start einer Regierung“, twitterte sie am Donnerstag.
Das war ein desaströser Start einer Regierung. Der dritte Wahlgang gilt zu Recht als Notlösung. Offenbar ist fast die halbe SPD-Fraktion ihrer Führung nicht gefolgt. Schwarz-Rot konnte in zwei Wahlgängen keine eigene Mehrheit auf sich vereinen.
— Bettina Jarasch (@Bettina_Jarasch) April 27, 2023
Die Grünen-Parteivorsitzende Ricarda Lang stimmte Jarrasch zu. „Die SPD und die CDU in Berlin haben der Stadt, der Demokratie und der politischen Kultur heute großen Schaden zugefügt, indem sie ohne sichere Mehrheit in den dritten Wahlgang gegangen sind – und so zugelassen haben, daß die AfD die Wahl Wegners für sich reklamieren kann“, schrieb sie am Donnerstag auf Twitter.
Die SPD und die CDU in #Berlin haben der Stadt, der Demokratie und der politischen Kultur heute großen Schaden zugefügt, indem sie ohne sichere Mehrheit in den dritten Wahlgang gegangen sind – und so zugelassen haben, dass die #AfD die Wahl Wegners für sich reklamieren kann.
— Ricarda Lang (@Ricarda_Lang) April 27, 2023
Die AfD lüge immer wieder und niemand solle daher ihre Worte für bare Münze nehmen. Dennoch sei die Bereitschaft von CDU und SPD, in einen dritten Wahlgang zu gehen, ein Fehler gewesen.
Wegner: Habe extra „AfD-Jägerin“ nach Berlin geholt
Wegner selbst wies Kritik am Verlauf der Wahl unterdessen zurück. „Ich glaube, daß die AfD hier chaotisieren will“, betonte er am Donnerstag im RBB. Er könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, daß die AfD einen Regierenden Bürgermeister wähle, der „die größte AfD-Jägerin aus ganz Deutschland“ nach Berlin hole. Mit „AfD-Jägerin“ spielte Wegner wahrscheinlich auf die neue Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) an, die zuvor beim Verfassungsschutz mit der Einstufung der AfD als „rechtsextremistischen Verdachtsfall“ betraut war.
Auch CDU-Generalsekretär Mario Czaja zeigte sich unbeeindruckt von den Vorwürfen. „Ich halte das für ein sehr durchschaubares Manöver, was die AfD hier gemacht hat“, unterstrich er am Donnerstag der Welt gegenüber.
Wegners Senat besteht aus vier CDU-, fünf SPD- und einer parteilosen Senatorin. Die Große Koalition hatte sich unter dem Motto „Das Beste für Berlin“ auf einen Fahrplan für die Spreemetropole geeinigt, der unter anderem eine Kommission gegen Rassismus, einen Abschiebestopp in den Wintermonaten und LGBT-Beauftragte für jeden Bezirk der Stadt vorsieht. (fw)