HAMBURG. 357 Euro sollte ein über 80 Jahre altes Rentner-Ehepaar aus Hamburg bezahlen, weil es den Corona-Kontaktbogen in einem Café nicht vollständig ausfüllte. Die 87jährige, an Demenz leidende Frau hatte dringend zur Toilette gemußt und war deswegen in Begleitung ihres Mannes in die Bäckerei gegangen. Dabei soll es zu dem Verstoß gekommen sein, der gnadenlos verfolgt wurde. Während er freigesprochen wurde, läuft das Verfahren gegen sie noch.
Die Bußgelder wegen Verstößen gegen die Pandemie-Maßnahmen waren ein blühendes Geschäft für die Staatskasse. Allein in Hamburg hat der Fiskus bisher mehr als acht Millionen Euro mit Corona-Bußgeldern eingenommen. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bürgerschaftsfraktion hervor. Demnach wurden während der Pandemiemaßnahmen in der Hansestadt insgesamt 47.076 Bußgeldbescheide wegen Verstößen gegen die Corona-Eindämmungsverordnung erlassen. Derzeit muß sich die Justiz der Hansestadt immer noch mit rund 1450 Einspruchsverfahren dagegen beschäftigen. Das antwortete der Senat auf eine weitere Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Richard Seelmaecker.
Richter kritisiert Corona-Maßnahmen
Wie dem älteren Paar ging es während der Corona-Zeit vielen Menschen in ganz Deutschland. Die beiden Rentner suchten die Bäckerei in Hamburg-Harburg im vergangenen Sommer nur für den Toilettengang der Frau auf. Andere setzten sich, um eine Kleinigkeit zu essen. Dann tauchten Vertreter des Bezirksamtes zur Kontrolle auf. Sie entdeckten das nicht vollständig ausgefüllte Kontaktformular der Senioren. Es hagelte einen Bußgeldbescheid in Höhe von 357 Euro.
Dagegen legten die beiden Einspruch ein und stehen daher derzeit vor Gericht. Bei seinem Freispruch für den Mann kritisierte der Richter handwerkliche Fehler in der Corona-Eindämmungsverordnung des Senats. So habe die Landesregierung nicht festgelegt, in welchem Zeitraum das Kontaktformular hätte ausgefüllt werden müssen. Das Verfahren gegen die Frau, die an Demenz erkrankt ist, soll nun auch eingestellt werden, kündigte eine Gerichtssprecher an.
Insgesamt seien laut Antwort des Senats bei der Staatsanwaltschaft noch 375 Einspruchsverfahren gegen Corona-Bußgeldbescheide mit 378 Betroffenen anhängig. Weitere 1072 Verfahren hat die Anklagebehörde ans Gericht weitergeleitet. Hier stehen Entscheidungen noch aus.
Zahlen aus anderen Bundesländern liegen nicht vor. Aber fest steht, dass sich der Staat schon bei kleinsten Verstößen gegen die Corona-Maßnahmen erbarmungslos zeigte. Weil sich ein Paar in Brandenburg auf einer Decke im Park von Schloss Diedersdorf niedergelassen hatte, mußte es insgesamt 500 Euro bezahlen. (fh)