BERLIN/ROM. Die deutsche Flüchtlingshilfsorganisation Sea-Watch hat die Bundesregierung aufgefordert, die Aufnahme von mehreren hundert Mittelmeermigranten sicherzustellen. Auch müsse sie den Forderungen von mehr als 230 deutschen Kommunen nachkommen, die Einwanderer, die über das Mittelmeer nach Europa kamen, über die Initiative „Seebrücke“ in Eigenregie bei sich unterbringen wollen.
Die Sea-Watch 3 hatte nach einer mehrmonatigen Zwangspause bei Patrouillenfahrten vor der libyschen 24-Seemeilen-Zone in den vergangenen Tagen mehr als 360 Migranten von anderen Booten aufgenommen. Seit Montag fordert die Crew einen sicheren Hafen in Europa.
Nach 5 Rettungsaktionen und der Unterstützung eines sechsten Bootes in Seenot braucht die #SeaWatch3 einen sicheren Hafen, um unsere 363 Gäste an Land zu bringen. pic.twitter.com/4SB0JRUUAt
— Sea-Watch (@seawatchcrew) March 1, 2021
Die 363 Menschen an Bord der #SeaWatch3 brauchen jetzt einen sicheren Hafen. Deutschland darf Mittelmeerstaaten nicht alleine lassen, @BMI_Bund muss Aufnahme von Geretteten sicherstellen und Forderung von über 230 aufnahmebereiten @_Seebruecke_ -Städten und Kommunen respektieren. pic.twitter.com/dBi2SpqpO7
— Sea-Watch (@seawatchcrew) March 1, 2021
Das Bundesinnenministerium teilte auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT am Dienstag mit, es prüfe „im Rahmen eines europäischen Vorgehens in jedem vorliegenden Einzelfall mögliche Zusagen zur Übernahme der Zuständigkeit für die Durchführung der Asylverfahren für einen Teil der aus Seenot geretteten Personen“. Allerdings habe die EU-Kommission in diesem Fall bislang keine entsprechende Bitte übermittelt.
Bislang noch keine „Anfrage auf Umverteilung“
Ein Sprecher der Brüsseler Behörde sagte der JF, die Sea-Watch 3 befinde sich derzeit vor Sizilien und warte darauf, daß ihr ein Ankunftshafen zugewiesen werde. Bisher sei aber von Italien keine „Anfrage auf Umverteilung“ eingegangen.
Deutschland hatte sich in der Vergangenheit fast immer daran beteiligt, wenn die EU-Kommission die Verteilung von Mittelmeermigranten aus Malta oder Italien koordiniert hatte. Gegenüber dieser Zeitung lobte das Bundesinnenministerium nun zwar „das Engagement vieler Länder, Kommunen und Hilfsorganisationen für schutzbedürftige Flüchtlinge“. Allerdings verfügten Asylsuchende nach einer gewissen Zeit über Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet „und die Entscheidung über die Aufnahme von Flüchtlingen betrifft somit nie nur ein einzelnes Land oder eine einzelne Kommune“.
Sea-Watch 4 wieder freigegeben
Unterdessen muß das maßgeblich von der Evangelischen Kirche mitfinanzierte Schiff Sea-Watch 4 von italienischen Behörden wieder freigegeben werden, wie das Verwaltungsgericht Palermo am Dienstag entschied. Die Küstenwache hatte das Schiff im September wegen Sicherheitsmängeln festgesetzt. Nun soll es schnellstmöglich in das zentrale Mittelmeer fahren, „um diejenigen zu retten, die die EU ertrinken läßt“, teilte Sea-Watch mit.
🔴 Die #SeaWatch4 ist frei!
Das Verwaltungsgericht in Palermo hat die Festsetzung der Sea-Watch 4 vorläufig aufgehoben. Nach einer 6-monatigen willkürlichen Blockade kann das Schiff bald ins zentrale #Mittelmeer zurückkehren – um diejenigen zu retten, die die #EU ertrinken lässt. pic.twitter.com/6XldfAZk2S— Sea-Watch (@seawatchcrew) March 2, 2021
In den kommenden Wochen sollen zwei weitere Schiffe von Deutschland aus ins Mittelmeer übersetzen und Migranten aufnehmen. Darunter befindet sich die Mare Jonio 2. Diese soll Platz für eintausend Einwanderer haben und über Drohnen, Nachtsichtgeräte sowie Heißluftballone verfügen. Damit wäre es das größte Migrantenhilfsschiff im Mittelmeer. (ls)