BERLIN. Führende SPD-Politiker haben ein Jahr nach der Bluttat von Hanau die AfD dafür mitverantwortlich gemacht und Konsequenzen gefordert. Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Rolf Mützenich, sagte dem Spiegel: „Die Feinde unserer Demokratie vergiften ganz gezielt das gesellschaftliche Klima, um Zwietracht zu schüren und Menschen gezielt zu Haßobjekten zu machen.“
Mit der AfD säßen „diese geistigen Brandstifter auch in unseren Parlamenten. Durch die Worte von Höcke, Gauland und Co. fühlen sich Täter wie der Mörder von Hanau bestätigt und schreiten zur unsäglichen Tat. Dem müssen wir entgegentreten, auch gesetzlich“. Er verwies auf das Gesetz gegen Rechtsextremismus und Haßkriminalität, das nun umgesetzt werden müsse, sowie auf das Demokratiefördergesetz, das vor allem linke Organisationen unterstützt.
Vor einem Jahr hatte der 43 Jahre alte Tobias R. im hessischen Hanau neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen, anschließend richtete er seine Mutter und sich selbst. Zuvor hatte der Mann mehrere Videos und Pamphlete mit verschwörungstheoretischen und teilweise rassistischen Inhalten im Internet veröffentlicht. Laut einem Gutachten habe Tobias R. an einer paranoiden Schizophrene gelitten und sei von einer rassistischen Ideologie geprägt gewesen.
Habeck fordert „Task Force Rechtsextremismus“
Mehrere Politiker hatten bereits kurz nach der Tat von einem „rechtsextremen Attentat“ gesprochen und die AfD dafür mitverantwortlich gemacht. Das Bundeskriminalamt stufte die Tat zunächst nicht als rechtsextrem ein, änderte dann aber seine Einschätzung.
Mützenich betonte nun, der Täter habe die Personen erschossen, „weil er sie für Fremde hielt“. Dies sei „abscheulich und nachhaltig bedrückend“. Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) attackierte die AfD. „Lassen wir die rassistische Hetze nicht unwidersprochen in der Öffentlichkeit und in unseren Parlamenten“, unterstrich er gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. „Die AfD als eine geistige Brandstifterin ist längst ein Fall für den Verfassungsschutz, und gleichzeitig müssen wir alles tun, um Rechtspopulisten politisch zu bekämpfen.“
Grünen-Chef Robert Habeck forderte: „Politisch muß mehr geschehen, als es bisher der Fall ist.“ Die Bundesregierung stehe in der Verantwortung, ihre geplanten Maßnahmen gegen Rassismus rasch umzusetzen. Außerdem sprach sich der Grünen-Politiker für Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften mit Fokus auf rechtsextreme Straftaten und eine „Task Force Rechtsextremismus“ aus, wohin sich Personen wenden könnten, die von rechter Gewalt bedroht würden.
Mazyek: „Das waren Deutsche. Das waren unsere Landsleute, die angegriffen wurden“
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, warnte im Zusammenhang mit der Bluttat vor einer Spaltung der Gesellschaft. „Ich wünsche mir im allgemeinen Diskurs und auch in der medialen Berichterstattung, daß stärker betont wird: Das waren Deutsche. Das waren unsere Landsleute, die angegriffen wurden“, sagte Mazyek der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Der Terrorist will Spaltung und Menschen erster und zweiter Klasse darstellen. Deshalb müssen wir auch in unserer Sprache klarmachen, daß wir uns nicht entzweien lassen.“
Zudem warnte Mazyek, die Gefahr rassistischer Angriffe sei nach wie vor groß. Zwar würden punktuell die Schutzmaßnahmen erhöht, aber das reiche nicht aus. „Wir brauchen ein noch klareres Bewußtsein in den Innenministerien, daß rechtsextreme Anschläge, zum Beispiel auf Muslime, keine abstrakte Gefahr sind, sondern eine konkrete.“ (ls)