KÖLN. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat eine deutliche Radikalisierung der linksextremistischen Szene festgestellt. Demnach sei eine Herausbildung „terroristischer Strukturen“ möglich. Auch „gezielte Tötungen“ politischer Gegner seien nicht mehr undenkbar, heißt es in einer Analyse der Behörde, die der Welt am Sonntag vorliegt.
Linksextreme unterschieden nicht mehr zwischen Sachen und Personen. „Schwere Körperverletzungen der Opfer bis hin zum möglichen Tod werden billigend in Kauf genommen“, berichtete das BfV. Die Gewalt beschränke sich nicht mehr auf die institutionelle Ebene, vielmehr würden Opfer gezielt ausgesucht und in ihrem persönlichen Rückzugsraum angegriffen.
Bisher hätten gewaltbereite Linke vor allem Polizisten und vermeintlich Rechtsextreme attackiert. Doch die Angriffe weiteten sich mittlerweile auf andere Kreise aus, etwa auf Vertreter der Immobilienbranche. „Mit gezielten Aktionen sollen staatliche und private Akteure eingeschüchtert werden“, sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) der Welt.
Linksextremen nehmen „immer weniger Rücksicht auf Leib und Leben“
Zudem entwickle sich die Aktionsform zunehmend von einer „Massenmilitanz“ hin zu „klandestinen Kleingruppen“, die immer brutalere Taten begingen. Linksextremisten würden „ungebrochen gewalttätig agieren und immer weniger Rücksicht auf Leib und Leben von Betroffenen nehmen“, betonte das BfV. Polizisten würden von Hausdächern oder Brücken mit Steinen beworfen oder mit Reizgas und Farbe attackiert.
So wurden Anfang Juni Einsatzkräfte in Bielefeld bei einer Personenkontrolle von einer 50köpfigen Gruppe mit Flaschen beworfen und beleidigt. Mitte Juni gingen vermummte Linksextreme in Leipzig auf Beamte los und beschädigten Polizeifahrzeuge. Im vergangenen November hatten gewaltbereite Linke Anschläge auf Baukräne verübt und damit einen Sachschaden von 20 Millionen Euro verursacht. Die Täter hatten es zudem billigend in Kauf genommen, Anwohner in Lebensgefahr zu bringen.
Zahl linksextremer Straftaten steigt um 40 Prozent
Aus einer Aufstellung des Verfassungsschutzes geht laut Welt zudem hervor, daß die Zahl der sogenannten linksextremistisch motivierten Straftaten im Jahr 2019 um rund 40 Prozent gestiegen sei. Demnach registrierten die Behörden 2018 etwas mehr als 4.600 Delikte und 2019 fast 6.500. Vor allem Sachbeschädigungen und Brandstiftungen hätten zugenommen. In zwei Fällen sei es zudem zu versuchten Tötungsdelikten gekommen. Bei Körperverletzungen ging Zahl zurück.
Dem Bericht zufolge gab es vor allem in Sachsen einen deutlichen Anstieg. Dort registrierten die Behörden mehr als doppelt so viele Straf- und Gewalttaten als im Vorjahr. Die absolut meisten Fälle verzeichnete Nordrhein-Westfalen. In Brandenburg und Berlin nahmen die Gewalttaten deutlich zu. (zit/ls)