BERLIN. Der konservative „Berliner Kreis“ innerhalb der CDU hat die Politik der Bundeskanzlerin scharf kritisiert und eine Kurskorrektur gefordert. „Wer die Wahlergebnisse beschönigt, verkennt die schwierige Lage, in der sich die Union befindet, und vermittelt den Eindruck, die sich daraus ergebenden politischen Konsequenzen nicht ziehen – ja noch nicht einmal ernsthaft diskutieren – zu wollen“, heißt es in einem sechsseitigen Papier des Berliner Kreises, das die FAZ veröffentlicht hat.
Das „historisch schlechte“ Wahlergebnis vom 13. März bezeichnete der Kreis, dem unter anderem CDU-Politiker wie Wolfgang Bosbach, Erika Steinbach und der frühere hessische Kultus- und Justizminister Christean Wagner angehören, als „dramatische Fortsetzung eines Abwärtstrends, der sich seit mehreren Jahren abzeichnet“. Von allen Parteien hätte die CDU am meisten Wähler an die AfD verloren. Die zweitgrößte Gruppe der AfD-Wähler seien Nichtwähler, „von denen zuvor viele die Union gewählt hatten“.
Weitere Linksdrift verhindern
Ein „Weiter so“ werde daher „auch künftig zum Wegbrechen von Wählerstimmen“ führen. Eine „schonungslose, ehrliche und selbstkritische Analyse“ der Wahlniederlagen „war und bleibt notwendig“, forderte der Berliner Kreis weiter, der keinen „Rechtsruck der Partei“ betreiben, sondern eine „weitere Linksdrift“ verhindern wolle. Denn der „Markenkern“ der CDU, die christlich-soziale, die liberale und die wertkonservative Strömung, seien „sträflich vernachlässigt“ worden.
„Die Union war die Partei der Mitte, der Sozialausschüsse und der Wertkonservativen. (…) Dies war ihr Erfolgsrezept als Volkspartei“, schrieben die 16 Unterzeichner weiter. Sie forderten die Parteiführung dazu auf, „Entscheidungen von weitreichender Bedeutung“ sowie „Kurskorrekturen“ mit der Parteibasis zu diskutieren, bevor endgültige Beschlüsse gefaßt würden. Wenn Union und SPD nicht einmal gemeinsam über eine Mehrheit verfügten, gefährde dies die Stabilität der Demokratie.
Wenn Grüne und SPD Beifall spenden, stimmt etwas nicht
Der Berliner Kreis forderte den CDU-Bundesvorstand dazu auf, über die Ursachen der „besorgniserregenden Wahlergebnisse“ zu beraten und die „notwendigen Schlüsse für den künftigen Kurs der Union“ zu ziehen. Wenn vor allem Grüne und der linke Teil der SPD Merkels Asylpolitik Beifall spenden, müsse die CDU-Führung sich fragen, ob sie mit ihrem Kurs die eigenen Anhänger überhaupt noch erreiche.
„Die Sorge um Identitätsverlust und Überfremdung des Landes hat viele Bürger erfaßt“, heißt es in dem Manifest. Auch deshalb sei es „völlig unverständlich, wenn diejenigen, die Kritik an der Flüchtlingspolitik üben, vorgeworfen wird, sie trügen die Verantwortung für die Wahlniederlagen am 13. März“.
Lebensschutz statt Gender-Ideologie
Neben einer Korrektur der Asylpolitik forderten die Autoren eine Familienpolitik, die Ehe und Familie ins Zentrum rückt und die Abkehr von der Gender-Ideologie. „Wir müssen unsere Wähler auf der erkennbaren Grundlage einer christlichen Orientierung mit Botschaften zur Leitkultur, zur Bedeutung von Verantwortung und Freiheit, zur sozialen Marktwirtschaft, zur inneren Sicherheit, zur Familie, zum Lebensschutz und zum Patriotismus ansprechen.“
Wirtschaftspolitisch seien die Fortsetzung einer soliden Haushaltspolitik mit niedrigen Zinsen, ein liberaler, flexibler Arbeitsmarkt und die „Verhinderung von linken Umverteilungsabsichten“ sowie die Förderung des Mittelstandes und dringend notwendige Steuervereinfachungen das Gebot der Stunde.
Außerdem sei die „waghalsige Geldpolitik“ der Europäischen Zentralbank stärker in Frage zu stellen. Innerhalb der Europäischen Union sollten die Nationen erkennbar bleiben und Großbritannien weiterhin dazugehören.
„Wir sind kein islamisches Land“
„Die Sorge um Identitätsverlust und Überfremdung hat viele Bürger erfaßt“, schreiben die Autoren. Als Konsequenz fordern sie „weithin hörbares Signal dahingehend, daß auch die Kräfte Deutschlands bei der Aufnahme von Flüchtlingen begrenzt sind“. Schweden und andere Länder hätten dies bereits erklärt.
Deutschland müsse sich jetzt entscheiden, welche Flüchtlinge es einreisen lasse, und dafür sorgen, daß sich die Menschen im eigenen Land nicht fremd fühlten. Mit einer Feststellung des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) schloß die Erklärung der 16 CDU-Politiker: „Wir sind kein islamisches Land und werden auch keines werden.“ (mv)