„Lustig ist das Zigeunerleben“, heißt es in einem Volkslied aus dem 19. Jahrhundert. Doch vielen Bewohnern des Berliner Stadtteils Neukölln ist bei diesem Lied derzeit nicht zum Tanzen zumute. Immer öfter kocht die Wut über illegal eingewanderte Roma-Großfamilien hoch, die sich zumeist mit Bettelei und Diebstahl ihren Lebensunterhalt verdienen.
Doch damit nicht genug: Erschreckt sind Ordnungsämter und Polizei häufig über die hygienischen Gepflogenheiten der Clans. Erst vor wenigen Wochen entdeckten die Behörden eine Siedlung mit etwa 100 rumänischen Bewohnern. Ihr Anblick: bergeweise Mülltüten und Hausrat, kaputte Möbel, Küchenreste – dazwischen überall spielende Kinder. Die Situation sei „sehr schwierig“, denn „einige“ der Roma seien illegal hier, sagte der Migrationsbeauftragte Arnold Mengelkoch dem Boulevardblatt B.Z. Man wisse „nicht, von welchem Geld sie leben“.
Viele Roma arbeiten schwarz
Als Touristen dürfen sich diese Einwanderer eigentlich nur drei Monate in Deutschland aufhalten, da der erleichterte Zuzug für EU-Bürger erst 2014 in Kraft tritt. Doch „faktisch kontrolliert das niemand“, wie auch Neuköllns Bezirksstadtrat Falko Liecke offen eingesteht. Viele Roma arbeiten schwarz und wohnen ohne Mietvertrag.
Die Politik läßt sich indessen die Versuche zur Integration der Roma einiges kosten. Nachdem im April in Neukölln 540 schulpflichtige Kinder aus Südosteuropa gezählt wurden, von denen drei Viertel kein Deutsch sprechen, wurden im Bezirk bereits Dutzende neue Lehrer eingestellt, nur um die Zigeunerkinder zu unterrichten. Der Senat erwartet weitere Zuzüge. Wie viele Roma-Familien jedoch insgesamt in Berlin leben, darüber kann er keine Angaben machen. Denn erfaßt würden nicht Ethnien, sondern Staatsbürgerschaften, sagte der Senatsbeauftragte für Integration, Günter Piening.
Katastrophale Wohnverhältnisse in Neukölln
Neukölln, ein vermüllter Hinterhof in der Treptower Straße. Kein einziger Einheimischer scheint sich hier zwischen den spielenden Roma-Kindern aufzuhalten. Nicht weit entfernt davon sitzt in einem Imbiß Rüdiger A., der vom Verhalten vieler Neuköllner Roma-Einwanderer ein Lied singen kann. „Wer sich so benimmt wie die, braucht sich doch nicht zu wundern, wenn er diskriminiert wird“, findet er. Ohnehin könne er nicht verstehen, „daß Deutschland das einfach hinnimmt, daß die illegal hier sind“.
Rüdigers Nachbar Karsten B. widerspricht nicht und klagt besonders über Betteleien. Wenn das ein- oder zweimal passiere, vergesse man das ja gleich wieder, sagt Karsten. Doch wenn sich das über Ewigkeiten hinziehe, „dann kriegt man schon manchmal fast einen Wutanfall“, so B. gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Dies richte sich freilich nicht gegen die Kinder der Zugezogenen, stellt er klar. „Das sind arme Schweine, die Eltern sind schuld.“
Die in Neukölln ehrenamtlich Sonderunterricht erteilende Pädagogin Josephine Neumann berichtete ebenfalls unlängst von „wirklich schlimmen“ Wohnverhältnissen bei vielen Roma-Familien. Die Väter seien meist arbeitslos, die Mütter „völlig überfordert“ mit Erziehung und Haushalt, sagte Neumann dem Focus.
Verständigung mit Eltern und Kindern „kaum möglich“
Bezirkspolitiker und Sozialarbeiter berichten zudem, daß manche Roma-Kinder in die Fänge von Pädophilen geraten sind und so zu einem besseren Lebensstandard zu kommen versuchen. Roma-Jungen seien hier eine „besonders gefährdete Jungengruppe“, zitiert der Spiegel den Neuköllner Schulleiter Jens-Jürgen Saurin. Nach Angaben des Filmemachers Rosa von Praunheim, der einen Film über Stricherjungs in Berlin drehte, stammen 70 Prozent der männlichen Prostituierten in Berlin mittlerweile aus Osteuropa, unter ihnen viele Roma.
Auch das Neuköllner Gesundheitsamt sieht sich durch Roma-Kinder vor erhebliche Probleme gestellt. Von Januar 2010 bis Januar 2011 wurden 362 Kinder bei der Einschulungsuntersuchung des bezirklichen Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes untersucht. Wegen der fehlenden Deutschkenntnisse von Eltern und Kindern sei eine Verständigung jedoch „kaum möglich“, auch die Einbestellung zu Pflichtuntersuchungen gelinge „nur unzureichend“, teilte das Bezirksamt mit.
„Rückkehrhilfe“ von 250 Euro pro Erwachsenen
Zusätzlich aufgeheizt wird das Klima in Neukölln durch seltsames Gebaren der Politik, mit der diese der Problematik der als Touristen eingewanderten Roma Herr zu werden versucht. Bereits 2009 hatte die Berliner Senatsverwaltung für Integration und Soziales für eine Gruppe von 106 Roma eine „Rückkehrhilfe“ von 250 Euro pro Erwachsenen und 150 Euro pro Kind zugesagt.
Kleiner Haken: Man könne die Ausreise nicht überwachen, wie Finanzstadtrat Rainer-Maria Fritsch (Linkspartei) nach Informationen des Tagesspiegel erklärte. Die Familien müßten lediglich mit einem „Verwaltungsverfahren“ rechnen, wenn sie zwei Wochen nach Erhalt des warmen Geldregens noch in Berlin registriert würden. Einige Verse aus dem Volkslied über das Zigeunerleben erscheinen so in einem völlig neuen Lichte: „Lustig ist das Zigeuenerleben / faria, faria, ho / brauchen dem Kaiser kein Zins zu geben / faria, faria, ho.“
JF 25/11