Nach einer Unterbrechung von drei Jahren wegen der Corona-Pandemie konnte an diesem 15. August das Pardon der Notre-Dame de la Clarté wieder stattfinden. Es hat seinen Mittelpunkt in der Kirche des Stadtteils Clarté der Kommune von Perros-Guirec an der Nordküste der Bretagne und ist eines der bedeutendsten religiösen Feste dieser Art. Im Grunde handelt es sich um eine Wallfahrt, bei der Maria als Mutter Gottes um Vergebung – französisch „pardon“ – und um Klarheit – französisch „clarté“ – im körperlichen wie im geistigen Sinn gebeten wird.
In der Bretagne werden heute noch etwa 1.200 Pardons begangen. In der Regel handelt es sich um lokale Feiern, die an den Ortsheiligen gebunden sind. Die meisten finden zwischen Frühjahr und Herbst statt, das bedeutendste in Sainte-Anne-d‘ Auray, zu Ehren der Schutzpatronin der Bretagne, der Heiligen Anna. In Perros-Guirec hat das Pardon am 13. August begonnen und schließt zwei Tage später mit einer Messe und der Prozession. Auf Grund der Baufälligkeit des Kirchengebäudes mußte das Hochamt in diesem Fall unter freiem Himmel stattfinden. Danach zogen die Teilnehmer einen Abschnitt der Hauptstraße des Ortes entlang, um dann zur Kirche selbst zurückzukehren.
In der Vergangenheit nahmen an dem Pardon bis zu 5.000 Menschen jeden Alters teil, in diesem Jahr dürfte es sich um kaum ein Drittel dieser Zahl gehandelt haben. Auf Grund des besonderen Rangs, den das Pardon der Notre-Dame-de-la-Clarté einnimmt – es steht grundsätzlich unter Leitung eines Bischofs, in diesem Fall von Monsignore Denis Moutel, Bischof von Saint-Brieuc und Tréguier – kommen Vertreter der umliegenden Gemeinden samt ihren Bannern und Heiligenfiguren, manchmal auch Reliquienschreinen, die auf Tragegestellen mitgeführt werden.
Die Statue der gekrönten Notre-Dame de la Clarté und die Priester bilden mit dem Bischof im Regelfall das Ende der Prozession. Dieses Mal mußte man darauf verzichten, die Figur mitzuführen, da die Stadtverwaltung das Betreten des Kirchengebäudes verboten hatte.
Gottesmutter Maria sorgt für Kritik bei Protestanten
Während der Prozession werden geistliche Gesänge angestimmt und Rosenkränze gebetet, das „Ave Maria“ teilweise auf Bretonisch gesprochen. Auch das traditionelle „Kantig ar Bugel d’ar Werc’hez“ – „Lied des Kindes an die Jungfrau Maria“ singt man bretonisch, im Wechsel mit der französischen Hymne auf die Krönung Mariens. Dahinter steht eine Vorstellung, die eng verknüpft ist mit der, daß Maria nicht gestorben ist wie jeder Mensch sonst, sondern von der Trinität unmittelbar in den Himmel aufgenommen und zu dessen Königin erhoben wurde.
Für die christliche Frömmigkeit war dieser Gedanke seit der Spätantike von Bedeutung und gehört bis heute für die Orthodoxie wie die katholische Kirche zum Bestand ihrer Lehren. Allerdings hat erst Papst Pius XII. im Jahr 1950 den Glauben an die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel dogmatisch fixiert. Ein Vorgang, der in den evangelischen Kirchen auf erhebliche Kritik stieß, da sich für den Vorgang keinerlei biblisches Zeugnis finden läßt, weshalb man auch kein entsprechendes Fest in ihrem Jahreskreis findet.
Anders als in Frankreich, wo der 15. August auch in der säkularen Republik Assumptio Beatae Mariae Virginis staatlicher Feiertag geblieben ist. Bis Ende des 20. Jahrhunderts hieß das, daß aller öffentlicher Betrieb ruhte. Geschäfte und Büros waren geschlossen, kaum ein Mensch auf der Straße. Das hat sich deutlich geändert, vor allem in den touristischen Gebieten. Die meisten Franzosen genießen einen freien Tag im Sommer, ohne dessen religiöse Bedeutung zur Kenntnis zu nehmen. Das entspricht einer Generaltendenz der Gesellschaft.
Davon, daß Frankreich sich einmal rühmte, „die älteste Tochter der Kirche“ zu sein, ist sehr wenig geblieben. Von knapp 68 Millionen Franzosen geben nur noch 4,35 Prozent an, praktizierende Katholiken zu sein. Faktisch handelt es sich um eine religiöse Minderheit, auch verglichen mit den 5,8 Prozent der Staatsbürger, die die gläubigen Moslems stellen.