BERLIN. Mehrere konservative Abgeordnete im britischen Unterhaus haben den Rücktritt von Premierminister Boris Johnson (Konservative) gefordert. „Das ist wirklich unerträglich! Wir haben Leute schon für weit weniger zurücktreten sehen. Ich weiß nicht, wie der Premierminister das politisch überleben will, wenn er bewußt auf solche Partys gegangen ist“, empörte sich der Unterhaus-Abgeordnete Nigel Mills (Konservative) der BBC zufolge am Mittwoch.
Auch sein Parteikollege in der Parlamentskammer, Christian Wakeford, schloß sich der Kritik an. „Wie entschuldigt man das Unentschuldbare? Gar nicht. Das ist peinlich und, was noch schlimmer ist, es erschüttert das ohnehin schon geringe Vertrauen in die Politik noch weiter. Mehr als jemals zuvor brauchen wir Offenheit, Verläßlichkeit und Ehrlichkeit in der Politik und das fängt ganz oben an“, bekräftigte er.
How do you defend the indefensible?
You can’t!
It’s embarrassing and what’s worse is it further erodes trust in politics when it’s already low.
We need openness, trust and honesty in our politics now more than ever and that starts from the top!— Christian Wakeford MP (@Christian4BuryS) January 12, 2022
Johnson soll selbst an Corona-Partys teilgenommen haben
Anfang der Woche sind neue Details zu Partys im Wohnsitz des Premierministers während des Corona-Lockdowns bekannt geworden. So habe es dem Independent zufolge schon im Mai 2021 eine illegale Feier im Garten von Downing-Street 10 gegeben. Wie der Fernsehsender ITV berichtete, wurden im Vorfeld rund 100 Regierungsmitarbeiter per Mail zu „Drinks auf Abstand“ eingeladen. Neben Johnson und seiner Frau sollen noch mindestens 30 andere Personen auf der Party gewesen sein.
Laut BBC sagten mehrere nicht näher genannte Regierungsmitarbeiter, diese Feier hätte die Hemmschwelle für zukünftige Feiern gesenkt. Schon im Dezember geriet Johnson in die Kritik, nachdem Hinweise auf eine Weihnachtsfeier im Londoner Regierungssitz während des Lockdowns 2020 bekannt geworden waren. Zu den neuerlichen Anschuldigungen wollte sich Johnson unterdessen nicht äußern. Er verwies auf die laufenden Ermittlungen.
„Die Party ist vorbei, Boris!“
Neben konservativen Politikern reagierte auch die Opposition mit Rücktrittsforderungen auf die Neuigkeiten. Der Parteivorsitzende der Liberaldemokraten, Ed Davey, forderte am Mittwoch der BBC gegenüber: „Er hat ganz klar gelogen, er hat mit dem Ministerialkodex gebrochen, er hat gegen das Gesetz verstoßen und das Parlament in die Irre geführt – jeder andere Premierminister hätte in der Vergangenheit für ein einziges dieser Vergehen seinen Rücktritt erklärt. Wenn er auch nur ein Fünkchen Anstand hat, muß er noch heute seinen Posten räumen.“
Auch die Labor-Party verlangte, daß Johnson seinen Posten räumt. „Boris Johnson muß die Verantwortung für seine Taten übernehmen. Der Ministerialkodex ist eindeutig: Wenn er das Parlament getäuscht und dadurch die Verhaltensregeln für Premierminister verletzt hat, muß er gehen“, stellte die stellvertretende Parteivorsitzende Angela Rayner fest.
Fast alle britischen Tageszeitungen titelten am Mittwoch mit empörten Reaktionen auf die mutmaßlichen Regelverstöße des Staatschefs. So machte etwa der traditionell konservative Daily Mirror mit der Überschrift auf: „Die Party ist vorbei, Boris!“ Auch der ebenfalls eher konservative Daily Telegraph stellte dem Premier kein gutes Zeugnis aus. „Johnson verliert Unterstützung der Tories“, titelte die Zeitung. (fw)