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Asien: Kräftemessen im Südchinesischen Meer

Asien: Kräftemessen im Südchinesischen Meer

Asien: Kräftemessen im Südchinesischen Meer

Spratly-Inseln
Spratly-Inseln
Spratly-Insel im Südchinesischen Meer Foto: picture alliance / dpa
Asien
 

Kräftemessen im Südchinesischen Meer

Wachsende Spannungen im Südchinesischen Meer: Vietnam soll Raketenabschußrampen installiert haben. China reagiert gereizt und erinnert an den chinesisch-vietnamesischen Krieg von 1979. In der westpazifischen Region konkurrieren die Anrainerstaaten um Gebietsansprüche und Bodenschätze. Ein Zwischenfall könnte auch den NATO-Verteidigungsfall auslösen.
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Wachsende Spannungen rund ums Südchinesische Meer: Keine sechs Wochen nach dem Urteil des UN-Schiedsgerichts in Den Haag berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, Vietnam habe auf den Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer Raketenabschußrampen installiert. Noch bevor die Vietnamesen dementieren und die Meldung als „falsch“ zurückweisen konnten, hatte Peking reagiert – zudem in einer für asiatische Staaten scharfen Weise.

Ein Sprecher „erinnerte“ Hanoi an die 137.000 vietnamesischen Gefallenen im kurzen chinesisch-vietnamesischen Krieg 1979. Die angegebene Zahl entspricht zwar nicht der Geschichtsschreibung (es waren wesentlich weniger), zudem bezeichnen beide Seiten sich bis heute als Sieger in dem Konflikt, aber das gehört zu den Finessen asiatischer Politik.

Die Reuters-Meldung hat es in der Tat in sich. Wenn sie zutrifft, hat das vietnamesische Militär in den vergangenen Monaten Raketenabschußrampen auf insgesamt fünf der umstrittenen Spratly-Inseln versteckt. Die Raketen selbst sollen noch auf Schiffen oder auf dem Festland sein. Sie gehören zu dem hochmodernen israelischen System „Extra“ zur Bekämpfung von Schiffen und Landetruppen. Die über vier Meter langen Geschosse haben eine Reichweite von 150 Kilometern und transportieren 120 Kilogramm Sprenglast mit einer Treffgenauigkeit von zehn Metern. Auch die Philippinen sollen das israelische Waffensystem besitzen.

China plant „Große Sandmauer“

Hintergrund ist ein jahrzehntealter Streit zwischen den Anrainerstaaten Vietnam, Indonesien, Malaysia, Brunei, Philippinen und Taiwan auf der einen und der Volksrepublik China auf der anderen Seite. Schon in den 1930er Jahren, noch unter der bürgerlichen Regierung, hatte China seine Hoheitsansprüche im Südchinesischen Meer auf Basis der sogenannten 9-Punkte-Linie festgelegt. Die seitdem mehrfach leicht veränderte Linie umfasst die Inselgruppen Spratly und Paracel sowie einige kleinere Riffe, praktisch also das gesamte Seegebiet diesseits der Hoheitsgewässer aller übrigen Anrainer.

Zum größten Teil handelt es sich um unbewohnte, teils regelmäßig überspülte Felsen. Seit 2014 verfolgt Peking das ehrgeizige Projekt „Große Sandmauer“ in Anlehnung an den Namen der berühmten Chinesischen Mauer. Dabei werden einige der flachen Felsinseln mit ungeheuren Mengen Sand aufgespült; auf der Oberfläche entstehen dann Militärflughäfen und Armeeeinrichtungen.

Der Haager Schiedsspruch vom 12. Juli fiel zwar zugunsten der Kläger Philippinen und Vietnam aus, hat aber die chinesischen Aktivitäten bislang nicht geschmälert. In Peking hieß es offiziell, man erkenne weder die Zuständigkeit des Gerichts noch dessen Urteil an. Die Regierung wehrt sich gegen jede Einmischung von Nichtanrainern und insistiert, Dispute ausschließlich im bilateralen Dialog mit den betroffenen Staaten lösen zu wollen.

China legitimiert seine Ansprüche damit, daß die aufeinanderfolgenden Dynastien das Seegebiet über mindestens eineinhalb Jahrtausende, vom Anfang unserer Zeitrechnung bis zum Vordringen der Europäer, patrouilliert und kontrolliert hätten. Auch im 19. Jahrhundert forderte die kaiserliche Regierung die Achtung ihrer Hoheitsrechte ein, obschon von faktischer Kontrolle zu jener Zeit keine Rede sein konnte.

Gefahr für den Weltfrieden

Was wie ein Streit um des Kaisers Bart anmutet, birgt ein handfestes Risiko für den Weltfrieden. Dabei geht es weniger um die unter dem Meeresboden vermuteten 213 Milliarden Fass Öl oder die 900 Billionen Kubikmeter Erdgas, auch nicht um andere Bodenschätze oder um die Fischereirechte, die immer wieder zu Auseinandersetzungen der Anrainerstaaten führen. Ähnlich wie die Straße von Malakka genießt das Südchinesische Meer enorme geostrategische Bedeutung. Vier Fünftel der Öllieferungen nach Japan und China passieren das Seegebiet, desgleichen gut zwei Drittel der japanischen und chinesischen Exporte.

Starkes Wachstum kennzeichnet die südlichen Anrainerstaaten von Vietnam bis zu den Philippinen – nicht zuletzt in militärischer Hinsicht. Vietnam, seit der Sowjetzeit als Gegengewicht zu China von den Russen mit Waffen versorgt, ist trotz aller zahlenmäßigen Unterlegenheit ein auch für die Chinesen ernstzunehmender Gegner. Mit Indien, das sich mehr und mehr nach Osten öffnet, dringt ein weiterer, hochgerüsteter Rivale mit seinen Interessen in den pazifischen Raum.

Den USA, wo man die Vorgänge anders als in Europa sehr genau verfolgt, bereitet das chinesische Verhalten seit langem schon Sorgenfalten. In Washington wirft man Peking vor, das Südchinesische Meer in eine A2/AD-Zone (Anti-Access/Area Denial) umzuwandeln mit dem Ziel, Drittmächten mit Waffengewalt den Zugang verwehren zu können. Solange die Autorität der USA als weltweite Schutzmacht freier Schifffahrtsrouten respektiert wird, ist das wenig wahrscheinlich.

Andererseits gestatten die Dynamik der wirtschaftlichen und militärischen Entwicklung in der westpazifischen Region und die weltweite Renaissance des Nationalismus, auch in Asien, keine zuverlässige Prognose mehr. Als Auslöser des NATO-Verteidigungsfalls taugt ein chinesisch-amerikanischer Zwischenfall im Pazifik jedenfalls ebenso wie ein Angriff russischer Panzerarmeen über den Bug.

Spratly-Insel im Südchinesischen Meer Foto: picture alliance / dpa
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