Kaum wurde am 1. Mai die Dämmerung von der Nacht abgelöst, griffen in Berlin-Kreuzberg Krawalltouristen und Linksextremisten des sogenannten „schwarzen Blocks“ zu Steinen, Flaschen und Leuchtraketen. Doch ihre Munition war spärlich – genau wie ihre Anhängerschaft. Maximal 500 gewalttätige Demonstranten suchten das Kräftemessen mit den Staatsdienern. In den vergangenen Jahren waren es stets mehrere Tausende. 168 Randalierer konnten festgenommen werden. In den Wochen zuvor fand im linksextremistischen Spektrum eine fast spektakuläre „Mobilmachung“ statt. Die gewaltbereiten Linksradikalen wollten sich „ihren“ 1. Mai zurückholen, hieß es. In den zurückliegenden Jahren hatten zunehmend unpolitische Krawalltouristen, darunter viele ausländische Jugendliche, die Randale dominiert. Seit Ostern hatte die linke Szene immer wieder mit Hausbesetzungen und Brandstiftungen einen Vorgeschmack auf einen von Gewalt geprägten 1. Mai liefern wollen. Doch am 2. Mai stand fest: Der „schwarze Block“ ist ein Auslaufmodell. In die Jahre gekommen und ohne Nachwuchs ist er zusammengeschrumpft auf wenige hundert Gewalttäter. Schätzungsweise die Hälfte aller Randalierer am 1. Mai in Berlin waren keine Linksextremisten, sondern vorwiegend junge Türken und Araber, die meinten, hier ihre archaische Männlichkeit beweisen zu müssen. Zugriffe der Polizei erfolgten unverzüglich und gezielt Doch auch auf mehr gewaltbereite Vermummte wäre die Polizei vorbereitet gewesen. 8.000 Beamte befanden sich im professionellsten Einsatz, den die Stadt seit Ausbruch der Gewalt zum 1. Mai im Jahr 1987 erlebt hat. Die Polizeiführung hatte ihren einzelnen Einheiten maximale Entscheidungskompetenz zugebilligt. Wertvolle Zeit wurde eingespart. Die Zugriffe erfolgten unverzüglich und gezielt. Insgesamt wurden in der Walpurgisnacht des 30. April in Prenzlauer Berg 114, im Zuge der Gegendemonstration zum NPD-Aufzug am Nachmittag des 1. Mai in Berlin-Lichtenberg 48 und im Anschluß an die „Revolutionärer1. Mai“-Demonstration in Kreuzberg 348 Straftäter festgenommen. Mindestens 44 von ihnen wurden dem Haftrichter vorgeführt. 192 Beamte wurden verletzt. Im vergangenen Jahr konnten lediglich 196 Gewalttäter festgenommen werden, von denen 32 Haftbefehl erhielten. 2003 wurden jedoch „nur“ 175 Beamte verletzt. Dagegen sank die Zahl der verübten Sachbeschädigungen signifikant. 60 Sachbeschädigungen, 16 Brandstiftungen und ein angezündeter Pkw lautete die Schadensbilanz in diesem Jahr. 2003 zählte die Polizei noch 170 Sachschäden, 25 Brandstiftungen und 18 brennende Autos. Insbesondere die totale Verwüstung eines Autohauses 2003 war der Polizei in diesem Jahr eine Lehre. Gefährdete Objekte wurden zusätzlich geschützt. Sowohl zur Walpurgisnacht als auch zum 1. Mai hatte die Polizei die betreffenden Gebiete weiträumig abgesichert und gesperrt. Bereits Tage zuvor mußten die Anwohner ihre Autos woanders parken. Müllcontainer und andere mobile Gegenstände wurden fortgeschafft. Am Rande der Demonstrationszüge und Versammlungsorte wurden Kontrollpunkte eingerichtet, an denen den Demonstranten mitgebrachte Flaschen, Steine und anderes Gerät abgenommen wurde. Selbst kleinere Grüppchen gewaltbereiter Demonstranten wurden von etwa 20 Mann starken Polizeitrupps in „Manndeckung“ genommen. Die Polizei zeigte massive Präsenz, ohne sich jedoch provozieren zu lassen. Bereits in den Tagen vor dem 1. Mai wurde bekannten Gewalttätern ein „warnender Hausbesuch“ abgestattet. Die Gegendemonstration zum NPD-Aufzug wollten die Linken als Auftakt nutzen und den Aufmarsch verhindern. Doch jeder Versuch, der NPD-Demo, auf der nach Parteiangaben über 2.000 Teilnehmer „ausgesprochen diszipliniert“ unter dem Motto „Wir sind ein Volk“ marschierten, nahezukommen, scheiterte am hohen Polizeiaufgebot. Konsequent wurde jeder Versuch von Gewalt von der Polizei unterbunden. Diese Erfahrung mußten auch der PDS-Abgeordnete Freke Over und der stellvertretende PDS-Kreisvorsitzende aus Berlin-Lichtenberg, Michael Stadler, machen. Der ehemalige Hausbesetzer Over bezahlte mit einem eingerissenen Ohrläppchen, der Kommunalpolitiker Stadler mit einem Beinbruch. Dementsprechend resigniert zogen die Linken später nach Kreuzberg. Dort konnte die Demonstration nicht wie von den Veranstaltern gewünscht durch die Oranienstraße verlaufen. Die Polizei hatte dies untersagt, da die Initiatoren des „MyFest“ mit der Anmeldung schneller waren und hier ein Straßenfest veranstalten wollten. Dagegen hatten die Veranstalter der „Revolutionäre 1. Mai“-Demo erfolglos geklagt. Die vorgegebene Alternativstrecke empfanden sie als Provokation und Vorwand genug, der Polizei schon Tage zuvor mit Vergeltung zu drohen. Doch die Polizei hatte auch die Hauptdemonstration im Griff. Erst kurz vor 21 Uhr begannen mit Einbruch der Dunkelheit die Randale. Am Kreuzberger Heinrichplatz demolieren Autonome eine Bühne und feuern anschließend mit Flaschen, Steinen und Leuchtmunition auf die Polizei. Selbst in dieser Situation blieb die Beamten besonnen. Schlagstock, Wasserwerfer und Tränengas wurden gezielt gegen die Straftäter eingesetzt. Sogar die üblichen Schaulustigen, die in den Jahren zuvor immer wieder selbst Zielscheibe von Polizeiattacken wurden, blieben in diesem Jahr verschont. Fehlende Munition erzeugte Frust bei den Gewalttätern Den Randalierern mangelte es schnell an Munition und Hilfsmitteln. Ohne Autos und mit nur wenigen Müllcontainern lassen sich nun mal keine brennenden Barrikaden herrichten. Frust setzte ein. Als sich die Gewalttäter kurz vor 22 Uhr in die angrenzenden Straßen verlagern, fehlten ihnen auch dort geeignete Wurfgeschosse. Mit Videokameras filmte die Polizei die wenigen Steinewerfer. Noch in der Nacht erfolgt die Auswertung und Festnahme der dokumentierten Randalierer. Gegen ein Uhr morgens gaben die Linksextremisten und Krawalltouristen bereits auf. Bereits in derselben Nacht beklagen sich Linke in dem linksextremistischen Internetforum „Indymedia“ über die Quantität und Qualität der Ausschreitungen. Der Kampf um den Kampftag war verloren. Foto: Polizisten führen am 1. Mai in Berlin-Kreuzberg einen Randalierer ab: Der Nachwuchs ist mittlerweile in die Jahre gekommen