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TV-Kritik: Wehrdebatte: „Wer wäre bereit, für sein Land zu kämpfen?“

TV-Kritik: Wehrdebatte: „Wer wäre bereit, für sein Land zu kämpfen?“

TV-Kritik: Wehrdebatte: „Wer wäre bereit, für sein Land zu kämpfen?“

In den Talk-Formaten von ARD und ZDF macht sich ein Gefühl der Bedrohung breit: „Rußland bereitet sich auf einen großen Krieg vor.“ Foto: ZDF
In den Talk-Formaten von ARD und ZDF macht sich ein Gefühl der Bedrohung breit: „Rußland bereitet sich auf einen großen Krieg vor.“ Foto: ZDF
In den Talk-Formaten von ARD und ZDF macht sich ein Gefühl der Bedrohung breit: „Rußland bereitet sich auf einen großen Krieg vor.“ Foto: ZDF
TV-Kritik
 

Wehrdebatte: „Wer wäre bereit, für sein Land zu kämpfen?“

Bei Maybrit Illner rätselten Politiker und Experten darüber, was Trump und Putin mit der Ukraine vorhaben könnten. In einem Punkt waren sie sich schnell einig: Wenn der Krieg noch näherkommt, steht Deutschland mit leeren Händen da – wehrpolitisch und moralisch.
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„Jetzt kommt der Russe nur noch bis Zehlendorf“, wird dieser Tage an West-Berliner Stammtischen bitte gescherzt. Weil Putin im Berliner Villengürtel steckenbliebe, wegen des Rückstaus vom zerbröselnden Autobahndreieck am Funkturm. Jedenfalls wenn er von Westen käme. Und von Osten? „Da kommt er durch, da ist ja alles neu. Und die im Osten wollen es ja auch nicht anders“.

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Ja, es gibt ihn noch, den Berliner Frontstadthumor. Und über was hat der sprichwörtliche Berliner Sarkasmus der Stadt nicht schon alles hinweggeholfen. Auch diese Neuauflage einer Berlin-Blockade durch eine verwahrloste Verkehrspolitik wird man noch überstehen.

Der fatale Abschied von der Wehrpflicht

Resilienz nennt man das – und die ist heute nicht nur wegen der Verkehrspolitik gefragt. „Wer wäre denn bereit, für sein Land einzutreten und zu kämpfen?“, fragt Sigmar Gabriel bei Maybrit Illner. Eigentlich soll es um den russischen Angriffskrieg im Osten Europas gehen. „Putin spielt mit Trump – und wer rettet jetzt die Ukraine?“ lautet der Titel der Sendung.

Doch es dauert nicht lange, da geht es um das Eingemachte im eigenen Keller. Für das eigene Land kämpfen? „Bei den Finnen haben 74 Prozent gesagt: Na klar! Bei uns sind es um die 20 Prozent“, zitiert der ehemalige SPD-Vorsitzende und heutige Chef der Atlantikbrücke eine aktuelle Umfrage zur Wehrmoral der Deutschen. „Wir haben innerhalb von etwa einer Generation das Gefühl, daß es eine militärische Bedrohungslage geben könnte, de facto verloren. Also das ist sozusagen völlig weg“, versuchte Gabriel eine Erklärung. Er glaube, das habe viel mit dem Abschied von der Wehrpflicht zu tun, so der ehemalige Außenminister.

Fragen nach der Wehrhaftigkeit Europas kommen auf

„Da hat doch aber die Politik ganz viel falsch gemacht, weil sie dem deutschen Bürger das Gefühl gegeben hat, Putin sei unser Freund“, wirft Moderatorin Illner ein. „Ja, ein doppelter Fehler“, stimmt ihr die militärische Sicherheitsexpertin Claudia Major zu.  Das eine sei, Rußland nicht zu verstehen oder nicht verstehen zu wollen und der andere Fehler sei, zu wenig in die eigene Sicherheit zu investieren – militärisch und nicht militärisch. „Und wir haben beide gemacht“, so Major. Betretene Zustimmung in der Runde, zu der auch CDU-Verteidigungspolitiker Norbert Röttgen und die in der Ukraine viel herumgekommenen ZDF-Sonderkorrespondentin Katrin Eigendorf gehörten.

Die Bilanz der deutschen Bündnis- und Sicherheitspolitik fällt in den Fernsehdiskussionen dieser Tage beunruhigend aus, um das Wenigste zu sagen. Während von der Empörung über Friedrich Merz´ Schuldenwende kaum noch die Rede ist, rücken grundsätzliche Fragen der Bedrohung Europas in den Vordergrund.

Krieg als Kontinuum

Am Abend zuvor hatten in der ARD-Sendung „Maischberger“ der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, und der Militärexperte Carlo Masala das Szenario erläutert, das in den deutschen Führungsstäben derzeit als das wahrscheinlichste für das weitere Vorgehen Rußlands gilt. „Rußland bereitet sich auf einen großen Krieg vor“, sagte Masala, auch wenn es sich bislang auf „hybride Aktivitäten“ und „sehr begrenzte militärische Aktionen“ beschränke. Während der Westen in den drei Kategorien Frieden, Krise und Krieg denke, betrachte Putin „Krieg als Kontinuum“, so Masala. Drohnen über Bundeswehrstandorten und zahlreiche Sabotageangriffe gegen kritische Infrastruktur in Europa seien bereits an der Tagesordnung.

Ein „Test für die NATO“ sei in den nächsten Jahren absehbar, fügte Breuer hinzu. So könnte Putin nach dem Vorbild der Krim-Invasion auch in Estland seine „grünen Männchen“, also Streitkräfte ohne Hoheitsabzeichen zum „Schutz“ der russischen Minderheit einmarschieren lassen. Dann stehe man vor der Frage, ob man zum Schutz einer estnischen 50.000-Einwohner-Stadt, den NATO-Bündnisfall ausrufen würde, so Breuer.

Mit Trumps NATO-Treue sei im Konfliktfall nicht zu rechnen

Angesichts solcher Szenarien fiel die Einschätzung der Bündnisbereitschaft der USA unter Trump ebenso in der Runde bei Maybrit Illner ernüchternd aus. Auch von John Bolton, der als ehemaliger Sicherheitsberater Trumps der Diskussion zugeschaltet war. „Ich glaube nicht, daß Trump wirklich weiß, in welche Richtung er steuert. Er will einfach gute Beziehung zu seinem Freund Wladimir Putin haben, ebenso mit Xi Jinping in China“, beschrieb Bolton die Mentalität, mit der Trump nun in Sachen Ukraine agiert.

Trump habe ja schon in seiner ersten Amtszeit über den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-Un während gesagt, „daß sie ineinander verliebt waren“. Natürlich würden die anderen nicht so denken, aber Trump sehe die Welt „durch ein Prisma dessen, was eben Donald Trump zum Vorteil gereicht“. Mit Trumps NATO-Treue sei im Konfliktfall nicht zu rechnen.

Wehrpolitik in Zeiten des Generalverschiß

Und was ist mit der Hoffnung auf Fortschritte bei der Befriedung des Krieges in der Ukraine? Da malte ZDF-Korrespondentin Eigendorf in ganz schwarzen Farben. „Putin macht einfach das, was er möchte“, sagte sie. Es werde behauptet man sei gut Freund mit Trump und Selenskyj müsse hinnehmen, „daß währenddessen sein Land weiter in Schutt und Asche gebombt wird“. Und die Einsicht in die Bedrohungslage für Europa und Deutschland wachse hierzulande nur sehr langsam, fügte Gabriel hinzu.

Zumal Politiker in Deutschland viel Glaubwürdigkeit verloren hätten. „Die Politik ist doch im Generalverschiß, die haben doch ohnehin wenig Vertrauen zu uns“, berichtete Gabriel von seinen Erfahrungen bei öffentlichen Veranstaltungen mit Bürgern in der letzten Zeit. „Und jetzt kommt noch eine größere Dimension auf uns zu“, so Gabriel.

Vielleicht muß es so kommen, wie beim Verkehrschaos rund um die einsturzgefährdeten Brückenbauwerke am Berliner Autobahndreieck Funkturm und anderswo. Erst wenn sich die Katastrophe in die Wohnviertel ergießt, reift die Erkenntnis, daß hier etwas ganz grundsätzlich schiefgelaufen ist.

In den Talk-Formaten von ARD und ZDF macht sich ein Gefühl der Bedrohung breit: „Rußland bereitet sich auf einen großen Krieg vor.“ Foto: ZDF
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