Das Wochenende begann für Markus Söder närrisch. Zur größten fränkischen Faschingsveranstaltung in Veitshöchheim kam der bayerische Ministerpräsident auch in diesem Jahr wieder ohne Verkleidung. Allerdings nicht ohne auf der Fahrt dorthin noch eine Ergebenheitsadresse an seine neuen linken Freunde zum Besten zu geben. Ein Bild von sich mit schwarzer Fliege, auf der bunte Quadrate abgebildet waren, kommentierte Söder auf der Autofahrt nach Unterfranken mit den Worten: „Kleines Statement auch ohne Kostüm: Bayern ist bunt – Demokraten halten zusammen. Auch im Fasching.“
Kleines Statement auch ohne Kostüm: Bayern ist bunt – Demokraten halten zusammen. Auch im Fasching. Fahre gerade nach #Veitshöchheim. #Fif20 #fastnachtinfranken pic.twitter.com/CUxKCjrxJC
— Markus Söder (@Markus_Soeder) February 14, 2020
So richtig in Faschingslaune schien die selbsternannte Demokratenrunde am Sonntagabend bei Anne Will nicht. Im Gegenteil: Unter hysterischen Phrasendreschmaschinen wie Annalena Baerbock, Saskia Esken und dem unverwüstlichen FDP-Linken Gerhart Baum wirkte Söder fast schon staatsmännisch. Verglichen mit Insassen einer Irrenanstalt kommt eben selbst der gewöhnliche Dorftrottel wie Albert Einstein rüber.
Goebbels-Vergleich mit AfD
Die Moderatorin, gewohnt parteiisch, begann schon die Anmoderation im Geschlechterkampfmodus. Annegret Kramp-Karenbauer habe ihre Nachfolge regeln wollen, „aber selbst das hat man(n) nicht zugelassen“. Damit war der Ton für die Runde gesetzt.
Dabei ging es an diesem Abend nicht um die Bundespolitik, sondern um die Situation in Thüringen und die daran anschließende Frage: Was hält das Land noch zusammen? Müßte man die eine Stunde in einen einzigen Antwortsatz pressen, könnte dieser nur lauten: Natürlich die Demokraten von SPD, Grünen und Linkspartei. Und wenn CDU, CSU und FDP brav sind, endlich mit ihrer Gleichsetzung von SED-Erben und AfD aufhören und bitteschön jetzt aber pronto Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten wählen, dürfen sie vielleicht auch weiter Teil der demokratischen Abwehrfront gegen den Faschismus sein.
Oder wie es Ex-Innenminister Baum ausdrückt: Gegen den schlimmsten Rechtsextremismus, den er in seinen 87 Lebensjahren erlebt habe. Die Zeit des Nationalsozialismus ausgenommen, wie er auf Nachfrage Wills großmütig einräumt. Deswegen „muß dieser Ramelow gewählt werden, da gibt es gar keine andere Wahl“, fordert der linksliberale Altmeister. Auch der unvermeidliche NS-Vergleich darf da nicht fehlen. Er fühle sich durch die derzeitige Situation mit der AfD an einen Satz von Joseph Goebbels erinnert, der beim Einzug der NSDAP in den Reichstag 1928 gefordert habe, die Demokratie mit ihren eigenen Waffen zu bekämpfen. In ähnlichem Maße wolle die AfD „unsere Demokratie abschaffen“, glaubt er zu wissen.
Baerbock und Esken im Empörungsmodus
In der Bewertung der AfD waren sich in der Runde freilich erneut alle einig. „Die AfD muß man stellen, bekämpfen und sich nicht klammheimlich von ihr wählen lassen“, schreibt der neue Vorzeigedemokrat Söder seinen Thüringer Unionskollegen ins Stammbuch. Und wo Baum schon mit einem Nazi-Vergleich um die Ecke kommt, will sich natürlich auch der geläuterte ehemalige CSU-Hardliner aus Nürnberg-Schweinau keine Blöße geben: „Auschwitz ist unvergleichlich“, prasselte es mehr oder weniger zusammenhangslos aus ihm heraus.
Daß Baerbock und Esken trotz Söders Antifa-Tenor bei gefühlt jedem zweiten Satz des Mittelfranken Schnappatmung bekamen, läßt nur erahnen, in welch aufgewühltem Zustand die beiden das Studio verlassen hätten, wenn Anne Will den Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen ernstgenommen und einen Vertreter der größten Oppositionsfraktion im Bundestag eingeladen hätte. Daß Söder dann allen Ernstes mit dem Vorschlag aufwartete, es solle jemand anderes als Ramelow in Thüringen Ministerpräsident werden und er sich dann auch noch erdreistete die Linkspartei mit „Mauer und Stacheldraht“ in Verbindung zu bringen, war Wasser auf die Mühlen des von Baum vortrefflich sekundierten grün-roten Empörungstandems.
Wenig Redeanteile hatte da nachvollziehbarerweise der einzige Journalist in der Runde, Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. Von ihm wissen wir allerdings spätestens jetzt, daß er mit Moderatorin Anne Will per du ist und daß die beiden nicht in der Lage sind, ihre Konversationsebene von einer Unterhaltung beim Latte Macchiatto im Café Einstein einer Polittalkshow am Sonntagabend anzupassen.