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Geopolitische Rivalen: China: Neuer Feind aus alten Zeiten

Geopolitische Rivalen: China: Neuer Feind aus alten Zeiten

Geopolitische Rivalen: China: Neuer Feind aus alten Zeiten

Chinas Präsident Xi Jinping (Mitte) auf dem Volkskongress
Chinas Präsident Xi Jinping (Mitte) auf dem Volkskongress
Chinas Präsident Xi Jinping (Mitte) auf dem Volkskongress am 11. März 2022. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Sam McNeil
Geopolitische Rivalen
 

China: Neuer Feind aus alten Zeiten

Beruhte die ehemals kooperative China-Politik der USA und des Westens auf Illusionen? Ein amerikanisches Plädoyer für die Eindämmung Chinas. Doch die Möglichkeiten des Westens, Druck auf China auszuüben, sind geschrumpft.
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Cato, Palmer, Exklusiv

Aaron Friedberg lehrt Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen an der Princeton University. China und die amerikanische China-Politik sind seit Jahren sein Arbeitsgebiet. Gleich im Vorwort wirft er China Repression im Innern und Aggression nach außen vor und eine Handels- und Industriepolitik, die dem Westen schadet. Nach Friedberg kann sich der Westen nicht länger erlauben, den brutalen Charakter des Regimes zu übersehen. Mit der Einbindung Chinas in die vor 40 Jahren noch eindeutig vom Westen dominierte Weltwirtschaft hat der Westen das Wachstum eines immer gefährlicher werdenden Rivalen gefördert.

Die frühe China-Politik in den 1970er und 1980er Jahren war geopolitisch motiviert. Indem der Westen China stärkte, sollte die Sowjetunion geschwächt werden. Es gab eine stille Partnerschaft zwischen China und den USA bei der Eindämmung der Sowjetunion. Der kommunistische Charakter des Regimes galt als irrelevant. Mit dem Zugang zum chinesischen Markt verbanden sich im Westen große Hoffnungen: Liberalisierung der Märkte, Profite für westliche Unternehmen, mit zunehmendem Wohlstand des Landes auch eine Demokratisierung des Regimes.

Es galt die große Hoffnung: Im Interesse von wirtschaftlicher Effizienz und Wachstum würde das Regime seinen Bürgern mehr Freiheit geben müssen. Durch wirtschaftliche Zusammenarbeit würden die Chinesen westliche Gewohnheiten annehmen und verantwortungsvolle Partner des Westens werden. Was Friedberg nicht explizit schreibt, aber der sorgfältige Leser erkennen kann, ist, daß das westliche Angebot immer auf eine chinesische Juniorpartnerschaft und Akzeptanz der westlichen Spielregeln hinauslief. Friedberg fragt sich nicht, ob ein derartiges Angebot für ein Land von Chinas Größe und Geschichte attraktiv sein konnte.

Nationalismus ist Legitimationsbasis des Regimes

Nach Friedberg machte der leninistische Charakter des Regimes den im Westen erwarteten Liberalisierungs- und Demokratisierungsprozeß immer schon unwahrscheinlich. Das Hauptziel der kommunistischen Parteielite war immer die Erhaltung des Regimes, seiner Kontrolle über die eigene Bevölkerung und Machtentfaltung nach außen, zumal der Nationalismus neben dem wirtschaftlichen Erfolg die Legitimationsbasis des Regimes geworden ist. Der Zusammenbruch der Sowjetunion hat das Interesse an Kontrolle nur weiter verstärkt. Westliche Investitionen in China, Handel mit dem Westen, die Entsendung von Studenten in den Westen wurden als Risiken in Kauf genommen.

Wie große Risiken die Partei dabei eingegangen ist, wird bei dem Verweis auf einige Wirtschaftsdaten klar. Danach macht der nicht-staatliche Teil 60 Prozent von Chinas Volkswirtschaft aus, 70 Prozent der Innovationen, 80 Prozent der städtischen Beschäftigung und 90 Prozent der neuen Arbeitsplätze. Was im Westen erhoffte Veränderungen waren, waren für die herrschende Partei Gefahren, die es zu kontrollieren galt. Herrschaft des Rechts war nie akzeptabel, nur der Einsatz des Rechts als ein Mittel zur Kontrolle der Bevölkerung und der Wirtschaft. Die Machtbefugnisse der Parteispitze sollten nie durch das Recht begrenzt werden, aber die Entscheidungsfreiheit der Unternehmen und Marktteilnehmer durchaus. Bei Friedberg hat man den Eindruck, daß die unterschiedliche Vorstellung von der Rolle des Rechts in China und im Westen nur durch das leninistische Erbe in China bedingt sei, andere Autoren sehen das auch in der chinesischen Herrschaftstradition verwurzelt.

Ziel der globalen Technologieführerschaft

Die Parteielite hat Chinas Abhängigkeit von westlichen Investoren, Technologien und Märkten immer als Gefahr gesehen. Deshalb gab es immer schon ein großes Interesse daran, importierte Technologien auszuspionieren, zu meistern, weiterzuentwickeln. Neuerdings will man die Hochtechnologien der Zukunft sogar im eigenen Lande entwickeln, sogar die globale Technologieführerschaft erringen und globale Standards setzen. Die Abhängigkeit von westlichen Märkten soll reduziert werden. Noch nehmen die USA und Europa je 20 Prozent von Chinas Exporten auf – zusammen mit Japan, Südkorea und anderen westlich orientierten Volkswirtschaften mindestens die Hälfte.

Um die Abhängigkeit von westlichen Märkten zu verringern, müßte der heimische Konsum gestärkt werden, was der Bevölkerung und weniger dem Kontrollbedürfnis der Partei zugute käme. Die duale Zirkulation gibt das Ziel vor, die inländischen Wertschöpfungsketten möglichst lückenlos zu gestalten, aber dennoch wesentliche Teile globaler Wertschöpfungsketten in China zu halten und damit gleichzeitig globalen Einfluß auszuüben und äußeren Einflüssen gegenüber widerstandsfähig zu sein.

China umzingelt die reichen Länder der westlichen Welt

Seitdem der chinesische Zugang zum amerikanischen Markt nicht mehr jährlich – wie Anfang der 1990er Jahre noch – zur Debatte steht, erst recht seitdem China in die Welthandelsorganisation als gleichberechtigter Partner aufgenommen worden ist, sind die Möglichkeiten des Westens verringert, Druck auf China auszuüben. Seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 auf die USA hofft man in China darauf, daß die USA dadurch von China abgelenkt seien. Seit der Finanzkrise von 2008, der Eurokrise, dem Brexit, der Wahl Trumps und dem anfänglichen Versagen beim Umgang mit der Corona-Pandemie in westlichen Ländern bekommt China immer mehr Selbstvertrauen und Mut, erwartet den Niedergang des Westens, stellt das eigene Regime als vorbildlich hin. Menschenrechte gelten zunehmend als westliche Merkwürdigkeit. Xi knüpft an Maos Strategie aus der Zeit des Guerillakrieges an: die Städte durch Eroberung des Landes umzingeln, nur jetzt global gedacht, wo der Westen die Rolle der Städte und der arme Süden die Rolle des Umlandes einnimmt.

Im letzten Kapitel entwickelt Friedberg seine Vorschläge für eine klügere Politik. Ein neuer kalter Krieg läßt sich nicht vermeiden oder gar wegwünschen. In Anbetracht des leninistischen Charakters des Regimes ist der unvermeidbar. Es kann nur darum gehen, ihn zu gewinnen. Weil eher zu den USA als zu China neigende Volkswirtschaften China mehrfach überlegen sind, ist das auch machbar. Es ist eine Frage des politischen Willens. Der Westen muß sich abgewöhnen, bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit nur an absolute Gewinne zu denken, also große Vorteile für China hinzunehmen, wenn das Geschäft auch für die eigene Seite vorteilhaft ist. Der Westen muß auf relative Gewinne achten, auf Macht statt Profit.

Ohne es so zu nennen, empfiehlt Friedberg auch dem Westen eine duale Zirkulation anzustreben, bei der der Westen von chinesischen Zulieferungen unabhängig wird, aber China vom Westen abhängig bleibt. Vor allem darf der Westen China nicht am eigenen technologischen Fortschritt partizipieren lassen. Militärisch plädiert Friedberg für eine Aufrüstung der USA und des Westens gegen China, auch für die Verteidigung Taiwans gegen Übergriffe der Volksrepublik. Der Westen muß auch versuchen, Rußland aus dem Einvernehmen mit China zu lösen.

Das Buch ist gut lesbar. Der Standpunkt eindeutig und bedenkenswert. Man kann darüber streiten, ob die sich abzeichnende Rivalität zwischen Amerika und China aus dem leninistischen Charakter des Regimes resultiert, wie Friedberg meint, oder aus der bloßen Tatsache, daß China das Potential zur Weltmacht hat und die USA ihre dominierende Rolle nicht aufgeben wollen, wie aus den Lehren der realistischen Schule der Weltpolitik folgt. Weil Friedbergs Denken in den letzten Jahren immer repräsentativer für die herrschende Elite in Washington geworden ist, bedeutet das für die deutsche exportorientierte Industrie, daß wir uns nicht mehr lange aus der Rivalität der Weltmächte heraushalten können, daß wir bei und mit der voraussichtlichen Parteinahme für die USA mit zunehmenden Schwierigkeiten auf dem chinesischen Markt rechnen müssen. Unser Entscheidungsspielraum schrumpft. In einem asiatischen Sprichwort heißt es: Wo Elefanten kämpfen, da leidet das Gras.

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Prof. Dr. Erich Weede, Jahrgang 1942, ist Sozial- und Politikwissenschaftler und hat in Mannheim, Köln und Bonn sowie in den USA gelehrt.

Aaron Friedberg: Getting China Wrong. Medford, MA: Polity Press 2022, 242 Seiten, 29,95 US-Dollar

JF 45/22

Chinas Präsident Xi Jinping (Mitte) auf dem Volkskongress am 11. März 2022. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Sam McNeil
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