Zwei Jahre Abschiebung in eine Sackgasse auf der Frankfurter Buchmesse waren zwei Jahre zuviel. Im Vorfeld der Kulturgroßveranstaltung hatte die JUNGE FREIHEIT signalisiert, daß sie nur dann zum Verlagstreffen am Main kommen werde, wenn sie nicht erneut in eine Sonderzone verbannt werde. In diesem Jahr durfte sich die JF daraufhin unweit der Verlage Random House und Kosmos Herbig Langen Müller präsentieren – dennoch war sie von einem Cordon sanitaire unpolitischer Aussteller aus dem Bereich Jugendbuch und Kunsthandwerk eingerahmt.
Die eigentlich passende Platzierung wäre ein Stockwerk höher gewesen, wo auch Zeit, FAZ, taz, NZZ und andere Zeitschriften und Verlage politischer Sachbücher Hof hielten. Dennoch ein kleiner Etappensieg zur Normalisierung – der aber nicht über unfreundliche Begleitmusik der Veranstaltung hinwegtäuschen konnte.
Erneut stand nämlich monatelang zur Debatte, ob rechte Verlage überhaupt eingeladen werden sollten. Seit Jahren fordern linke Branchenvertreter und Organisationen ultimativ deren Ausschluß. Ein Ansatz, den die Messeleitung bisher stets formal ablehnte. „Wer den Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Volksverhetzung nicht kennt, hat nichts in so einer Position verloren“, beklagte sich deshalb die grüne Referentin für Diversität der Stadt Frankfurt am Main, Mirrianne Mahn, und forderte den Rücktritt von Messechef Juergen Boos.
Dieser hatte zuvor über seine Pressesprecherin klargestellt: „Alle Aussteller, gegen die strafrechtlich nichts vorliegt, haben auch die Möglichkeit, auf der Frankfurter Buchmesse auszustellen. Nicht alles, was als illegitim empfunden wird, ist auch illegal.“ Dabei findet sich die Veranstaltung selbst in einer schwierigen Lage wieder. Das Großereignis hat sich nach wie vor nicht von dem Einbruch während der Corona-Jahre erholt. Über 4.000 Aussteller und 180.000 Besucher kamen 2022 zum Branchentreff. 2019 waren es mit 300.000 Gästen und 7.500 Verlagen noch fast doppelt so viele.
„Awareness“-Team soll über „Mikroaggressionen“ aufklären
Um die Kritiker zu beruhigen, organisierte der Veranstalter dieses Jahr ein sogenanntes „Awareness“-Team (zu deutsch „Achtsamkeits-Team“), das vermeintlich fremdenfeindliche Übergriffe dokumentieren und verbale „Mikroaggressionen“ an Ort und Stelle aufarbeiten sollte. Von diesen Maßnahmen ließen sich viele Dauerkritiker nicht beruhigen. Die linksradikale Autorin Jasmina Kuhnke blieb der Veranstaltung zum zweiten Mal fern und twitterte: „Liebe Buchmesse, solange Nazis mit euch, bei euch, für euch ausstellen dürfen – solange werde ich euch boykottieren!“
Die „Klima-Aktivistin“ Luisa Neubauer schlug in eine ähnliche Kerbe: „Ich bin auf dieser Buchmesse auch nicht sicher. Das ist dramatisch und das sollte so nicht sein.“ Neubauer halte es für ein „komplettes Fehlverhalten“, „nicht dafür zu sorgen, daß sich alle Autoren sicher fühlen können“. Es sei eine „Schande“, daß sich Menschen nun nicht auf die Messe trauen könnten. „Ich bin hier auch nicht sicher.“
Luisa Neubauer erklärte im HR, sie fühle sich wegen der Anwesenheit rechter Verlage unsicher auf der Frankfurter #Buchmesse. Bei ihrem Auftritt auf der ARD Bühne argumentierte sie in Hochform. #ReformOerr #OERRBlog pic.twitter.com/No5oHjIemP
— ÖRR Blog. (@OERRBlog) October 22, 2022
Eine Aussage, die JF-Chefredakteur Dieter Stein postwendend mit einer Einladung auf den Stand der JUNGEN FREIHEIT erwiderte. Neubauer sei herzlich dazu eingeladen, selbst einen Artikel für die Wochenzeitung zu schreiben. Bis Redaktionsschluß blieb diese Einladung unbeantwortet.
Liebe @Luisamneubauer ich lade Sie herzlich an den Stand der Jungen Freiheit, dem safe space für Meinungsfreiheit, ein. Bei uns ist jede – gerne auch kontroverse – Diskussion willkommen! https://t.co/dExyzMoZwE pic.twitter.com/P1972vV0Yq
— Dieter Stein (@Dieter_Stein) October 23, 2022
Dieter Stein: „Wir müssen auf die Messe“
Dabei war die Zahl der sich selbst als „konservativ“ bezeichnenden Verlage in Frankfurt denkbar gering: der baden-württembergische Gerhard Hess Verlag, die Berliner JF und der Wiener Karolinger Verlag, der soeben sein 40jähriges Jubiläum feiern konnte. Somit ordnete sich nicht einmal ein Promille der Aussteller als konservativ ein. „Wir haben überlegt, ob wir überhaupt noch zur Buchmesse fahren sollen. Die Kosten sind enorm. Wirtschaftlich ist der Aufwand angesichts des Einbruchs der Besucher- und Ausstellerzahlen eigentlich nicht mehr zu rechtfertigen“, erläuterte JF-Chefredakteur Stein die Lage.
„Andererseits sagten wir uns: Wenn wir jetzt nicht zur Messe fahren, dann hätten das die Gegner der JF und die Verantwortlichen für die bisherige Ausgrenzungspolitik in der Veranstalter als Erfolg verbucht. Es wäre als Kapitulation unsererseits vor diesem Druck gedeutet worden. Also haben wir uns gesagt: Wir müssen hin.“
ARD und ZDF leisten sich fußballfeldgroße Stände
Am opulentesten fielen auf der Messe die Aufbauten der Öffentlich-Rechtlichen aus. Riesige Flächen belegten ARD, ZDF & Co., als ob es kein Morgen gäbe. Das blaue Sofa vom ZDF stand allein auf weiter Flur und das Programm am fußballfeldgroßen Stand der Bundesregierung beschränkte sich die meiste Zeit auf eine Quizshow für Jugendliche und ein laut klapperndes Glücksrad.
Die JF verteilte fast zweitausend Probeexemplare der Zeitung an interessierte Besucher und präsentierte gutbesuchte Standgespräche. Es debattierten unter anderen der Finanzexperte Markus Krall, die Chefredakteurin der Jüdischen Rundschau, Laila Mirzo, der Ökonom Fritz Söllner und der Publizist Thomas Fasbender über den politischen Islam, die Gaskrise, Inflation und Wirtschaftskrise sowie den Krieg in der Ukraine.
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Die Bibliothek des Konservatismus stellte sich am JF-Stand genauso vor wie das Magazin Catokennenzulernen war. Besondere Nachfrage genoß das kurz vor der Messe erschienene „Lexikon politischer Symbole“, dessen Autor, Karlheinz Weißmann, ebenfalls mit einem Standgespräch präsent war.
FAZ: „Man muß andere Sichtweisen aushalten“
Neben wenigen Protesten fiel die Reaktion der Messegäste auf das JF-Standprogramm positiv aus. „Weiter so!“ meinten viele Besucher. „Gut, daß ihr da seid!“ Ein FAZ-Reporter billigte in einem Bericht sogar konziliant zu, die JUNGE FREIHEIT schreibe zwar „wütend“ und vertrete „überzogene“ Ansichten. Ein Fall für Gerichte oder gar den Verfassungsschutz sei die Zeitung aber nicht. Man müsse nicht immer einer Meinung sein, aushalten müsse man die Vielfalt der Sichtweisen in der deutschen Presselandschaft aber schon. Ob diese Mahnung Gehör findet, war im Gewirr der Stimmen auf den Fluren der Messe nicht auszumachen.
Das Awareness-Team der Buchmesse wurde dann doch noch aktiv: Ein JF-Redakteur suchte dort Hilfe, weil er vom ZDF einer Presse-Lounge verwiesen wurde. Die Awareness-Mitarbeiter protokollierten den Fall, lehnten eine „Mediation“ jedoch ab. Bis Redaktionsschluß sollen die Mikrotraumen unseres Kollegen daraufhin noch angehalten haben …