Wer demnächst eine Fußballübertragung schaut, könnte sich in Zukunft darauf einstellen, mehr Stadionatmosphäre zu bekommen, als er bislang gewohnt war. Statt Erläuterungen über die Aufstellung und Taktik der Mannschaften wird womöglich nur die Geräuschkulisse von den Rängen ins heimische Wohnzimmer klingen.
Denn Sportreporter dürften nach der jüngsten Empörung in den sozialen Medien über einen flapsigen Spruch bald aus Angst um ihren Arbeitsplatz lieber den Mund halten. Am Montag abend hatte es Steffen Freund als Co-Kommentator geschafft, den Zorn der Netzgemeinde auf sich zu ziehen. Als beim WM-Qualifikationsspiel Deutschland gegen Nordmazedonien die Wiederholung von der Verletzung eines Spielers zu sehen war, sagte der ehemalige Fußballprofi: „Die Frauen bitte wegschauen bei dieser Zeitlupe.“
Spiegel Online schlagzeilte dazu „RTL-Experte sorgt mit sexistischem Spruch für Shitstorm“ und auch die Bild-Zeitung befand „Diesen Spruch hätte er sich sparen können“. Nutzer auf Twitter unterstellten Freund daraufhin Sexismus, da er die Ansicht vertrete, Frauen seien so zartbesaitet, daß sie die Szene mit der Verletzung des nordmazedonischen Spielers Arijan Ademi nicht ertragen könnten. „Müssen solche Machosprüche immer sein?“, fragte eine Zuschauerin verärgert.
„Die Frauen bitte wegschauen bei dieser Zeitlupe, das tut schon echt weh!“
Hat er grad nicht wirklich gesagt, oder???#mkdger #SteffenFreund— Claudi 🏳️🌈 (@Frau_Vogelhund) October 11, 2021
Freund erklärt sich
Andere unterstellten Freund, gesellschaftliche Entwicklungen verpaßt zu haben. „Lieber Steffen Freund, wo genau bist du falsch abgebogen und hast dich aus der aktuellen und notwendig relevanten gesellschaftlichen Entwicklung verabschiedet?“
Lieber @SteffenFreund . Wo genau bist Du falsch abgebogen und hast Dich aus der aktuellen und notwendig relevanten gesellschaftlichen Entwicklung verabschiedet ? #MKDGER https://t.co/beXDm2VNFq
— UlGa (@gastuli) October 11, 2021
Jedoch gab es auch zahlreiche Stimmen, die die Sexismus-Vorwürfe an Freund für überzogen hielten und sich mehr Gelassenheit wünschten.
Freund selbst fühlte sich am Dienstag morgen bemüßigt, seine Aussage zu erläutern. „Bei der Verletzung von Ademi hab ich übrigens ganz einfach an meine Frau denken müssen, die solche Zeitlupen, wie ich auch, nur sehr schlecht ertragen kann.“ Diese Einordnung verband der Europameister von 1996 mit Genesungswünschen an die Adresse des Spielers.
Kommentatoren verlieren Jobs wegen flapsiger Formulierungen
Damit will Freund offenbar die Wogen glätten, bevor sie zur Welle werden. Immerhin ist er hinsichtlich unbedachter Aussagen ein gebranntes Kind. Im November vergangenen Jahres hatte er sich Rassismus-Vorwürfe eingehandelt. Damals führte er in der Sport1-Sendung „Doppelpaß“ das disziplinlose Verhalten der Schalke-Spieler Amine Harti und Nahil Bentaleb unter anderem auf deren Herkunft zurück.
Bedenkt man, daß Fußballkommentatoren schon wegen harmloserer Sprüche ihre Jobs verloren, kann Freund nur hoffen, daß ihm seine Sorge um besonderes empfindsame Frauen nicht das Genick bricht. Zur Erinnerung: Der Bezahlsender Sky setzte Moderator Jörg Dahlmann den Stuhl vor die Tür, da er Japan als „Land der Sushis“ bezeichnet hatte. Und der TV-Experte Dennis Aogo lies seine Tätigkeit für den Sender lieber ruhen, nachdem er Kritik geerntet hatte, weil er im Zusammenhang mit dem Trainingsbetrieb von Manchester City den Begriff „Vergasen“ verwendet hatte.
Da scheint es nur verständlich, wenn sich der ein oder andere Kommentator aus Angst vor dem drohenden Job-Verlust in Zukunft lieber denkt: Schweigen ist Gold.