Der Deutsche Bühnenverein ist besorgt. Der Aufstieg der AfD treibt den Interessen- und Arbeitgeberverband von 470 Theatern, Opernhäusern und Orchestern in Deutschland um. Seit die Partei in sämtliche Parlamente eingezogen ist, versuche sie, über die Kürzung der Budgets Einfluß auf die Arbeit der Bühnen zu nehmen, beklagte Bühnenvereinspräsident Ulrich Khuon am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.
Auch werfe die AfD dem Kunstbetrieb vor, politische Positionen der aktuellen Regierung zu vertreten. Ein Vorwurf, der in Zeiten, in denen Theater, Regisseure, Schauspieler und Intendanten Land auf Land ab die Flüchtlingspolitik der Regierung Merkel verbittert verteidigen und sich gegen jeden positionieren, der es wagt, diese zu kritisieren, sicher nicht aus der Luft gegriffen ist.
„Linksversiffter Kunstkadaver“
Bühnenvereinspräsident Khuon sieht das erwartungsgemäß anders. Es sei doch gerade die „Neue Rechte“, „der ein unkritisches Gesinnungstheater, ein völkisches, nationalistisches Theater als Ideal“ vorschwebe, verriet er dpa. Und um seine Behauptung zu untermauern, führte er auch gleich noch ein Zitat von AfD-Chef Jörg Meuthen an. Dieser, wußte Khuon zu berichten, habe schon einmal von einem „linksversifften Kunstkadaver“ gesprochen und damit eine Formulierung benutzt, die nicht weit entfernt vom Propagandabegriff der „entarteten Kunst“ der Nationalsozialisten sei.
Unter der Überschrift „Deutscher Bühnenverein sorgt sich wegen rechter Einflußnahmen“ verschickte dpa im Anschluß die Geschichte an ihre Kunden, samt dem vermeintlichen Meuthen-Zitat vom „linksversifften Kunstkadaver“. Nur hatte der AfD-Chef diese Formulierung nie gebraucht. Doch da dpa sich nicht die Mühe gemacht hatte, das Zitat zu überprüfen, wurde Meuthen auf zahlreichen Zeitungsseiten mit eben diesen Worten wiedergegeben.
Ein Pressseprecher der AfD machte daraufhin sowohl die Nachrichtenagentur als auch den Deutschen Bühnenverein darauf aufmerksam, daß es sich bei dem Zitat um eine Erfindung handelte. Nach einer kurzen Internetrecherche gestand der Bühnenverein, daß sich Verbandspräsident Khuon offenbar geirrt habe und versprach, das gegenüber dpa richtig zu stellen.
Als wäre nichts gewesen
Auch die Nachrichtenagentur bemerkte ihren Fehler und versicherte, eine neue Fassung samt Korrekturhinweis an ihre Abonnenten zu schicken. Was sie auch tat. In dieser hieß es dann aber lediglich: „(Berichtigung: Satz gestrichen) Deutscher Bühnenverein sorgt sich wegen rechter Einflußnahmen“.
Daß es sich bei dem gestrichenen Satz um ein erfundenes Zitat handelte, das der Chef des Deutschen Bühnenvereins Meuthen in den Mund gelegt und diesen damit in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt hatte, verriet dpa seinen Kunden nicht. Dies wiederum übernahmen dann ebenso kommentarlos die geänderte Version, in der das böse Wort vom „linksversifften Kunstkadaver“ plötzlich verschwunden war.
Die zahlreichen Leser der verschiedenen Lokal- und Regionalzeitungen sowie Nachrichtenportale – von der Badischen Zeitung, über die Neuesten Nürnberger Nachrichten und der Schweriner Volkszeitung bis zu Focus Online, die den Artikel zuvor in seiner ursprünglichen Version samt erfundenem Nazi-Zitat das AfD-Chefs gelesen hatten, erfuhren dies allerdings nicht mehr.