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Tréguier: Bretonische Skizzen II – Ernest Renan

Tréguier: Bretonische Skizzen II – Ernest Renan

Tréguier: Bretonische Skizzen II – Ernest Renan

Denkmal Renans in Tréguier
Denkmal Renans in Tréguier
Denkmal Renans und Blick auf die Stadt Tréguier Foto: Karlheinz Weißmann / Wikimedia/Moreau.henri /cc / JF-Montage
Tréguier
 

Bretonische Skizzen II – Ernest Renan

Tréguier ist etwas wie eine bretonische Bilderbuchstadt. Ihr größter Sohn ist Ernest Renan, ein großer Bewunderer der deutschen Kultur. Mit großem Schmerz sah der Schriftsteller den Zusammenbruch des Vaterlandes und fragte nach dessen Gründen. Für die nationale Formschwäche machte er vor allem die Ausrottung des Adels während der Französischen Revolution verantwortlich.Von Karlheinz Weißmann.
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Tréguier ist etwas wie eine bretonische Bilderbuchstadt. Für mich die schönste neben Quimper, geprägt vom Mittelalter: Steinhäuser aus Granit, Fachwerkbauten, enge Gassen und Kirchen als Zeugnis bretonischer Frömmigkeit. Ernest Renan (1823-1892), der berühmteste Sohn der Stadt, ist in dieser Atmosphäre groß geworden, er sprach davon, daß ganz Tréguier wie „ein großes Kloster“ gewirkt habe. Sein Geburtshaus steht noch in der Mitte der Stadt, in einiger Entfernung das Denkmal, das seine Mitbürger ihm zu Ehren errichtet haben.

Renan hatte nach eigenem Bekenntnis eine arme doch glückliche Kindheit. Früh wurde er zum Priester bestimmt und bezog die kirchliche Schule, zeichnete sich durch seine Geistesgaben aus und lebte doch ganz selbstverständlich in den naiven Glaubensvorstellungen der Landschaft um Tréguier, die man „minihiy“ nannte. Aus seinen Jugenderinnerungen erfährt man etwa, mit welcher Inbrunst der kleine Ernest und seine Kameraden überzeugt waren, daß zu Ostern die Glocken der Kathedrale des Heiligen Tugdual nach Rom flögen.

Die Kathedrale des Heiligen Tugdual Foto: Karlheinz Weißmann

Der Glaube ist Renan zerbrochen. Während seines Studiums in Paris kam er mit den Ergebnissen der in Deutschland entwickelten historisch-kritischen Methode der Bibelexegese in Berührung, zweifelte immer stärker am Offenbarungscharakter der Heiligen Schrift und dann auch an den dogmatischen Lehraussagen der katholischen Kirche. Aber damit nicht genug. Er verließ das Seminar und veröffentlichte später das Buch „La vie de Jésus“ – „Das Leben Jesu“ (1863), in dem der Stifter des Christentums rein menschlich geschildert und rein historisch gedeutet wurde, nicht ohne Respekt, aber doch mit einer deutlich erkennbaren Reserve.

Ein Bewunderer deutscher Kultur

An die Stelle des christlichen Glaubens trat für Renan der an die Wissenschaft, den Fortschritt und die Gleichheit. Er war das, was man im 19. Jahrhundert einen liberalen „Doktrinär“ nannte. Allerdings kamen ihm schneller als den meisten Zweifel an der Wirklichkeitstauglichkeit seiner neuen Überzeugung. Der chaotische Verlauf der Revolution von 1848, die drohende Machtübernahme der Radikalen einerseits, die Bereitwilligkeit des Bürgertums, sich einem „starken Mann“ – Napoleon III. – zu unterwerfen, andererseits, führten zu wachsender Skepsis gegenüber den Ideen der Zeit.

Eine Revision vollzog Renan allerdings erst nach der Niederlage Frankreichs im Krieg gegen Preußen und dessen Verbündete 1871. Er, der mit solcher Leidenschaft die deutsche Kultur bewunderte – man sprach abschätzig von „Renanismus“ –, sah mit großem Schmerz den Zusammenbruch des Vaterlandes und fragte nach dessen Gründen.

Unmittelbar nach Kriegsende veröffentlichte Renan das Buch „La réforme intellectuelle et morale de la France“ – „Die geistige und moralische Reform Frankreichs“, das in der Öffentlichkeit eine ungeheure Wirkung auslöste. Denn Renan behauptete, daß die tieferen Ursachen für die militärische Katastrophe in der Französischen Revolution zu suchen seien. Nicht das Versagen einzelner Offiziere, Verräterei oder Zufall – die beliebtesten Erklärungen –, sondern eine langfristige, kontinuierliche Abwärtsentwicklung seit 1789 habe letztlich den Untergang bewirkt.

 Rassenkampf Französische Revolution

Die Führungsschicht der neuen, der Dritten Republik, reagierte darauf mit Empörung, wenngleich man in der Sache wenig vorzubringen hatte. Das betraf etwa die Feststellung Renans, daß es Frankreich seit dem Ende des Ancien Régime nicht mehr gelungen war, eine stabile Regierungsform aufzubauen, daß es mit kriegerischen Unternehmungen regelmäßig scheiterte und sich ganz offenbar außerstande sah, eine brauchbare Elite hervorzubringen.

Geburtshaus Renans Foto: Karlheinz Weißmann

Das hatte nach Renan damit zu tun, daß die Französische Revolution weniger ein Klassen- als vielmehr ein Rassenkampf gewesen war. Eine Vorstellung, die er nicht als erster vertrat. Eine ganze Reihe französischer Historiker war überzeugt, daß sich mit dem Sturm auf die Bastille die Nachfahren der keltischen (gallischen) Ureinwohner des Landes gegen die Nachfahren der germanischen (fränkischen) Eroberer erhoben hatten.

Nur wertete man diesen Vorgang gewöhnlich positiv, während Renan die Vertreibung oder Ausrottung des Adels für eine nationale Formschwäche verantwortlich machte, die auch die Niederlage von 1871 zur Folge hatte. Als jemand, der auf seine bretonische und mithin keltische Herkunft stolz war, betonte er doch die chaotischen Neigungen der „keltischen Seele“, die ohne das germanische Element nie zu einer echten Ordnung finden könne.

Von Charles de Gaulle heißt es, daß er als Präsident stets ein Exemplar der „Réforme“ auf dem Nachttisch liegen hatte.

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Teil eins der Bretonischen Skizzen lesen Sie hier.

Denkmal Renans und Blick auf die Stadt Tréguier Foto: Karlheinz Weißmann / Wikimedia/Moreau.henri /cc / JF-Montage
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