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Buchbesprechung: Alles Nazis außer Muddi

Buchbesprechung: Alles Nazis außer Muddi

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Volker Weiß
Volker Weiß
Historiker Volker Weiß: Der Spezialist für Entlarvungsliteratur hat wieder zugeschlagen Foto: picture alliance / Christian Charisius / dpa
Buchbesprechung
 

Alles Nazis außer Muddi

„Die autoritäre Revolte“ ist ein gefeiertes Werk, das sich mit der „Neuen Rechten“ beschäftigt. Tatsächlich handelt es sich nur um die übliche Entlarvungsliteratur. Weder politischer Islam noch Masseneinwanderung, noch Erosion der inneren Sicherheit, noch Kollaps der EU sind ernsthafte Gefahren, denn gefährlich ist nur die „Neue Rechte“. <>Eine Buchbesprechung von Karlheinz Weißmann.<>
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Am Ende hat es also nicht geklappt. Mit dem diesjährigen Preis der Leipziger Buchmesse im Segment Sachliteratur und Essayistik. Die Gründe sind unbekannt. Vielleicht sollte dieses Mal eine Frau in jeder Sparte obsiegen, vielleicht gibt es qualitative Ansprüche, vielleicht hatten die Juroren zum Schluß Angst vor der eigenen antifaschistischen Courage.

Die Rede ist von dem Buch „Die autoritäre Revolte“, Verfasser: Volker Weiß. Ein landauf, landab gefeiertes Werk, das sich, wie der Untertitel belehrt, mit der „Neuen Rechten“ beschäftigt und mit dem „Untergang des Abendlandes“, genauer mit dem von der Neuen Rechten zu Propagandazwecken ausgemalten „Untergang des Abendlandes“. Was an Inhalt folgt, ist allerdings kaum anders als die übliche Entlarvungsliteratur.

Gefährlich ist einzig und allein die „Neue Rechte“

Deshalb steht a priori fest: 1. Die „Neue Rechte“ ist irgendwie alles zwischen CSU und NSU; 2. die „Neue Rechte“ gibt es nicht; 3. gab es nie, da die „Neue Rechte“ die „Alte Rechte“ ist; 4. das heißt: alles Nazis; 5. deshalb lohnt sich eine Auseinandersetzung mit ihren Inhalten nicht; 6. weder politischer Islam noch Masseneinwanderung, noch Erosion der inneren Sicherheit, noch Kollaps der Europäischen Union sind ernsthafte Gefahren; 7. denn gefährlich ist nur die „Neue Rechte“, weil sie auf Dummenfang gehen kann bei den Dummen, die abgehängt und von „diffusen Ängsten“ geplagt JUNGE FREIHEIT und Sezession lesen, bei Pegida mitlaufen und AfD wählen.

Angereichert wird das bei Weiß immerhin mit der interessanten Behauptung, daß man die Karriere der AfD letztlich auf die finsteren Machenschaften eines Armin Mohler während der Adenauerzeit zurückführen könne, dem im Alleingang etwas gelungen sei, was sonst noch nie jemandem gelungen ist: die Erfindung einer politischen Bewegung mittels Geistesgeschichte und Dissertation und deren erfolgreiche Materialisierung Jahrzehnte später.

Schulterschluß des Mainstreams mit dem Antifa-Mief

Also bleibt die Frage: Warum ein Wort über dieses Buch verlieren? Antwort: Weil es so aufschlußreich für den Stand der politischen Entwicklung ist. Es erinnert nicht zufällig an jene hilflosen Versuche der späten sechziger Jahre, den Linksruck aufzuhalten.

Da gab es auch den ganz großen Schulterschluß, von gemäßigten Sozialdemokraten bis weit nach rechts, behördlich subventionierte Maßnahmen zur Aufklärung, den notorischen Verdacht, daß die Kritiker des Bestehenden miserable Charaktere, Agenten oder Perverse sein müßten, oder alles zusammen, Zitatsammlungen und mehr oder weniger minutiöse Untersuchungen zum fatalen Einfluß subversiver Ideen, Klagen über Schreiber und Lehrer, die die gegenwärtige nicht als die beste aller denkbaren Welten ansehen wollten, gouvernantenhafte Warnungen im privaten Kreis und Ächtung aller, die nicht spurten.

Heute ist es der liberale Mainstream, der verzweifelt beobachtet, wie sich der Trend gegen ihn kehrt, wie seine schönen Narrative von der „Offenen Gesellschaft“ ungehört verklingen. Deshalb nimmt er die Alliierten da, wo er sie finden kann und feiert Auslassungen wie die von Weiß so bereitwillig. Deshalb stört man sich keinen Augenblick an dessen politischer Herkunft aus dem antifaschistischen Mief und seiner Mitarbeit an Organen wie Jungle World oder taz.

Linksextremismus in der Mitte der Gesellschaft

Ganz im Gegenteil. Denn das Ziel ist gerade, den „Verfassungsbogen“ auf einer Seite so sehr zu erweitern, daß die Grünen und die Linke bis zu den Ewiggestrigen selbstverständlich dazugehören, während auf der anderen Merkel noch wohlgelitten ist, während Seehofer und die Seinen schon brav sein müssen, um weiter zu den Guten zu zählen. Wer aber rechts von den Christsozialen steht, über den ist das Urteil gefällt.

Kurz und knapp: Der Linksextremismus ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wer noch Zweifel hat, der überlege, was es bedeutet, daß der Band von Weiß bei Klett-Cotta erscheint, einem der großen bürgerlichen Verlage Deutschlands. Der muß natürlich Geld verdienen, wie jeder Verlag, aber die Publikation eines so schwachen und polemischen Buches kann nicht durch wirtschaftliches Kalkül allein erklärt werden. Hier geht es um Kurswechsel, oder, weniger neutral ausgedrückt: um Verrat am eigenen Erbe.

Es geht um Verrat am eigenen Erbe

Denn sieht man sich die von Weiß gestreuten Invektiven gegen die konservative Tradition an, dann hätte man in Stuttgart – ein Mindestmaß an Kenntnis der eigenen Unternehmensgeschichte vorausgesetzt – Abstand nehmen müssen von diesem Autor und seinem Produkt. Nicht nur, daß Ernst Klett, ein Mann, der die NS-Zeit in der Inneren Emigration überdauert hat, nach dem Zweiten Weltkrieg zum engsten Kreis Ernst Jüngers gehörte – also einem der üblen Quasifaschisten, die Weiß behandelt –, er plante auch ein Periodikum, für das er als Mitarbeiter neben Jünger noch Martin Heidegger und Carl Schmitt – mehr Quasifaschisten also – zu gewinnen hoffte.

Der Merkur, der dann tatsächlich herauskam, zeigte zwar nur noch Spuren dieser Idee einer „Konservativen Revolution“ mit „kleinem k“ (Margret Boveri), aber die von Jünger und dem rumänischen Religionswissenschaftler Mircea Eliade ab 1959 bei Klett veröffentlichte Zeitschrift Antaios machte doch trotz ihres unpolitischen Charakters deutlich, wo die weltanschaulichen Sympathien des Verlegers zu suchen waren.

Bleibt zuletzt der Hinweis darauf, daß Klett der Initiator großer konservativer Kongresse zu Beginn der siebziger Jahre war. Im Vorwort für einen der Tagungsbände hat er von den „Wort-huren“ gesprochen, die durchs Land laufen und für billiges Geld zu haben sind – auf „Neue Rechte“ könnte man den Begriff problemlos anwenden –, aber wichtiger erscheint noch, daß er damals schon die Panik der Progressiven süffisant kommentierte, die nichts weniger aushielten als Konservative, die „geistig beweglich werden“.

JF 18/17

Historiker Volker Weiß: Der Spezialist für Entlarvungsliteratur hat wieder zugeschlagen Foto: picture alliance / Christian Charisius / dpa
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