Im Thüringer Landtag zu Erfurt ist zur Zeit eine Ausstellung mit Bildern des prominenten DDR-Malers Werner Tübke (1929-2004) zu sehen, die fast unbemerkt geblieben wäre, hätte nicht eins der Bilder die vom Künstler handschriftlich angebrachte Unterschrift „Faschistischer Terror in Ungarn 1956“ getragen. Diese Einordnung des Bildes in die Zeitgeschichte, wie sie von den DDR-Geschichtsideologen gedeutet wurde, machte das Bild als Ausstellungsobjekt fragwürdig, auch wenn man lediglich einen Knäuel ineinander verschlungener Leiber sieht. Nun ist Erfurt die Patenstadt Budapests, und dort finden im Herbst Gedenkfeiern statt zum 50. Jahrestag des Ungarnaufstands, der von der Sowjetarmee erbarmungslos niedergeschlagen wurde. Hunderte der Aufständischen wurden für Jahre ins Gefängnis geworfen, Tausende flüchteten nach Westeuropa. Es war ein antikommunistischer Aufstand, der zweite im Ostblock nach dem vom 17. Juni 1953 in Mitteldeutschland. Die Erfurter Bürgerrechtlerin Hildigund Neubert, Landesbeauftragte für die Unterlagen der „Staatssicherheit“ in Thüringen, hat gegen dieses Bild bei Landtagspräsidentin Dagmar Schipanski protestiert, woraufhin das Tübke-Bild abgehängt wurde. Nun herrscht helle Empörung bei der Opposition wie den Abgeordneten Birgit Klaubert (PDS) und Birgit Pelke (SPD). Und nachdem die Landesbeauftragte am 8. Juli auch noch ihre Aktion in der Thüringischen Landeszeitung erklärt und den Maler einen „Staatskünstler“ genannt hat, der die „staatliche Ideologie bedient“ habe, ist des Grollens bei den Thüringer Linken kein Ende mehr. Am 12. Juli schließlich veröffentlichte der Weimarer Schriftsteller Wulf Kirsten, ansonsten ein besonnener Mann, einen aufgeregten Kommentar und warf der Landesbeauftragten vor, ihre Äußerungen gingen „haarscharf an der Wahrheit vorbei“. Die Wahrheit ist, daß Werner Tübke seinem Staat treu gedient und mit diesem Verhalten Karriere gemacht hat, von Kritik oder Einspruch gegen staatliche Anordnungen ist nichts bekannt geworden, falls man nicht das wirklich wundervolle „Bauernkriegspanorama“, das 1981/87 auf dem Schlachtberg in Bad Frankenhausen entstanden ist, als verschlüsselte Kritik an der SED-Geschichtspolitik begreifen möchte. Das Gegenbeispiel zu Werner Tübke wäre der NS-Bildhauer Arno Breker, dessen im Schleswig-Holstein-Hau zu Schwerin geplante Ausstellung bereits vor der Eröffnung am 22. Juli eine heftige Kontroverse ausgelöst hat (siehe Seite 11). Bei all dem ideologischen Gezänk wird nur übersehen, daß Arno Breker in den Jahren 1933-1945 gehandelt hat, während Werner Tübke in den Jahren 1949-1989 schwieg! Von Breker weiß man, daß er 1937 in Paris den kommunistischen Maler Pablo Picasso, der im Bürgerkrieg aus Spanien geflohen war, vor dem Zugriff der Gestapo bewahrt hat und daß er den Verleger Peter Suhrkamp, der schon in der Todeszelle saß, im Zuchthaus besucht hat und ihn vor der Hinrichtung retten konnte. Der oppositionelle DDR-Maler Sieghard Pohl, heute 81, saß mit mir mehrere Jahre im sächsischen Zuchthaus Waldheim. Mir ist nicht bekannt, daß Werner Tübke ihn jemals dort besucht hätte. Dr. Jörg Bernhard Bilke , Literaturwissenschaftler, wurde wegen DDR-kritischer Artikel zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt und 1964 von der Bundesregierung freigekauft.