Die Medienhatz gegen Christian Wulff hat ausschließlich die persönlichen Aspekte dessen Scheiterns als Bundespräsident in den Blick genommen, nicht aber die systemimmanenten Voraussetzungen. Wulff war ein Politiker wie jeder andere auch, und seine Mitnahmementalität ist bloß die andere Seite seiner Anbiederung an die „Political Correctness“ („Der Islam gehört zu Deutschland“).
Was will man auch erwarten, wenn ein Amt zwischen den Parteien ausgekungelt und mit einem Parteipolitiker besetzt wird, der als möglichst glatter Kompromiß den Betrieb wenig stören soll? Sein Nachfolger ist nun immerhin kein Parteipolitiker, aber dafür ein umso größerer Kompromiß, der – bei seinem Image als DDR-Bürgerrechtler fast ein Treppenwitz der Geschichte – von einem (Beinahe-)Allparteienblock aufgestellt wurde.
Immerhin gibt es Vorboten einer grundsätzlichen Debatte – vor allem an den Rändern des politischen Systems, aber nicht nur dort: Zu einer Korrektur des Parteienstaates „von unten“ soll die Direktwahl des Bundespräsidenten führen, wie sie derzeit insbesondere von der NPD vertreten wird. Die Tatsache, daß diese Forderung natürlich auch strategisch motiviert ist, weil der saarländische NPD-Spitzenkandidat Frank Franz mit ihr zum „Zukunftsdialog“ der Bundeskanzlerin eingeladen werden (oder das Kanzleramt zu einer undemokratischen Ausladung provozieren) möchte, spricht nicht gegen sie, sondern eher die Frage, ob sich durch eine Direktwahl viel ändern würde. Der Einfluß der Parteien wäre zwar geringer, aber ob die zu befürchtende massenmediale, gefühlsdemokratische Präsidenten-Castingshow zu wirklichen Verbesserungen führen würde, steht auf einem anderen Blatt.
Normative Rolle des Hofes
Also eine Änderung des Systems „von oben“? Soeben hat Prinz Philip Kiril von Preußen für die Wiedereinführung der Monarchie plädiert; und daß er dies nicht in einem Blättchen wie Erbe und Auftrag, der Vereinszeitung der kaisertreuen Vereinigung Tradition und Leben, sondern in Christ und Welt, der früheren katholischen Wochenzeitung und heutigen Beilage der Zeit, getan hat, verdient Aufmerksamkeit, zumal deren Redakteur Hans-Joachim Neubauer vor kurzem halb ironisch, halb ernsthaft den Weg „Vorwärts zur Monarchie!“ empfahl.
Die Ausführungen des Prinzen verbleiben im Gefühligen, wie in dem gefühlslinksliberalen Lehrer- und Pastorenblatt, das sich nun auch eine gefühlskonservativliberale Nische leistet, nicht anders zu erwarten. Er redet viel vom Herzen, das der Monarch besonders anspräche, und verweist vage auf Schweden, wo es auch „überzeugte sozialistische Royalisten“ gäbe.
Einiges geht allerdings in die richtige Richtung: Prinz Philip spricht von der demographischen Zeitbombe, die Deutschland bedroht, und setzt ihr die Freude entgegen, die die schwedische Gesellschaft bei der Geburt eines Prinzen oder einer Prinzessin erfaßt und hebt die normative Rolle des Privatlebens der Königsfamilie hervor. Zudem sei ein König wirtschaftlich unabhängig und gerate durch Geschenke weniger in Versuchung als ein Christian Wulff.
Persönliche Projektionsfläche des Patriotismus
Es scheint in der Tat, daß eine Monarchie die Gesellschaft stabilisiert, indem sie dem Patriotismus eine persönliche Mitte und Projektionsfläche gibt. Im Idealfall ist der König dann nicht nur der Repräsentant seines Volkes, wie es ein gewählter Politiker sein sollte, sondern Ausdruck oder Werkzeug seiner höchsten Möglichkeiten – allerdings nur solange, wie er wirklich noch ein König ist und nicht nur so genannt wird.
Leider hat Wilhelm II. die Monarchie in Deutschland nicht nur durch sein unbedachtes Auftreten, sondern vor allem durch seine Flucht nach Holland bis heute diskreditiert, anstatt als oberster Kriegsherr die Verantwortung für den nicht gewollten, aber verlorenen Krieg zu übernehmen, wenn er schon nicht mehr, wie Friedrich der Große als letzter europäischer Monarch, selbst das Schicksal seiner Soldaten teilte.
Dann doch lieber einen vom Volk gewählten Präsidenten oder einen Wahlkönig – zwar auch ein Kompromiß, aber wenigstens nicht nur zwischen Parteien. Vielleicht ist dies alles aber auch gar nicht so wichtig, denn es kommt auf den Geist an, mit dem solche Ämter ausgefüllt werden.