Nachdem die lautstarken Gegner von „Stuttgart21“ bei der Volksabstimmung in Baden-Württemberg gescheitert sind, sollte man meinen, daß jetzt Ruhe im „Ländle“ einkehren wird. Aber schon am Abend der Abstimmung und am Montagmorgen gab es wieder Proteste: mehr als 100 Gegner des Bahnprojektes blockierten die Bauarbeiten. Ob nun weiterhin regelmäßig Demonstrationen und Blockaden stattfinden werden, ist die Frage.
Und es stellt sich eine weitere Frage: Ist man ein Antidemokrat, wenn man jetzt – nach der Volksabstimmung – weiter gegen „Stuttgart21“ demonstriert? Vor allem die Befürworter des Tiefbahnhofes argumentieren, daß es nun keine Proteste mehr geben dürfe, denn das Volk als Souverän habe sich dafür entschieden. Die Bürger haben mit 58,8 Prozent gegen einen Ausstieg des Landes gestimmt und sich somit für den Bau des Tiefbahnhofes entschieden. Der Fraktionschef der CDU, Peter Hauk, appellierte deshalb an die Gegner, sie mögen ihren Widerstand aufgeben und das demokratische Ergebnis akzeptieren.
Umschalten von ablehnend-kritisch auf konstruktiv-kritisch
In Internetforen wurde nach dem Ergebnis der Volksabstimmung heiß diskutiert, nicht zuletzt, weil manche Abstimmungssieger ihrer Freude innerhalb der „Anti-Foren“ Luft machten. Bei den „Stuttgart21“-Gegnern gibt es vielfältige Meinungen. Viele schließen sich dem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) an, der seine Niederlage eingestand und deutlich machte, daß seine „ganze Landesregierung“ das Votum der Bürger akzeptieren wird. Aber man wolle natürlich wachsam bleiben: „Wir werden umschalten von ablehnend-kritisch auf konstruktiv-kritisch.“ Grundsätzlich akzeptieren auch die strikten „S21“-Gegner, daß die Mehrheit gegen den Ausstieg ist – und das soll nun auch gelten.
Andere hingegen meinen, die Bürger seien zu dumm gewesen seien, die Lügen der Bahn zu entlarven und die Formulierung des Abstimmungszettels zu kapieren. Deshalb sollen jetzt auch nur die die Zeche von 4,5 Milliarden zahlen, die für den unterirdischen Durchgangsbahnhof „S21“ gestimmt haben. Manch ein Verrückter wünscht der Stadt Stuttgart sogar, daß ihre Mineralwasserquellen durch den Bau alsbald versiegen, daß es möglichst viele Unglücksfälle in den Tunneln beim Bau und Tote durch Polizeigewalt geben solle. Menschen mit solchen Meinungen ist aber selbst in der tolerantesten Demokratie nicht mehr zu helfen!
Schritt in die Bürgergesellschaft
Es ist interessant zu beobachten, daß bei manch einem eine Abstimmung nur dann respektiert wird, wenn sie zu seinen Gunsten ausgeht. Wenn jedoch eine Mehrheit gegen die eigene Meinung votiert, dann haben nur dämliche Wähler abgestimmt, die sowieso keine Ahnung haben. „Über 50 Jahre CDU haben genug Volksverdummung hinterlassen, die nicht einfach mal weggewählt werden können“, lautet dann die Erklärung, warum man bei der Abstimmung mit seinen politischen Ideen gescheitert ist. Trotzdem meint Ministerpräsident Kretschmann zur ersten Volksabstimmung in Baden-Württemberg seit 40 Jahren: „Das ist ein großer Sieg für die Demokratie und ein großer Schritt in die Bürgergesellschaft.“ Auch das Aktionsbündnis „Ja zum Ausstieg“ ist trotz Niederlage der Meinung, daß es „ein guter Tag für die direkte Demokratie“ gewesen sei.
Man ist nicht Antidemokrat, wenn man weiter gegen das Projekt ist. Denn meines Erachtens sind an das Votum der Bürger nur die baden-württembergischen Politiker gebunden. Der einzelne Bürger selber kann natürlich weiter gegen den Bau von „Stuttgart21“ sein und auch dagegen demonstrieren. Natürlich sollen die Gegner das Bahnprojekt weiter „kritisch begleiten“ dürfen, und die sogenannten Montagsdemos kann es weiter geben. Denn auch nach einer Volksabstimmung muß es innerhalb eines demokratischen Rechtsstaates erlaubt sein, daß man für oder gegen etwas demonstriert und offen seine Kritik äußert. Man muß sich jedoch fragen, ob Demonstrationen weiter Sinn machen, denn es gibt niemanden mehr, den man überzeugen, warnen oder aufklären muß. Das Volk wurde gefragt. Das Volk hat seine Meinung kundgetan. Mehr Demokratie geht nicht. Das Volk möchte keinen weiteren Widerstand gegen „Stuttgart21“.