Haushoch erhebt sich die Maschine. Eine „KBA Commander“ des deutschen Druckmaschinenherstellers Koenig & Bauer. 13 Meter hoch, 22 Meter lang, 330 Tonnen schwer. Jeden Dienstagabend rast das Druckpapier mit 48 Stundenkilometern über die Druckwalzen. Hier wird die Auflage der JUNGEN FREIHEIT in anderthalb Stunden gedruckt. Vor wenigen Tagen habe ich die Maschine an unserem neuen Standort in Kassel bestaunt.
Atemberaubend der Rollenwechsel bei laufendem Druckvorgang, zu sehen, wie die Zeitungen gestaffelt über Transportbänder fliegen, um dann adressiert und verpackt zu werden. Mein Herz schlägt noch immer schneller, wenn ich an der stampfenden Rotation stehe wie der Maschinist Johann „Das Gespenst“ in Wolfgang Petersens Kinofilm „Das Boot“ am surrenden Motor von U 96.
Warum Kassel? Fast 20 Jahre wurde die JF in einer traditionsreichen Zeitungsdruckerei bei Frankfurt am Main gefertigt. Ende kommenden Jahres gehen bei der angesehenen Druckerei, die auf eine 150jährige Geschichte zurückblickt, die Lichter aus. Überall schließen Betriebe, die bislang Zeitungen und Zeitschriften gedruckt haben, weil Printauflagen in immer schnellerem Tempo in den Keller rauschen. Deshalb konzentrieren sich die fortlaufenden Titel auf immer weniger Standorte.
Medienwandel bedeutet Online-Ausbau
Hören Sie noch Papier knistern, wenn Sie diese Zeilen lesen? Riechen Sie noch die Druckerschwärze? Unwiederbringlich ist das bei immer weniger Lesern der JF der Fall. Wandelt sich die Mediennutzung doch seit Jahren: Vor zwei Jahren haben 20 Prozent der JF-Leser kein knisterndes Papier mehr in den Händen gehalten, heute sind es schon 30 Prozent, die diese Zeilen nur mehr am Bildschirm, Tablet oder Mobiltelefon lesen. Wir kalkulieren damit, daß 2027 die Zahl der Online-Abonnenten der JF diejenigen der Printleser übersteigen wird.
Am dramatischsten ist die Entwicklung bei regionalen Tageszeitungen. Die Einführung des Mindestlohns ließ Kosten der Botenzustellung explodieren, nun reißt das immer dünner werdende Netz der Bezieher, die noch eine Zeitung im Briefkasten wollen. Das Branchenblatt Journalist spricht vom „Abschied von Print auf die harte Tour“: Nach einer Studie des Zeitungsverlegerverbandes BDZV werde 2025 in 40 Prozent der deutschen Gemeinden die Zustellung von Zeitungen wirtschaftlich untragbar.
Staatliche Presseförderung ist hier unangebracht. Der Medienwandel muß mit den Lesern gelingen. Die JF konzentriert sich auf den offensiven Ausbau ihrer Online-Strategie – ohne diejenigen zu vergessen, die weiterhin das Papier knistern hören wollen.