An Olaf Scholz als SPD-Kanzlerkandidat führte kein Weg vorbei. Er ist der sozialdemokratische Minister in der Großen Koalition, der über die mit Abstand höchsten Sympathiewerte verfügt. Die einzige Alternative wäre gewesen, angesichts miserabler Umfragewerte gleich ganz auf einen Kandidaten für das Kanzleramt zu verzichten.
Doch die SPD hat den Zeitpunkt gut gewählt: Die Sympathiewerte der Bundesregierung sind im Zuge der Corona-Krise auf einem Höhepunkt, der Bundesfinanzminister verantwortet die milliardenschweren Konjunkturpakete für eine gebeutelte Wirtschaft und profitiert neben der Kanzlerin am stärksten vom derzeitigen demoskopischen Rückenwind.
Und: Im Gegensatz zu Angela Merkel verschwindet Scholz nicht planmäßig zum Ende der Legislaturperiode von der Bildfläche. Zwar wurde unter Hauptstadtjournalisten immer wieder lebhaft darüber spekuliert, ob sich Merkel doch noch einmal in einem Überraschungscoup für eine fünfte Amtszeit bitten ließe – doch dieses Blatt scheint definitiv ausgereizt.
Scholz wird durch eigene Partei konterkariert
Insofern könnte Scholz als einziger mit dem Amtsbonus punkten. Friedrich Merz hat überhaupt kein Regierungsamt inne, Armin Laschet und Markus Söder lediglich den Posten eines Ministerpräsidenten. Einer vorzeitigen Amtsübergabe der Kanzlerin an einen Kronprinzen verweigert sich die SPD strickt – aus nachvollziehbaren Gründen.
Zurück zu Olaf Scholz: Tatsächlich kann es ihm angesichts breiter linker Konkurrenz am ehesten gelingen, wieder in die Mitte hinein zu integrieren, wo bekanntlich in Deutschland Wahlen gewonnen werden. Er ist zudem der letzte namhafte SPD-Politiker, den noch ein Hauch Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder umweht. Konterkariert wird Scholz aber durch seine eigene Partei, die sich in den letzten Jahren immer weiter in ein linksradikales Fahrwasser manövrierte.
Daß die SPD diesem Linksdrall erlag, geht nicht zuletzt auf das Konto von Merkel, die die CDU systematisch entkernte, alle konservativen Positionen räumte – so daß die AfD entstehen konnte – und stattdessen das Feld von Grünen und Sozialdemokraten in einer feindlichen Übernahme aufrollte.
Ein außergewöhnlicher Bundestagswahlkampf steht bevor
Wer soll sich nun eigentlich noch ernsthaft über Rot-Rot-Grün im Bund empören, wenn die CDU nicht nur seit längerem die Grünen als idealen Bündnispartner hofiert, sondern Merkels Entourage auch kürzlich den Linken Bodo Ramelow in Thüringen wieder ins Amt hievte und Merkel-Adept Daniel Günther lauthals CDU-Bündnisse mit den SED-Erben befürwortet. Warum sollte die SPD da noch überzeugende Distanz zu Linksextremisten wahren?
In jedem Fall steht ein außergewöhnlicher Bundestagswahlkampf 2021 ins Haus, bei dem viele Karten politisch neu gemischt werden. Und noch nie gab es bisher den Fall, daß der Amtsinhaber nicht erneut zur Wahl stand.