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20. Juli 1944: Keine Zukunft ohne Vergangenheit

20. Juli 1944: Keine Zukunft ohne Vergangenheit

20. Juli 1944: Keine Zukunft ohne Vergangenheit

Wolfschanze
Wolfschanze
Gedenktafel für das Attentat am 20. Juli 1944 in Rastenburg Foto: picture alliance/Uwe Gerig
20. Juli 1944
 

Keine Zukunft ohne Vergangenheit

Vorschnell fällt oft das Urteil über eine Generation, die in einer Diktatur leben mußte. Warum habt ihr nicht aufbegehrt? Ob gestern oder heute, der Überlebensinstinkt hält Menschen davon ab zu rebellieren. Umso wichtiger ist die Erinnerung an den 20. Juli 1944. Ein Kommentar von JF-Chefredakteur Dieter Stein.
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Obwohl wir in einem Staat leben, der im Prinzip Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit garantiert und verteidigt, fehlt Bürgern in der Realität oft der Mut, sich zu ihrer politischen Meinung zu bekennen. Manche fürchten Nachteile am Arbeitsplatz, vom Nachbarn schief angesehen zu werden, anzuecken, haben Ausgrenzungserfahrungen gemacht, die sie hemmen.

Um so leichter fällt erstaunlicherweise oft das Urteil über eine Generation, die in einer Diktatur leben mußte und der vorgehalten wird, sie hätte mutiger widerstehen sollen. Über die Großeltern, die während der Zeit des nationalsozialistischen Regimes im Dritten Reich lebten, die Männer, die als Soldaten der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg im Einsatz waren: Warum haben sie nicht aufbegehrt, als die verfolgten und entrechteten Juden massenhaft deportiert wurden, als im Rücken der Front Einsatzgruppen wüteten?

Unkorrumpierbarer Widerstandsgeist

Ob gestern oder heute, der Überlebensinstinkt hält die meisten Menschen davon ab, persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen und zu rebellieren. Am 20. Juli erinnern wir uns indes an eine Erhebung, die dieser allzumenschlichen opportunistischen Logik widerspricht, die zudem die These vom angeblich in der deutschen Armee verbreiteten „Kadavergehorsam“ Lügen straft: Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Henning von Tresckow und zahlreiche andere Offiziere schlossen sich in einer jahrelang ausgebauten, weitverzweigten Verschwörung zusammen, um eine als verbrecherisch erkannte Regierung abzulösen, die Verfolgung und Ermordung von Juden und Oppositionellen zu stoppen und Deutschland vor dem Untergang zu bewahren. Ihre Bemühungen gipfelten im Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944, das trotz seines Fehlschlages Zeugnis ablegte von einem unkorrumpierbaren Widerstandsgeist, der die Zeiten überdauert.

Bis heute gibt es Versuche, die moralische Begründung für die Erhebung in Zweifel zu ziehen und das Ethos der Verschwörer herabzuwürdigen. Peter Hoffmann, Nestor der Stauffenberg-Forschung, hebt im Gespräch mit dieser Zeitung hervor, wie früh gerade die Verfolgung und die Ermordung von Juden den Widerstand antrieb – lange bevor eine militärische Niederlage drohte.

Mehr als 700 Verhaftungen

Wir sehen bei den Männern des 20. Juli ferner keineswegs auf nur eine „ganz kleine Clique“ (wie Hitler verächtlich urteilte) von Offizieren – es wurden nach der Niederschlagung über 700 Angehörige der Erhebung verhaftet und verurteilt. Ihr tapferes Beispiel ist Richtschnur für die Nachfolgenden.

Jede politische Initiative, die sich patriotisch begründet und angetrieben fühlt, an eine „Zukunft der Deutschen“ zu glauben (wie es im Eid des 20. Juli lautet), kommt nicht darum herum, ihre Tradition zu klären: Ohne eine Haltung zur Vergangenheit gibt es auch keine Zukunft.

JF 29/16

Gedenktafel für das Attentat am 20. Juli 1944 in Rastenburg Foto: picture alliance/Uwe Gerig
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