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Marc Jongen, ESN Fraktion
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Meloni, Le Pen, die AfD und Co.: Europäische Rechtsparteien auf Erfolgskurs

Meloni, Le Pen, die AfD und Co.: Europäische Rechtsparteien auf Erfolgskurs

Meloni, Le Pen, die AfD und Co.: Europäische Rechtsparteien auf Erfolgskurs

Marine Le Pen, Alice Weidel, Georgia Meloni und Viktor Orban: Aug der Erfolgsspur Fotos: Picture Alliance / dpa /// Montage. JF Rechtsparteien auf dem Vormarsch
Marine Le Pen, Alice Weidel, Georgia Meloni und Viktor Orban: Aug der Erfolgsspur Fotos: Picture Alliance / dpa /// Montage. JF Rechtsparteien auf dem Vormarsch
Marine Le Pen, Alice Weidel, Georgia Meloni und Viktor Orban: Aug der Erfolgsspur Fotos: Picture Alliance / dpa /// Montage. JF
Meloni, Le Pen, die AfD und Co.
 

Europäische Rechtsparteien auf Erfolgskurs

Massenmigration und wirtschaftlicher Niedergang treiben der europäischen Rechten die Wähler zu und lassen immer mehr Brandmauern zerbersten. Gemeinsam wären die Rechtsparteien in Brüssel eine Macht. Ein Kommentar von JF-Chefredakteur Dieter Stein.
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Unwort, Umfrage, Alternativ

In ganz Europa haben rechtsgerichtete und nationalkonservative Parteien bei den letzten Wahlen bemerkenswerte Erfolge erzielt und liegen in den Umfragen weit vorne. Die unzufriedenen Wähler kommen in Scharen. Einige linksliberale Beobachter befürchten für die kommenden Wahlen einen regelrechten „Tsunami“ der Rechten in Europa.

Die etablierten Parteien haben lange Zeit rechte Neulinge von der Macht ausgeschlossen. Aber das ändert sich jetzt. Italien hat seit dem Herbst eine rechte Regierung. In vielen Ländern Europas, von Deutschland über Frankreich und Spanien bis hin zu Skandinavien und Mittelosteuropa, sind die Rechten jetzt auf dem Vormarsch. „Brandmauern“, mit denen rechte Parteien von der Macht ferngehalten werden sollten, sind gescheitert oder stehen kurz vor dem Scheitern.

Der Hauptgrund für die Unterstützung der Rechten in Europa ist der Widerstand gegen die unkontrollierte Masseneinwanderung. Steigende Lebenshaltungskosten und hohe Energiepreise seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs haben die Unzufriedenheit ebenfalls angeheizt. Die meisten rechtsgerichteten Parteien stehen auch der EU skeptisch gegenüber. Die außenpolitische Ausrichtung ist jedoch nicht immer einheitlich; die Haltung gegenüber Rußland ist seit dessen Angriff auf die Ukraine einer der Streitpunkte unter rechten Parteien. Ich werde auf dieses Thema später in diesem Beitrag zurückkommen. Lassen Sie uns zunächst einen kurzen politischen Überblick verschaffen, um den Lesern das Ausmaß der Veränderungen auf dem „Alten Kontinent“ vor Augen zu führen.

Merkels strategische Fehlentscheidung

Aktuelle Ausgabe des Magazins The American Conservative
Dieser Meinungsbeitrag erschien zuerst auf Englisch in der Juli/August-Ausgabe des Magazins The American Conservative

Beginnen wir in Deutschland. Hier gab es bis vor zehn Jahren keine nennenswerte Partei rechts von den regierenden Christdemokraten (CDU), damals unter der Führung von Angela Merkel, und ihrer bayerischen Schwesterpartei, der Christlich-Sozialen Union (CSU). Merkel traf die strategische Entscheidung, sich nach links zu orientieren, den traditionellen konservativen Flügel zu verlassen und ein Vakuum auf der rechten Seite zu schaffen. Dieses wurde von der euroskeptischen Alternative für Deutschland (AfD) besetzt, die 2013 während der Euro-Krise gegründet wurde. Als Merkel 2015 entschieden hatte, die Grenzen für mehr als eine Million Migranten und Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Afrika zu öffnen, bekam diese neue Konkurrenzpartei massiven Auftrieb. Trotz des Gegenwinds und der Ächtung durch das politische Establishment und die Medien gelang der angeblich „rechtsextremen“ AfD der Einzug in den Bundestag.

In jüngsten Umfragen hat sich die Unterstützung für die AfD auf 20 Prozent oder mehr verdoppelt, was auf die allgemeine Verärgerung über einen umstrittenen Vorschlag des grünen Wirtschafts- und Klimaministers Robert Habeck für ein Verbot von Gasheizungen zurückzuführen ist. In Umfragen liegt die AfD nun deutlich vor der Regierungspartei der Sozialdemokraten von Bundeskanzler Olaf Scholz. Die Drei-Parteien-Koalition aus SPD, Grünen und FDP stößt in der Wählergunst inzwischen auf eine noch nie dagewesene Unbeliebtheit. Ganze 79 Prozent der Wähler sind unzufrieden, wie eine aktuelle Umfrage für die ARD ergab.

Die behördliche Stigmatisierung der AfD ist gescheitert

Der Aufstieg der Rechten in Deutschland hat bei den anderen Parteien Alarm und sogar Hysterie ausgelöst. Sie erlitten fast einen Schlag, als der AfD-Kandidat Robert Sesselmann im ostthüringischen Sonneberg einen historischen ersten Kreiswahlsieg errang. Der Verfassungsschutz als Inlandsgeheimdienst soll die Verfassung „schützen“, aber indem er unliebsame Oppositionsgruppen unterdrückt neigt er zu politischem Mißbrauch. Und nun hat die Behörde die AfD als extremistischen „Verdachtsfall“ denunziert. Doch die behördliche Stigmatisierung scheint eine stumpfe Waffe geworden zu sein. Den Wählern ist ein solches öffentliches Anprangern weitgehend egal.

Die CDU ist in einer schwierigen Situation gefangen. Sie hat sich verpflichtet, eine Brandmauer gegen den rechten Rivalen aufrechtzuerhalten. Aber diese Politik wird immer schwieriger durchzuhalten, vor allem in den östlichen Bundesländern, der ehemaligen DDR, wo ein Viertel oder sogar ein Drittel der Wähler die AfD unterstützen.

Wenn sie der politischen Realität zuwiderläuft ist eine Strategie der kompletten Ausgrenzung zum Scheitern verurteilt, ob man sie nun „Brandmauer“ nennt oder cordon sanitaire wie in Frankreich und Belgien. Wenn eine rivalisierende rechte Partei zu groß wird, kann sie in einer Demokratie nicht dauerhaft von der Teilnahme an der legislativen und exekutiven Macht ausgeschlossen werden.

Der Cordon sanitaire wird an der Massenmigration zerbrechen

Wir erleben dies gerade in Frankreich. Eine Ifop-Umfrage vom April ergab, daß Marine Le Pen jetzt die beliebteste Politikerin des Landes ist, noch vor Präsident Macron. Der gilt vor allem bei den einfachen Menschen, die mit seinen unpopulären Rentenreformen zu kämpfen haben, als unnahbar. Nun ist Frankreich erneut konfrontiert mit gewalttätigen Unruhen in den Vorstädten, die überwiegend Migranten afrikanischer und arabischer Herkunft bewohnen. In der vergangenen Zeit kam es in Paris, Marseille, Lyon und vielen kleineren Orten zu schweren Krawallen aus diesen ethnischen Gruppen.

Die anarchischen Nächte und der brandschatzende Vandalismus bestätigen Le Pens These, daß bei der Einwanderung und der Integration etwas gewaltig schiefgelaufen ist. Inmitten des weit verbreiteten Pessimismus über die Zukunft Frankreichs könnte Le Pen durchaus bald Präsidentin werden. Mitte Juni, vor dem Ausbruch der Krawalle, sagte Jacqueline Maquet, eine Abgeordnete von Macrons „Renaissance-Partei“, der Sonntagszeitung Le Journal du Dimanche: „Ich habe den Eindruck, daß sich ein Tsunami ankündigt.“ Angesichts dieser Flutwelle wird der Cordon sanitaire brechen.

Auch in Schweden ist es nicht gelungen, einen erfolgreichen rechten Konkurrenten von der politischen Mitwirkung auszugrenzen. Jahrelange Kämpfe mit fast täglichen Schießereien und Krawallen zwischen eingewanderten Drogenbanden ergrimmten die Wähler über die laxe Migrations- und Sicherheitspolitik und stärkten die rechtsgerichteten Schwedendemokraten. Um mehr Akzeptanz zu gewinnen, entschieden sie sich strategisch für eine gemäßigtere Sprache und entfernten einige ihrer radikaleren Elemente. Schließlich bröckelte der Schutzwall gegen sie.

Meloni bestimmt die Agenda

Die Schwedendemokraten haben bei den Wahlen im vergangenen September einen Durchbruch erzielt. Nun ist die neue Mitte-Rechts-Koalition auf ihre Unterstützung angewiesen. Das benachbarte Finnland hat sich ebenfalls nach rechts gewandt. Die „populistische“ rechtsgerichtete Partei „Die Finnen“ (früher „Wahre Finnen“) wurde letzten Monat offiziell Teil der neuen Koalitionsregierung – obwohl sie bereits in Skandale wegen Rassismusvorwürfen verwickelt ist.

Der bemerkenswerteste aller jüngsten Erfolge der europäischen Rechten ist Giorgia Melonis Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens). Sie schaffte ebenfalls im September den Durchbruch, und als erste italienische Ministerpräsidentin führt Meloni seitdem eine bemerkenswert stabile rechte Regierung. Obwohl die Linken sie als „postfaschistisch“ verunglimpften, gewann die kluge, unerschrocken und charmant agierende Meloni eine breite Anhängerschaft, indem sie sich mit der „woken“ Linken und deren Ideologie und der LGBT-Propaganda anlegte.

Ihre Partei ist bei weitem die beliebteste in Italien und liegt vor Matteo Salvinis Lega und der Forza Italia des verstorbenen Silvio Berlusconi. Melonis Regierung verbindet den traditionellen Sozialkonservatismus mit einem härteren Vorgehen gegen illegale Einwanderer. Die jüngsten Beschlüsse der EU-Staats- und -Regierungschefs, ihre Anstrengungen zu verdoppeln, um kleine Boote mit Asylbewerbern im Mittelmeer zu stoppen, spiegeln eine Verschiebung des Konsenses wider. Was einst eine „rechtsextreme“ Forderung war, ist nun die neue Normalität.

Woran scheitert die „Rechte Internationale“?

Spanien ist das jüngste Beispiel für einen Rechtsschwenk. Bei den jüngsten Regional- und Kommunalwahlen konnte die konservative Partido Popular (PP) enorme Zugewinne verbuchen, während die 2013 gegründete rechtslastigere VOX-Partei die Zahl ihrer Ratsmitglieder deutlich erhöhen konnte. Der bedrängte sozialistische Ministerpräsident Pedro Sanchez sah sich gezwungen, eine vorgezogene Parlamentswahl auszurufen. Das wahrscheinliche Ergebnis der Wahl am 23. Juli ist ein Sieg der PP, die von dem gemäßigten Konservativen Alberto Núñez Feijóo geführt wird, und eine Koalition mit VOX (das Ergebnis der Wahl lag zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes noch nicht vor). Unter der Führung von Santiago Abascal ist sie schnell zur drittgrößten Partei Spaniens geworden. Trotz der Rufe der Linken nach einer Rückkehr zur Politik der „Franco-Ära“ wird VOX nun gesellschaftlich akzeptiert.

Dieser kurze Rundblick durch mehrere europäische Länder zeigt, wie sehr rechte Bewegungen auf dem Vormarsch sind. Wir sehen Hinweise für eine entstehende „Konservative Internationale“ oder „Rechte Internationale“. Dies zeigte sich schon Mitte Mai in Budapest auf der Conservative Political Action Conference (CPAC). Mehr als 600 Konservative aus Europa und Nordamerika nahmen daran teil und suchten nach Gemeinsamkeiten und wechselseitigem Verständnis. Der ungarische Ministerpräsident Orban eröffnete die Veranstaltung mit einer Rede mit dem Titel „Keine Migration, kein Gender, kein Krieg“ („No migration, no gender, no war.”).

In der europäischen Rechten besteht ein Konsens gegen Masseneinwanderung und die aggressive Verbreitung der Gender-Ideologie. Was Orbán jedoch genau mit „kein Krieg“ meinte, blieb im Dunkeln. Er vermied es zu erklären, wie der Krieg in der Ukraine beendet werden soll. Dies ist für die verschiedenen rechten Parteien aktuell eine der Kernfragen, die sie entzweien oder sie daran hindern, wirkungsvoll eine echte „Rechte Internationale“ zu bilden.

Eine koordinierte Rechte wäre in Brüssel eine Macht

Im Europäischen Parlament in Brüssel ist es den rechten Parteien nicht gelungen, eine einheitliche Fraktion zu bilden. Stattdessen gibt es zwei große konkurrierende rechte Fraktionen: die europaskeptische ECR und die stärker rechtsgerichtete ID-Fraktion; zusätzlich ein Dutzend nicht zugehöriger Abgeordneter der ungarischen Fidesz-Partei, die aus der Mitte-Rechts-Partei Europäische Volkspartei (EVP) ausgeschlossen wurde. Alle diese Fraktionen sind gegen die Bildung eines europäischen Superstaates, der die Nationalstaaten ersetzen soll, und sie alle sind gegen die gesellschaftlichen Umerziehungsprojekte der Linken.

Wenn sie sich zusammentun würden, könnte eine verbündete Rechte von insgesamt 705 Sitzen im Brüsseler Parlament leicht rund 150 erringen und damit die zweitgrößte Fraktion direkt hinter der Europäischen Volkspartei werden – der Fraktion, die hinter der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyens steht. Eine kombinierte Rechte könnte weitaus größer sein als die Fraktion der Sozialisten und Demokraten (S&D).

Es ist jedoch unwahrscheinlich, daß es zu einer Vereinigung aller rechten Parteien kommt. Es gibt zu viele Meinungsverschiedenheiten. Während der Eurokrise betrafen diese Differenzen vor allem den Euro, die EZB-Politik sowie steuerliche Transferzahlungen und Subventionen, und jetzt, seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine, gibt es große Meinungsverschiedenheiten über die Außenpolitik und Rußland.

Streitpunkt Ukraine-Krieg

Einige rechtsgerichtete Parteien sind entschieden für die Nato und unterstützen die außenpolitische Linie der USA. Polens konservative PiS-Partei ist der lautstärkste Befürworter umfangreicher Waffenlieferungen für den Kampf der Ukraine gegen Rußland. Paradoxerweise findet die national-konservative, woke-feindliche Regierung in Warschau viele außenpolitische Gemeinsamkeiten mit der woken Biden-Regierung, die die Gefälligkeiten nicht erwidert und LGBT-Proteste in Warschau gegen die PiS-Regierung unterstützt hat.

Auch andere rechtsgerichtete Politiker stehen fest an der Seite der Ukraine. Die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni hat dies deutlich gemacht: Sie hält an ihrer Unterstützung der Nato fest. Andererseits hat Ungarns Viktor Orbán –  mit dem sowohl Giorgia Meloni als auch Santiago Abascal von VOX gut befreundet sind – mit seiner Unterstützung gezögert. Und viele andere rechte Parteien wie die deutsche AfD sind gegen Waffenlieferungen, weil sie befürchten, daß der Krieg eskalieren und zu einem gesamteuropäischen Konflikt werden könnte – einem Krieg Rußlands gegen den Westen, der auf mitteleuropäischem Boden geführt wird. Einige rechte Kräfte hegen auch offene Sympathien für Rußland.

Ukrainer sind keine Regenbogenkrieger, sondern nationalistische Patrioten

Teilweise ist die Skepsis gegenüber dem Krieg eine Reaktion auf die ausufernde Begeisterung der Linken für den Konflikt. Die deutschen Grünen haben sich von glühenden Pazifisten zu reglerechten Kriegstreibern gewandelt; Linke, die sich geweigert haben, in der Armee zu dienen, fordern nun markig die tödlichsten Panzer, Kampfjets und Langstreckenraketen für die Ukraine. Man könnte argumentieren, daß ihre Haltung irrational und inkonsequent ist, denn sie widerspricht ihrer ansonsten antinationalen Haltung, und die Ukrainer führen einen nationalistischen Kampf zur Verteidigung ihres Heimatlandes. Die Ukrainer an der Front sind keine Regenbogenkrieger, sondern nationalistische Patrioten, etwas, was die Linke normalerweise verabscheut.

Aber da die Unterstützung für die Ukraine in den Augen vieler nun mit anderen woken Anliegen wie Vielfalt, LGBT-Rechten und dem Rest der globalistischen Agenda der Biden-Administration verwoben ist, glauben von den europäischen Rechten einige, daß Rußland eine Gegenmacht zum woken Westen sein könnte. Jahrelang pflegten einige europäische Rechtsparteien, wie die österreichische FPÖ und Frankreichs Nationale Sammlungsbewegung (RN), enge Beziehungen zu Putins Partei. Die Partei von Le Pen erhielt sogar einen großen Kredit von einer mit Russland verbundenen Bank.

Viele bedauern dies inzwischen. Im Rassemblement National (RN) räumte der junge Präsident Jordan Bardella „eine allgemeine Naivität“ bezüglich Putins Absichten mit dem RN ein. Seit der russischen Invasion ist die Partei etwas von ihrem traditionell prorussischen Kurs abgewichen und hat sich verpflichtet, die Ukraine zu unterstützen, ohne dabei in übertriebene kriegerische Rhetorik zu verfallen.

Wo ist die gemeinsame europäische Sicherheitspolitik?

Andere rechte Bewegungen sind jedoch noch verworrener. In einigen Teilen der europäischen Rechten findet man seltsame neo-neutralistische Ideen und sogar völlig naive pazifistische Träumereien. Einige befürworten „eurasische“ Konzepte, andere phantasieren von einer Auflösung der Nato, ohne eine realistische Antwort auf die Frage zu geben, was sie ersetzen könnte. Diese Stimmen, auch wenn sie relativ unbedeutend sind, überlagern die Debatte und verdeutlichen gleichzeitig die Notwendigkeit eines glaubwürdigen und realistischen Ansatzes für eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik.

Der Rechten in Europa fehlt ein solches Sicherheitskonzept. Es fehlt an seriösen Denkfabriken und sicherheitspolitischen Vordenkern, die eine Diskussion über eine künftige europäische Sicherheitsarchitektur führen könnten, die weniger abhängig vom dominanten Einfluss Washingtons wäre. Während die kulturelle und militärische Hegemonie der USA weltweit schwindet, scheint die EU nicht in der Lage zu sein, eine echte außenpolitische Kraft zu werden, die in der Lage ist, ihre geopolitischen Interessen zu formulieren und zu vertreten. Erstens fehlt es ihr an der notwendigen militärischen Macht, zweitens an einer klaren Vorstellung von ihren geopolitischen Interessen. Einige Linke lehnen sogar ab, daß man geopolitische Interessen verfolgen sollte, die über die weltweite Verbreitung der Menschenrechte hinausgehen.

Deutschland als abschreckendes Beispiel für eine mangelnde Strategie

Dafür ist das wirtschaftliche Schwergewicht Deutschland mit seiner selbstmörderischen militärischen Schwäche auf dem Kontinent ein Paradebeispiel. Die industrielle Großmacht leidet jetzt unter der irrationalen grünen Energiepolitik sowie schrumpfender traditioneller Wirtschaftszweige wie der Autoindustrie. Es ist ein Land, das in Bezug auf seine Strategie völlig verunsichert ist. Deutschland hat schon immer Ressentiments bei seinen europäischen Nachbarn hervorgerufen, die sich aus Berlin bevormundet fühlen und ihrerseits nach Wegen suchen, Deutschland in der EU zum Zahlmeister zu machen und an den Nasenring zu legen.

Gleichzeitig hat Deutschland die meisten (irregulären) Migranten angezogen und den Kontinent mit einer irrationalen, hypermoralischen Politik der offenen Grenzen destabilisiert. Mit seinen großzügigen Sozialleistungen ist „Germoney“ Hauptmagnet für Migranten. Und Berlin überläßt die Drecksarbeit, die Außengrenzen zu sichern, anderen EU-Staaten in Südeuropa, während es ihnen gleichzeitig Rassismus vorwirft, wenn diese ihre Grenzen robust schützen.

Jahrzehntelang hat Deutschland blauäugig geglaubt, es brauche weder Grenzen noch ein ordentliches Militär. Die Bundeswehr befindet sich nach 30 Jahren der Unterfinanzierung in einem erbärmlichen Zustand. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hatte Recht, als er den Europäern und insbesondere den Deutschen vorwarf, sich in Verteidigungsfragen zu verzetteln und zu wenig zu investieren.

Grüne Außenpolitik als peinliche Mischung aus Dummheit und Arroganz

Nach dem Einmarsch Rußlands in die Ukraine kündigte Bundeskanzler Scholz eine „Zeitenwende“ an, ein Wendepunkt in der Geschichte. Er versprach mehr Investitionen in Sicherheit und die Armee, die aber noch nicht erfolgt sind. Man hoffte auch auf eine realistischere Außenpolitik. Doch diese Hoffnung hat sich zerschlagen. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen, eine relativ junge Politikerin, rühmt sich ihres „feministischen“, menschenrechtsorientierten Ansatzes. Leider ist Baerbock obendrein sehr unerfahren und stümperhaft.

Im Januar erklärte sie aus heiterem Himmel: „Wir führen einen Krieg gegen Rußland“, eine Aussage, die ihre Berater schnell als „Übersetzungsfehler“ abtaten. Glücklicherweise nehmen im Ausland nicht allzu viele ihre Worte ernst. Baerbock wird in Deutschland von vielen als Witzfigur betrachtet. Ihre Fehler in der englischen Sprache werden regelmäßig verspottet. Ende Juni beglückwünschte sie Südafrika in Pretoria zu einem „Speck (!) der Hoffnung“ („bacon (!) of hope“ statt „beacon of hope“, Deutsch: „Leuchtfeuer der Hoffnung“). Die deutschen Grünen sind ein Beispiel für eine peinliche Mischung aus Dummheit und Arroganz, während sie andere darüber belehren, wie man zu aufgeklärten, modernen, vielfältigen und postnationalen Weltbürgern wird.

Das Kernproblem unserer Schwäche ist Deutschlands gebrochene nationalen Identität

Jahrzehntelang gaben sich Deutschlands linksliberale Intellektuelle sowie politische Eliten dem Traum einer pazifistischen, multikulturellen und postnationalen Identität hin, wie sie der Philosoph Jürgen Habermas vertrat. Berlin zeigte eine moralisch arrogante Haltung und sogar Schikanen gegenüber jenen, die diese Ideen nicht teilen und die sich der Massenmigration und der fortschrittlichen Agenda widersetzen – wie Ungarn und Polen. Das ist jedoch nach hinten losgegangen und hat Ressentiments gegenüber Deutschland verstärkt.

Das Kernproblem liegt in einer gebrochenen nationalen Identität Deutschlands, das nicht in der Lage ist, sich als „normale Nation“ mit nationalen Interessen zu sehen. Daher ist Deutschland auch unfähig zu verstehen, warum andere Nationen – die Osteuropäer, Italiener, Spanier, Franzosen und so weiter – Nationen sein wollen und ihre Nationalstaaten, ihre Unabhängigkeit und Selbstverwaltung bewahren wollen. Die deutschen Eliten blicken heute entsetzt auf die Zunahme rechter Regierungen in mehreren Nachbarländern. Aber Deutschland sollte sich stattdessen endlich selbst mit seiner eigenen Identität abfinden und aufhören, mit postnationalen Phantasien der Wirklichkeit zu entfliehen.

Europa muß sich von unbesonnenen US-Militärabenteuern emanzipieren – zur Nato gibt es jedoch keine Alternative

Europa wird sich verändern, wenn sich das politische Gleichgewicht in Richtung konservativer, realistischer Positionen verschiebt. Gleichzeitig entwickelt sich die Welt von der amerikanischen Vorherrschaft hin zu einem multipolaren geopolitischen System, in dem China die USA herausfordert. Dies stellt auch Europa vor große Herausforderungen, insbesondere Deutschland, dessen Industrien bereits gefährlich abhängig vom chinesischen Markt geworden sind, zum Beispiel die Automobilbranche. Europa muß eine Sicherheitsstrategie entwickeln, die Wettbewerbsfähigkeit, größere Innovationskraft und Widerstandsfähigkeit fördert und gleichzeitig die Abhängigkeit von chinesischen Märkten und kritischen Rohstoffen verringert.

Ein Wort zuletzt zur Nato: Europa kann das Bündnis mit den USA nicht aufgeben, da dies die militärischen und wirtschaftlichen Schwächen Europas bloßstellen und interne Rivalitäten oder Kämpfe um die Vorherrschaft verschärfen könnte. Aber Europa muß sich von unbesonnenen interventionistischen US-Militärabenteuern emanzipieren. Wir sollten zurückhaltender werden und uns mehr auf die Lösung unserer eigenen europäischen Probleme konzentrieren – und Amerika sollte das auch tun.

>> Dieser Artikel ist erschien zuerst in der Juli/August-Ausgabe des Magazins von The American Conservative.

Marine Le Pen, Alice Weidel, Georgia Meloni und Viktor Orban: Aug der Erfolgsspur Fotos: Picture Alliance / dpa /// Montage. JF
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