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Rußland nach dem Putschversuch: Moskaus Blöße

Rußland nach dem Putschversuch: Moskaus Blöße

Rußland nach dem Putschversuch: Moskaus Blöße

Rußlands Präsident Wladimir Putin spricht in Moskau: Folgen ihm seine Zuhörer noch?
Rußlands Präsident Wladimir Putin spricht in Moskau: Folgen ihm seine Zuhörer noch?
Rußlands Präsident Wladimir Putin spricht in Moskau: Folgen ihm seine Zuhörer noch? Foto: picture alliance/dpa/TASS | Mikhail Tereshchenko
Rußland nach dem Putschversuch
 

Moskaus Blöße

Die Revolte in Rußland ist abgwendet. Doch was folgt aus den chaotischen 24 Stunden des Wagner-Putsches? Daß die Vorgänge nicht folgenlos bleiben, ist sicher. Doch es gibt Auswege für Moskau aus der verfahrenen Situation. Ein Kommentar von Albrecht Rothacher.
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Die Ereignisse in Rußland wirken unglaublich, auch wenn über die Hintergründe bislang nur spekuliert werden kann. Da meutert ein krimineller Söldnerführer, als milliardenschwerer Oligarch ein Emporkömmling des Putin-Regimes, mitten in einem Grenzkrieg gegen die Militärspitze sowie seinen Herrn, die er öffentlich beschimpft und der Lüge zum Zwecke der ukrainischen Invasion bezichtigt. Er besetzt ohne Gegenwehr die Millionenstadt Rostow am Don, das Kriegshauptquartier und wichtigste Logistikzentrum der russischen Armee. Mit seinen 25.000 Mann beginnt er nach Moskau zu marschieren. Doch abgesehen von einem Hubschrauberangriff (der mit seinem Abschuß endet) verhält sich das russische Militär, immerhin 800.000 Mann stark, passiv.

Moskau geht in den Verteidigungsmodus. Putin taucht nach einer Videoaufnahme, indem er dem Verräter harte Strafen androht, ab. Ohnehin ist er sonst kaum noch im Kreml, sondern residiert in einem seiner befestigten Luxus-Paläste. Dann befiehlt Prigoschin seinen Truppen kehrt marsch. Nach der offiziellen Version hat Alexander Lukaschenko, seit 1994 von russischer Militär- und Wirtschaftshilfe abhängiger Diktator in Minsk, das erstaunlich unblutige Ende dieses Putschversuches vermittelt. Prigoschin ist mittlerweile im weißrussischen Exil. Sicher vor Putins Rache ist er dort nicht.

Läßt sich Moskau nun auf Verhandlungen ein?

Nun stellen sich die Fragen ein: War der Putschversuch ein Verzweiflungsakt, weil seine Söldner ins russische Militär eingegliedert werden sollten und er das Kommando verloren hätte? Gab er auf, weil die erwartete Unterstützung durch andere Funktionäre im Kreml ausblieb? Welche Folgen haben jene demoralisierenden 24 Stunden für die russische Ukraine-Front? Was passiert mit den Wagner-Truppen, die in Syrien, Libyen, im Sudan, in Zentralafrika und Mali für russische Macht- und Rohstoffinteressen das schmutzige Geschäft erledigen?

Noch spannender: Wie sehr ist Putin geschwächt? Könnten Leute aus seinem Machtapparat, die sich wegen des gründlich mißratenen Ukrainekriegs als Sündenböcke ebenso bedroht fühlen wie Prigoschin, sich nun alsbald verschwören? Es wäre nicht die erste tödliche Verschwörung hinter den Kremlmauern. Zu hoffen ist, daß Putins Schwäche ihn dazu treibt, auf die Vielzahl der Friedensvermittlungsangebote von Lula da Silva über den Heiligen Vater bis Macron seriös einzugehen. Ein gesichtswahrender Ausgang ist keine Hexerei: Ein Waffenstillstand, Demilitarisierung der umstrittenen Oblaste und der Krim, Uno-Blauhelme und eine Volksabstimmung unter internationaler Aufsicht. Alles schon gehabt: vor gut hundert Jahren in Nordschleswig, Oberschlesien, Ostpreußen, dem heutigen Burgenland und in Kärnten.

JF 27/23 

Rußlands Präsident Wladimir Putin spricht in Moskau: Folgen ihm seine Zuhörer noch? Foto: picture alliance/dpa/TASS | Mikhail Tereshchenko
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