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Krieg in Osteuropa: Der Wagner-Putsch erschüttert Rußland

Krieg in Osteuropa: Der Wagner-Putsch erschüttert Rußland

Krieg in Osteuropa: Der Wagner-Putsch erschüttert Rußland

Kämpfer der Wagner-Gruppe sitzen in ihrem Panzer während des Putschversuches in Rostov am Don.
Kämpfer der Wagner-Gruppe sitzen in ihrem Panzer während des Putschversuches in Rostov am Don.
Kämpfer der Wagner-Gruppe sitzen in ihrem Panzer während des Putschversuches in Rostov am Don Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited
Krieg in Osteuropa
 

Der Wagner-Putsch erschüttert Rußland

Der Spuk des Wagner-Putsches in Rußland ist vorbei. Was bleibt, sind viele Fragen zu den Ereignissen des Wochenendes, die zeitweise äußerst dramatisch waren. Was sagt all das über den Zustand von Kreml-Chef Putin aus?
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Der 23. Juni 2023 wird als ein Datum in die russische Geschichte eingehen, der Stoff für Verschwörungstheorien und Filme bietet. An diesem Tag begann Jewgeni Prigoschin, ehemaliger Sträfling, der in der sterbenden Sowjetunion etliche Jahre als junger Mann im Gefängnis saß, seine Revolte. Als „Koch“ Putins bekannt, der in den 90er und 2000er Jahren durch seine Kontakte zu Wladimir Putin lukrative Aufträge als Caterer des Kremls und dann der russischen Streitkräfte erhielt, gelang ihm in den vergangenen Jahrzehnten der Aufstieg zum Oligarchen und zu einem der undurchsichtigsten Männer im Netzwerk des Kremls.

Diese intime Position verschaffte ihm nicht nur unmittelbaren Zugang zum russischen Machtapparat, sondern auch die Mittel und Möglichkeiten, die Wagner-Gruppe zu gründen; eine private Militärfirma, die in Konflikten weltweit auf der Seite Moskaus kämpfte. Mindestens seit 2014 agieren Prigoschins Söldner, gefördert mit modernsten Waffen direkt aus den Arsenalen der russischen Streitkräfte, im Donbass und auch sonst überall auf der Welt für die geopolitischen Interessen Rußlands.

Mit dem Beginn des Ukraine-Krieges 2022 wuchs Prigoschins politische Bedeutung dramatisch an. Er wurde vor allem durch den brutalen Einsatz seiner Sträflingseinheiten bei Bachmut weltweit bekannt. Teilweise waren es über Monate nur seine Wagner-Truppen, die teuer erkaufte und blutige Siege zu vermelden hatten. In den zurückliegenden zehn Monaten mischte er immer häufiger in der Politik mit, drehte Videos für die russische Telegram-Kanäle, beschimpfte Verteidigungsminister Sergej Shoigu und auch andere Militärs, die er als dumm und unfähig bezeichnete. In Kreisen etlicher russischer Nationalisten wuchs sein Ansehen durch die unerbittliche Bereitschaft, diesen Krieg für Rußland zu gewinnen und auch Tabuthemen wie Korruption in den eigenen Reihen anzusprechen.

Angeblicher Angriff auf Wagner-Lager ist Startschuß

Prigoschins Putschversuch wurde durch ein 30minütiges Video eingeleitet, in dem er Verteidigungsminister Shoigu scharf kritisierte. Er warf ihm vor, den Krieg gegen die Ukraine aus persönlichen Gründen begonnen zu haben und daß die von Moskau genannten Kriegsgründe reine Propaganda und Lügen seien. Die Ukraine habe keinen Völkermord an den russischsprachigen Menschen in der Ostukraine begangen, noch hätte sie die Fähigkeit und Absicht gehabt, die Separatistengebiete zurückzuerobern. Prigoschin beschuldigte Shoigu zudem, das Leben der russischen Soldaten in der Ukraine zu verschwenden und den Krieg so zu führen, daß er verloren gehe.

Wenige Stunden später kursierte ein Video auf den üblichen Telegram-Kanälen der Wagner-Gruppe, daß angeblich einen Raketenangriff auf ein Lager der Söldner zeigen soll. Brisant daran war die Behauptung von Prigoschin, daß Shoigu den Angriff befohlen hätte. Russische Streitkräfte hätten also angeblich Wagner-Söldner attackiert. Nicht wenige Analysten hegen Zweifel an der Echtheit der Aufnahmen, die weder Rückschlüsse auf den tatsächlichen Schaden, noch Opfer und Täter zulassen. Wahrscheinlich ist, daß der Angriff fingiert wurde und lediglich ein Vorwand war, um loszuschlagen. Klar ist jedenfalls, daß der augenscheinliche Putschversuch keine spontane Aktion war, sondern von langer Hand geplant gewesen sein muß.

Am Abend des 23. Juni begann Prigoschin seinen gewagten Aufstand, der sich angeblich vornehmlich gegen Verteidigungsminister Shoigu richtete, indem er mit (vermutlich) zehntausenden Söldnern die Stadt Rostow am Don im Handstreich besetzte und die dort stationierten russischen Soldaten gefangen nahm. Innerhalb von nur 24 Stunden war das gesamte Land in einem Zustand des Chaos. Am Morgen des folgenden Tages schien es, als ob Moskau kurz vor der Eroberung durch Prigoschins Söldnertruppen stand.

Wagner-Truppen stoppen kurz vor Moskau

Moskaus Reaktion erfolgte zunächst durch den Einsatz der Luftwaffe gegen die Wagner-Truppen. Die Gefechte zwischen den Söldnern und den russischen Streitkräften waren heftig. Die russischen Streitkräfte erlitten laut Aussagen von Wagner-Quellen schwere Verluste, darunter mindestens sechs Flugmaschinen, die von Prigoschins Truppen mit schultergestützten Luftabwehrwaffen abgeschossen wurden. Aufnahmen beweisen zumindest, daß es Kämpfe zwischen den beiden Parteien gab.

Bis zum Abend des 24. Juni war nicht klar, wie sich die Lage entwickeln würde. In Moskau wurden hektisch provisorische Barrikaden errichtet, um die vorrückenden Söldnertruppen aufzuhalten. Derweil befanden sich Tausende von Wagner-Truppen laut Medienberichten bereits auf dem Weg in Richtung Moskau und fegten hier und dort den schwachen Widerstand der russischen Nationalgarde, Rosgwardija, beiseite.

Nur wenige Autominuten vor der Hauptstadt endete das Wagner-Abenteuer jedoch plötzlich und unerwartet. Während Wladimir Putin bereits am Vormittag Wagner verurteilt und zum Kampf gegen seine Putschisten aufgerufen hatte, war der Spuk am Abend bereits vorbei. Prigoschin verkündete unerwartet das sofortige Ende aller Vormärsche auf Moskau und behauptete, man habe sich gütlich geeinigt. Wenige Stunden später zogen sich die Wagner-Truppen bereits wieder zurück und Prigoschin, so hieß es, wurde nach Belarus ausgeflogen.

Militärexperte sieht Putin durch Putsch geschwächt

Über den genauen Inhalt der Einigung wird viel spekuliert. Und vielmehr noch bleibt die Frage, warum man überhaupt einen derartigen Putschversuch startet, wenn man augenscheinlich nicht bereit ist, ihn bis zum Ende durchzuziehen. Nicht wenige Rußlandkenner vermuten bereits, daß Prigoschin mit seinem Nachgeben sein eigenes Todesurteil unterschrieben hat.

Die sich hartnäckig haltende These, wonach es sich bei dem Putsch um eine Inszenierung des Kremls handelte, um zu testen, wer treu zu Putin stehe, überzeugt aus verschiedenen Gründen nicht. Der Militärexperte Alexander Jag kommentierte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT: „Der Schaden innen- sowie außenpolitisch übersteigt einen möglichen Nutzen mehrfach. Der Imageschaden für Putin und sein Umfeld ist immens.“ Auch habe die Verwirrung und das zeitweilige Chaos zu einem Vertrauensverlust innerhalb der russischen Armee geführt.

Für den leitenden Mitarbeiter des Sicherheits- und Beratungsunternehmens Global AG ist die russische Führung um Putin geschwächt aus den jüngsten Ereignissen hervorgegangen. „Was wir sahen, ist das was es war. All die Verschwörungstheorien rund um den Putsch sind reine Schadensbegrenzung, die Zweifel über die Stabilität der Regierung innerhalb des Volkes und unter ausländischen Partnern, wie beispielsweise China und dem Iran, verhindern sollen.“

Klar ist nur, daß die politischen Verhältnisse in Rußland alles andere als stabil sind. Das Militär ist von Machtkämpfen zerfressen, von Korruption geschwächt und durch die vielen Warlords (Kriegsherren), von denen Prigoschin nur einer ist, gespalten. Was das am Ende alles gebracht haben soll und welchen Zweck es hat, ist als Beobachter nur zu mutmaßen. Auch wenn Wladimir Putin offensichtlich den Karren gerade noch aus dem Dreck ziehen konnte, werfen die chaotischen Ereignisse kein gutes Licht auf die innere Verfaßtheit Rußlands.

Kämpfer der Wagner-Gruppe sitzen in ihrem Panzer während des Putschversuches in Rostov am Don Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited
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