Die Befunde der Meinungsforschungsinstitute sind eindeutig: Zentrale Projekte der Ampel-Regierung werden von einer großen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. So sind laut Trendbarometer von RTL und n-tv zwei Drittel der Befragten gegen den Ausstieg aus der Kernenergie. Darunter befürwortet ein Viertel sogar die Wiederinbetriebnahme stillgelegter Atomkraftwerke.
Ähnlich sieht es bei der Migrationspolitik aus. Hier sind laut einer jüngsten Civey-Umfrage für Focus online sogar 74 Prozent der Bevölkerung der Meinung, daß Deutschland zu viele Flüchtlinge aufgenommen hat. Lediglich sieben Prozent wollen noch mehr „Schutzsuchende“ ins Land lassen, während eine überwältigende Mehrheit von 83 Prozent davon Probleme in Bezug auf Wohnungsmarkt, innere Sicherheit und Kosten des Sozialstaates erwartet.
Auch die ohnehin geringe Begeisterung für das Gendern scheint trotz des penetranten Gebrauchs in Rundfunk und Presse eher zu sinken. Darauf weist jedenfalls eine Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag des WDR hin. Demnach finden nur 16 Prozent der Bevölkerung „gendergerechte Sprache“ wichtig. Dagegen spielt sie für zwei Drittel der Befragten kaum eine oder nur eine geringe Rolle, das sind deutlich mehr als vor zwei Jahren.
Die Ampel macht einfach weiter wie bisher
Man sollte meinen, ein so eindeutiges Meinungsbild müsse auch Wirkung auf die Politik haben. Davon kann aber keine Rede sein, die Ampel macht einfach weiter wie bisher. So wurden vergangenen Samstag tatsächlich die letzten drei Atomkraftwerke abgeschaltet, ein laut Wirtschaftsminister Habeck „unumkehrbarer“ Beschluß. Auch an eine Revision der Flüchtlingspolitik ist nicht zu denken, im Gegenteil. Täglich kommen rund 1.000 neue Migranten nach Deutschland, und die Hürden dafür werden von der Regierung weiter gesenkt.
Trotz des weitgehenden Versagens in solch zentralen Politikfeldern regt sich jedoch kaum Protest gegen die Ampel-Regierung. Selbst die für viele existenzgefährdenden Pläne zur Zwangssanierung von Wohnungen im Dienste des Klimaschutzes werden weitgehend widerspruchslos hingenommen. Zwar schimpft fast jeder im privaten Gespräch über den grünen Irrsinn, für kaum meßbare Effekte auf das Weltklima ein gesamtes Land zu ruinieren. Aber im öffentlichen Meinungsbild taucht ernsthafter Protest kaum auf, nicht einmal bei den einschlägigen Verbänden.
So fordert zwar der Eigentümerverein Haus und Grund ebenso wie viele unabhängige Ökonomen einen Kurswechsel in der Energiepolitik der Ampel. Er macht auch durchaus sinnvolle Vorschläge dafür – die übliche Lobbyarbeit eben. Aber Widerstand zu organisieren oder gar gerichtlich gegen die Pläne von EU und Regierung vorzugehen, scheint niemandem in den Sinn zu kommen. Dabei greifen diese in bisher beispielloser Weise in das grundgesetzlich garantierte Eigentumsrecht ein. Zusätzlich verletzen sie andere wichtige Rechtsstaatsprinzipien, insbesondere das Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel.
Bürgerlicher Protest wird schnell diffamiert
So müssen etwa bei der von der EU beschlossenen Zwangsdämmung von Wohnungen 2.000 Euro und mehr pro eingesparter Tonne CO2 aufgewendet werden. Der gleiche Effekt ließe sich aber mit anderen Maßnahmen zu einem Bruchteil dieser Kosten erreichen, wie der bei nur 90 Euro liegende Preis der EU-Emissionsrechte beweist. Es werden also Menschen ohne Not faktisch enteignet – und dennoch bleibt es erstaunlich ruhig.
In den sozialen Medien heißt es oft, die Bürger seien eben dumm und bekämen jetzt nur, was sie gewählt haben. Aber so einfach ist es nicht. Zunächst neigt das bürgerliche Milieu, das in erster Linie unter den Folgen der links-grünen Politik zu leiden hat, wenig zum öffentlichen Demonstrieren. Zum einen ist man dort beruflich meist stark engagiert und hat somit anderes zu tun, als mit Plakaten auf die Straße zu gehen. Zum anderen käme das bei Kunden und Geschäftspartnern auch oft nicht gut an.
Es hat ja durchaus bürgerliche Protestbewegungen gegeben, etwa gegen eine drohende Islamisierung Deutschlands (Pegida) oder gegen die Corona-Politik. Beide galten aber sehr schnell als „rechts“ oder zumindest rechts unterwandert, was ein hohes Risiko für bürgerliche Teilnehmer bedeutet. Denn anders als bei linken Demos, die kaum weniger von radikalen Kräften genutzt und organisiert werden, ist „rechts sein“ hierzulande ein soziales K.o.-Kriterium. Als Künstler wird man nicht mehr engagiert, als Geschäftspartner gemieden, als Bewerber aussortiert und als Nachbar schief angeguckt. Kein Wunder also, daß sich viele nicht mehr öffentlich zu dem bekennen, was sie politisch wirklich denken.
Veränderung braucht Vorreiter
Daraus entsteht ein fataler Teufelskreis der öffentlichen Meinung. Aus zahlreichen Untersuchungen ist bekannt, daß sich 70 bis 80 Prozent der Journalisten in Deutschland links der Mitte verorten. Etwa 60 Prozent der Volontäre des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wählen die Grünen. Das schlägt sich nicht nur in der politischen Färbung des Programms nieder. Es hemmt auch den Aufstieg politischer Gegenströmungen. „Esse est percipi“ („Sein ist Wahrgenommenwerden“), sagte bereits im 18. Jahrhundert der englische Philosoph George Berkeley. So sei zum Beispiel die Farbe Blau gar nicht existent in einem relevanten Sinne, wenn es niemanden gibt, der sie sehen kann. Das gilt eben auch politisch.
Alle Parteigründungen rechts der Mitte nach der AfD, von Bernd Luckes Alfa bis zu Frauke Petrys Blauer Partei, sind kläglich verdorrt, vor allem mangels medialer Beachtung. Dagegen strahlt die Farbe Grün sowohl in den Medien als auch in den Lehrbüchern meist in den leuchtendsten Farben. Das wiederum hat Auswirkungen auf das Weltbild der nachrückenden Generation.
Erstaunlicherweise denkt der Großteil der Bevölkerung dennoch anders, traut sich aber nicht, dies auch zu zeigen. Dahinter steckt ein spieltheoretisches Dilemma, ähnlich wie bei fehlender Zivilcourage. Oft wird ja beobachtet, daß Zeugen eines Verbrechens nicht eingreifen, obwohl sie es gemeinsam durchaus erfolgreich tun könnten. Aber jeder einzelne von ihnen scheut das Risiko, voranzugehen und dabei womöglich ohne Unterstützung selbst zu Schaden zu kommen. Um den Willen und die Kraft der Mehrheit tatsächlich umzusetzen, bräuchte es daher einiger fähiger und zugleich mutiger Vorreiter. Derzeit sind davon in der Politik allerdings nicht viele zu sehen.