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Erleichterung von Einbürgerungen: Ein neues Volk schaffen

Erleichterung von Einbürgerungen: Ein neues Volk schaffen

Erleichterung von Einbürgerungen: Ein neues Volk schaffen

Einbürgerung eines Mannes aus Kamerun: Nach dem Willen der Ampelkoalition sollen Einwanderer schneller die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können und so Teil des deutschen Volkes werden
Einbürgerung eines Mannes aus Kamerun: Nach dem Willen der Ampelkoalition sollen Einwanderer schneller die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können und so Teil des deutschen Volkes werden
Einbürgerung eines Mannes aus Kamerun: Nach dem Willen der Ampelkoalition sollen Einwanderer schneller die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können Foto: picture alliance / dpa | Julian Stratenschulte
Erleichterung von Einbürgerungen
 

Ein neues Volk schaffen

In der Debatte um mögliche Änderungen des Staatsbürgerschaftsrechts werden häufig verfassungsrechtliche Grundtatsachen systematisch in den Hintergrund gedrängt. Den Vätern und Müttern des Grundgesetzes stand 1949 ein klarer Volksbegriff vor Augen, den damals niemand anzweifelte. Ein Kommentar von Ulrich Vosgerau.
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Seit Jahren schon schrauben die politischen Verantwortlichen die Anforderungen an den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft kontinuierlich herab. Bis vor kurzem beteiligte sich auch die CDU/CSU federführend daran. Gleichzeitig jedoch werden in der Debatte um mögliche Änderungen des Staatsbürgerschaftsrechts häufig verfassungsrechtliche Grundtatsachen systematisch in den Hintergrund gedrängt.

Das Grundgesetz unterscheidet zwischen den verfaßten Staatsgewalten (Legislative, Exekutive, Judikative) und der verfassungsgebenden Gewalt, eben dem Volk. Auch der verfassungsändernde Gesetzgeber ist verfaßte Gewalt und kann das Grundgesetz nicht abschaffen oder seine wesentlichen Grundsätze ändern, was in der Selbstbestimmungsgarantie des Grundgesetzes (Artikel 79 Abs. 3) festgeschrieben ist.

Wenn also alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht (Artikel 20 Abs. 2 Grundgesetz), das allein verfassungsgebende Gewalt ist (Präambel und Artikel 146 Grundgesetz), folgt daraus zwangsläufig: selbst der verfassungsändernde Gesetzgeber, schon gar nicht der einfache Gesetzgeber, kann dieses Volk, das als Legitimationssubjekt Staatsgewalt und Verfassung vorgelagert ist, austauschen und sich eine neue verfassungsgebende Gewalt suchen oder herbeidefinieren. Wer ist aber das „Volk“ im Sinne des Grundgesetzes?

Seinsmäßig bestehende Kulturgemeinschaft

Das Grundgesetz definiert den Begriff nicht näher, sondern setzte ihn 1949 als offensichtliche Selbstverständlichkeit voraus. Wenn neuerdings teils behauptet wird, das Grundgesetz definiere das Volk zwingend und ausschließlich als den Inbegriff aller Staatsangehörigen, so ist dies unzutreffend. Das beweist schon Artikel 116 Grundgesetz, der sowohl Staatsangehörige wie auch Volkszugehörige als Deutsche ausweist.

Die Umdeutung dürfte darauf abzielen, dem Gesetzgeber bei der Reform des Staatsangehörigkeits- und Einwanderungsrechts keine verfassungsrechtlichen Grenzen mehr zu setzen und dem Gesetzgeber, der doch eigentlich vom Volkswillen abhängig sein soll, zu ermöglichen, das Volk auflösen und sich neu wählen zu können.

Den Vätern und Müttern des Grundgesetzes stand 1949 ein klares Bild vor Augen, das damals niemand anzweifelte – auch nicht Sozialdemokraten oder Kommunisten. Seit 1913 galt nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz grundsätzlich das Abstammungsprinzip. Für das Grundgesetz ist das deutsche Volk eine seinsmäßig bestehende, dem Grundgesetz vorgelagerte und keineswegs erst durch Gesetze konstruierte Abstammungs- und Kulturgemeinschaft. Dies hat die Naturalisation von Ausländern niemals ausgeschlossen; Voraussetzung war aber in der Regel die Assimilation. Freilich kann dies heute – im Zeichen einer jahrzehntelangen demographischen Krise, dem Fachkräftemangel und dem Bedarf nach qualifizierten Einwanderern, die man nicht sämtlich der angelsächsischen Welt überlassen sollte – so nicht mehr aufrechterhalten werden.

Erleichterung der Einbürgerung geplant

Trotzdem muß unter dem Grundgesetz, eben zur Vermeidung des Austauschs der verfassungsgebenden Gewalt, das Abstammungsprinzip die Regel, die Naturalisation besonders begabter Köpfe hingegen die Ausnahme bleiben. Diesem Grundsatz arbeitet die Politik seit Jahrzehnten systematisch entgegen. Zur Hilfe eilen dabei Akteure wie die Bertelsmann-Stiftung, die propagieren, es könne gar nicht genug Einwanderung und Einbürgerung geben.

Die nun von der Ampelkoalition geplanten Erleichterungen der Einbürgerung stehen in einem Kontinuum mit der von Union, FDP, SPD, Grünen und Linkspartei spätestens seit der rot-grünen Reform des Staatsangehörigkeitsrechts von 1999 befürworteten und vorangetriebenen Politik. Daß nun einzelne FDP-Politiker unter dem Eindruck verheerender Umfrage- und Landtagswahlergebnisse sich öffentlich gegen die Reform wenden, muß eigentlich verwundern, setzt die Gesetzgebungsinitiative doch im wesentlichen die Verabredungen des geschlossenen Koalitionsvertrages um.

Auch in der Union rumort es. Eine Gruppe von 20 CDU-Parlamentariern um Armin Laschet bekennt sich zum rot-grünen Einbürgerungsrecht. Friedrich Merz läßt die Merkelianer nicht etwa umgehend in die Elbe werfen, sondern will ihre Anregungen sogar aufnehmen. Der CDU-Chef fällt jedesmal um, wenn man ihn öffentlich darauf aufmerksam macht, daß seine politischen Ansichten vom Programm der Grünen und den Erkenntnissen der Bertelsmann-Stiftung nicht gedeckt sind. Recht haben die rot-grünen Unionisten jedenfalls damit, daß die geplante Reform die während der Merkel-Ära bereits erfolgten Erleichterungen der Einbürgerung eigentlich folgerichtig fortschreibt.

Einwanderung in die Sozialsysteme

Tatsächlich legalisiert die neue Linie, abgelehnte, aber bislang geduldete Asylbewerber nicht abzuschieben, sondern einzubürgern, nur seit Jahren bestehende Zustände. Die von der Ampelkoalition ebenfalls im Koalitionsvertrag versprochene „Rückführungsoffensive“ ist bereits krachend gescheitert. Die Bundesrepublik schiebt in Staaten, aus denen die Asylbewerber kommen, ohnehin nicht ab, weil dies entweder die Politik aus humanitären Gründen so festlegt oder, tut sie das nicht, dann eben die Verwaltungsgerichte die Abschiebung unterbinden.

Der einzige Weg, unerwünschte Einwanderung in die Sozialsysteme zu unterbinden, besteht im menschenwürdegeleiteten Rechtsstaat des Grundgesetzes eben darin, die Einwanderungsaspiranten nicht ins Land zu lassen. Genau dies schreiben Artikel 16a Abs. 2 des Grundgesetzes und § 18 Absatz 2 des Asylgesetzes auch zwingend vor. Diese Vorschriften finden aber keine Beachtung mehr und können wohl auch gar nicht umgesetzt werden, solange Deutschland seine grünen Grenzen nicht in geeigneter Weise gegen die neue Völkerwanderung sichert.

Ein positiver Nebeneffekt der geplanten Einbürgerungsoffensive ist in dieser bestehenden Situation perspektivisch immerhin die weitgehende Abschaffung der Ausländerkriminalität. So wie bei Michael Ende im Land der Riesen definitionsgemäß alle Riesen sind – auch die eher Kleinwüchsigen – wird es im besten Deutschland, das es jemals gab, bald auch nur noch Deutschenkriminalität geben.

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Dr. habil. Ulrich Vosgerau ist Staats- und Verfassungsrechtler.

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Einbürgerung eines Mannes aus Kamerun: Nach dem Willen der Ampelkoalition sollen Einwanderer schneller die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können Foto: picture alliance / dpa | Julian Stratenschulte
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