„Alle Tiere sind gleich. Aber manche sind gleicher als die anderen“, heißt es in George Orwells „Farm der Tiere“ kurz bevor sich Schweine und Menschen gegenseitig hochleben lassen. Auf ähnlichen emotionalen Höhenflügen befindet sich die neue SPD-Fraktion im Bundestag. Einige der neuen Abgeordneten scheinen vor Kraft kaum laufen zu können, was verständlich ist, wenn man sich die Entwicklung der bis vor kurzem noch schwächelnden Sozialdemokratie hin zur stärksten Fraktion im Deutschen Bundestag anschaut.
Verständlich ist es da auch, wenn man diesen Moment auf einem schönen Foto festhalten will. 209 frischgewählte Sozialdemokraten, die Hälfte davon neu im Bundestag. Hach! An einen solchen Moment erinnert man sich noch in dreißig Jahren gerne zurück und zeigt die entsprechende Aufnahme in einem rührseligen Moment seinen Enkeln, während man ihnen erzählt, wie man es den Gaunern von der Union mal so richtig gezeigt hat. Was der Genosse Erzähler wahrscheinlich weglassen wird, ist der Fakt, daß im Paul-Löbe-Haus, in dem sich die SPD-Abgeordneten nach ihrer ersten Fraktionssitzung versammelt hatten, eine Corona-Verordnung galt.
„Pflicht zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske“
Konkret heißt es in der entsprechenden „Allgemeinverfügung des Präsidenten des Deutschen Bundestags“ unter Punkt 2: „Die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske gilt für alle Räume, einschließlich des Plenarsaals, der Sitzungssäle und Besprechungsräume, sowie für alle Verkehrsflächen und Aufzugsanlagen der Gebäude.“ Wie die Bundestagsverwaltung der JF bestätigt, gilt diese Regelung noch mindestens bis zum 31. Oktober.
Meine Tochter hatte vergangenes Wochenende nachgeholte Erstkommunion. In Kleingruppen aufgeteilt. 7 Kinder und der Pfarrer. Das Gruppenbild am Ende des Gottesdienst gab es nur mit Maske. Werde ihr jetzt erklären, daß manche eben gleicher sind. https://t.co/01UWsBWI7o
— Felix Krautkrämer (@krk979) September 30, 2021
Doch auf dem Foto der SPD-Fraktion trägt niemand eine Maske. Außer Karl Lauterbach, doch der dürfte ein ganz privates, nicht-medizinisches Interesse daran gehabt haben. Denn in der Corona-Pandemie avancierte der SPD-Mann, der übrigens nicht im Gesundheitsausschuß des Bundestags sitzt, sondern im Rechtsausschuß, zu einem der meistzitierten und meisteingeladenen Politiker Deutschlands. Was mit Lauterbach geschieht, wenn die Pandemie mal vorbei ist – oder zumindest aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwindet – weiß niemand. Er hat jedenfalls ein Interesse daran, immer wieder darauf aufmerksam zu machen: Achtung, wir befinden uns mitten in einer Pandemie, deshalb trage ich Maske.
Schüler und Erstkommunikanten müssen Masken auch bei Fotos tragen
Während SPD-Abgeordnete für ihre Fotos also munter die Regeln brechen, verzichten andere auf schöne Aufnahmen eindrücklicher Moment, weil es ihnen die Politik so auferlegt hat. Ob Erstkommunionsfeiern oder beim ersten Klassenfoto: Überall werden die fröhlichen Gesichter von Masken bedeckt – müssen bedeckt werden.
Mein Sohn, der am 15. September in München eingeschult wurde, kann von so einem Klassenfoto nur träumen. Sicher kann mir einer der Abgeordneten bei Gelegenheit erklären, warum im Bundestag möglich ist, was in deutschen Klassenzimmern bis heute verboten wird. #FreedomDay https://t.co/tRJ43HxWJC
— Jan Fleischhauer (@janfleischhauer) September 29, 2021
Die Corona-Pandemie sorgt ohnehin seit Beginn der damit begründeten Einschränkungen für eine politikinduzierte Spaltung hin zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft, vor der die Damen und Herren Abgeordneten in ihren Parlamentsreden so oft warnen. Vor kurzem einigten sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern darauf, daß ungeimpfte Angestellte im Falle einer Quarantäne ihren Lohn nicht fortgezahlt bekommen. Für Beamte gilt das nicht, sie werden weiterhin alimentiert. Und daß Ungeimpfte künftig vom sozialen Leben quasi ausgeschlossen werden, sofern sie nicht genug Kohle haben, sich ihre Tests selber zu zahlen, wissen heute auch schon Kinder und Jugendliche, weshalb sie sich manche von ihnen impfen lassen wollen – nicht aus medizinischen Gründen, sondern weil sie sich nicht wie Aussätzige fühlen wollen.
In „Farm der Tiere“ kommt es nach dem freundseligen Festessen zwischen Schweinen und Menschen übrigens zum Streit. Streit und Unmut, das ist es auch, was die Politiker der SPD mit so einem Verhalten erzeugen.