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Merkel und die Medien: Journalistische Liebesbriefe an die Kanzlerin

Merkel und die Medien: Journalistische Liebesbriefe an die Kanzlerin

Merkel und die Medien: Journalistische Liebesbriefe an die Kanzlerin

Merkel
Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Bundespressekonferenz Foto: picture alliance/AA
Merkel und die Medien
 

Journalistische Liebesbriefe an die Kanzlerin

Alte Liebe soll bekanntlich ja nicht rosten. Zumindest, was die Beziehung vieler Journalisten zu Angela Merkel angeht, scheint das Sprichwort auf jeden Fall zu stimmen. Die Romanze zwischen der Kanzlerin und ihrer Presse scheint in diesem Sommer so etwas wie einen dritten Frühling zu erleben. Ein Kommentar von Boris T. Kaiser.
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Alte Liebe soll bekanntlich ja nicht rosten. Zumindest, was die Beziehung vieler Journalisten zu Angela Merkel angeht, scheint das Sprichwort auf jeden Fall zu stimmen. Die Romanze zwischen der Kanzlerin und ihrer Presse scheint in diesem Sommer so etwas wie einen dritten Frühling zu erleben.

Wenn man die blumigen und schwärmerischen Beiträge betrachtet, mit denen so einige Medienvertreter das Wirken der deutschen Regierungschefin beim EU-Gipfel in Brüssel kommentieren, muß man gar befürchten, daß sich in den Redaktionen der großen einheimischen Medienhäuser an dem Tag, an dem die angehimmelte Kanzlerin einmal das Regierungszepter aus der Hand legt, Tragödien von wertherischem Ausmaß abspielen werden.

Selbst der US-Korrespondent des Spiegel, Roland Nelles, schrieb den Lesern in seiner Einschätzung zur Lage am Morgen: „Angela Merkel, einfach nicht kleinzukriegen“. Als Erkenntnis des EU-Gipfels in Brüssel bleibe, daß die Kanzlerin in Europa eine große Lücke hinterlassen werde, wenn sie im kommenden Jahr wie geplant abtreten sollte. „Anders als die sogenannten Sparsamen Vier (warum heißt es eigentlich nicht „Geizige Vier“?) hat Merkel gemeinsam mit Macron Führungsstärke und Weitsicht bewiesen.“

Glühende Begeisterung

Voller Sorge blickt der Spiegel-Mann aus seinem Büro in Washington auf eine merkellose Zukunft: „Es ist schwer vorstellbar, wie eine EU funktionieren soll, in der ein künftiger deutscher Kanzler oder eine Kanzlerin einen Ego-Trip à la Sebastian Kurz oder Mark Rutte veranstaltet. Es wäre ein Albtraum.“

Wie viel klüger, solidarischer und in jeder Hinsicht besser als die Führer anderer Nationen die deutsche Anführerin doch sei, lesen wir dieser Tage häufig im heimischen (inzwischen natürlich oft digitalen) Blätterwald. Daß deshalb nur Merkel und vielleicht eben noch ein bißchen Macron sagen können und sollen, wo es in Europa langgeht, scheint in hiesigen Medienkreisen inzwischen so selbstverständlich zu sein, daß die regierungsfreundliche Journaille aus ihrer Begeisterung keinen Hehl mehr macht. „Kurz vor Mitternacht knöpfte sich Merkel den niederländischen Premier vor“, schlagzeilte zum Beispiel der Focus. 

Noch liebesdoller ist man im Axel-Springer-Hochhaus, wo offenbar gerade an einer Berliner Fassung des Romantik-Kino-Klassikers „Schlaflos in Seattle“ gearbeitet wird. Bei Bild scheinen sie die Gegenwart von Angela Merkel so sehr zu genießen, daß sie die Brüssel-Heimkehrerin am Tag nach dem EU-Gipfel sogar zum Einkaufen begleiteten, um sie vor ihrem „Lieblings-Supermarkt in Berlin-Mitte“ zu fotografieren und anschließend zu berichten, daß „unsere Bundeskanzlerin“ „an diesem historischen Tag erstmal Shoppen“ gegangen ist. Mit so viel Euphorie über derartige Banalitäten zu schwadronieren, können sonst eigentlich nur frischverknallte Teenager und vielleicht noch die Springer-Kollegen von der anderen Etage.

Jubel-Presse

Die Welt ist mit ihrer Merkel-Berichterstattung längst mehr politischer Liebesbrief als ernstzunehmende Zeitung. Schlagzeilen wie: „Wut, Gebrüll, Machtspiele – und am Ende triumphiert Merkel“ kann man sich wohl sonst allenfalls noch in Nordkorea vorstellen, weil sie selbst den hierzulande viel gescholtenen russischen Staatsmedien eine Spur zu peinlich wären.

Der deutschen Jubel-Presse scheint dagegen offenbar schon lange nichts mehr peinlich. Nicht einmal, wenn sie aus der Tatsache, daß die Bundesrepublik auf Bitten und Betteln der eigenen Regierungschefin künftig etwa zehn Milliarden mehr in den EU-Haushalt einzahlen darf – es hätte schließlich ja noch mehr sein können – die Nachricht macht: „Merkel sichert Deutschland zusätzliche Milliarde“.

In weniger demokratischen Ländern muß die dortige Autokratie bei den Journalisten schon ziemlich die Daumenschrauben anziehen, um sie zu derartige Hymnen auf die Machthaber zu veranlassen. Die Bundeskanzlerin kann sich dagegen sicher sein, daß die hiesige Presse niemals zu einer Gefahr für ihre Regierung wird.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Bundespressekonferenz Foto: picture alliance/AA
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