Die Nato legte nach. Mit der Ausweisung von sieben russischen Diplomaten, der angekündigten Reduzierung der russischen Delegation bei der Nato in Brüssel von 30 auf 20 Mitglieder und der Nichtakkreditierung von drei Diplomaten verlieh das atlantische Militärbündnis dem Ausweisungskrieg zwischen Russland und dem Westen eine nachhaltige Note. Der Fall Skripal, der diesen diplomatischen Schlagabtausch auslöste, dürfte damit erstmal eine ernst zu nehmende Warnung für Moskau bedeuten nach dem Motto: Das war eine Windung zu viel, ihr habt überdreht.
Denn es geht nicht nur um den Mordanschlag an dem ehemaligen Doppelagenten im südenglischen Salisbury, es geht auch um die anhaltende Besetzung der Krim, den Abschuß eines Verkehrsflugzeugs, die Intervention in der Ostukraine, die Cyberangriffe auf den Bundestag und andere offizielle Stellen in Deutschland und Europa, die Einmischungsversuche bei Wahlen und andere Aktionen mehr, die seit Jahren das Faß der Beziehungen Moskaus zum Westen bis an den Rand gefüllt hatten. Der Fall Skripal war der berühmte Tropfen, der es zum Überlaufen brachte.
Malta, Zypern und Österreich verhindern eine einheitliche Linie
Putin wird sich die Reaktionen genau anschauen und schnell erkennen, wie viel Rhetorik nach innen, ins britische oder deutsche Publikum da mitspielt, wenn von einer „sehr eindrucksvollen europäischen Solidarität“ und einem „beeindruckenden Signal der Einheit“ die Rede ist. Das Signal der Einheit ist erfreulich, aber so bedeutsam nun auch wieder nicht. Die militärische Schwäche und Zersplitterung bleibt unverändert, trotz vieler Gremien und Ämter.
Auch die Geschäfte werden weiterlaufen wie gehabt. Am selben Tag der Ausweisung gab Deutschland grünes Licht für den Bau der Gas-Pipeline durch die Ostsee, die auch politisch weit bedeutsamer ist als die vier ausgewiesenen Diplomaten. Hier werden Abhängigkeiten geschaffen. Oder die Zurückhaltung Maltas und Zyperns, wo sich die Freunde Putins mit Millionenbeträgen ganz offiziell europäische Reisepässe kaufen – allein in Malta mehr als 1000 im vergangenen Jahr. Oder die Enthaltung Österreichs, das seine Kommunikationskanäle nach Osten, mithin sein Vermittlungspotential nicht schmälern oder gar gefährden will.
Schmerzhaft ist für Putin vermutlich die Schließung des Konsulats in Seattle. Es war ein fabelhafter Beobachtungsposten, der nun decouvriert worden ist und ihm zeigt, daß Washington auch unter Trump die militärischen und machtpolitischen Avancen Moskaus genau im Blick hat. Das Signal ist, auch nach dem Glückwunsch Trumps an Putin zu dessen Wiederwahl, eindeutig: Macht bei Euch im Land, was Ihr wollt, aber mischt Euch nicht bei uns ein, und auch nicht in unsere vitalen Interessen im Ausland, schon gar nicht mit Gewalt. Wir haben die Mittel, um Euch zu bremsen. Das war auch Teil der Nato-Botschaft, die mit Washington natürlich abgestimmt worden war.
Obamas Appeasement-Politik ist vorbei
Mit den Europäern, die vor allem Geschäfte machen wollen, wird Rußland weiter reden können wie zuvor. Bei den Amerikanern wird Putin vorsichtiger sein. Die Zeiten unter Obama, da linksliberale Dritte-Welt-Ideologen an den Schalthebeln der Weltpolitik saßen und an sensiblen Orten weder Flagge noch Präsenz zeigten (Syrien, Iran, Ukraine, China, Nordkorea), sind vorbei. Washington betreibt nun die Politik, die unter Präsident Ronald Reagan zum Zusammenbruch des Sowjetreiches geführt hatte: Härte und Dialogbereitschaft.
Dieser Kurs ist auch bei Putin angebracht, diese Sprache versteht er. Für die Europäer, deren politische und mediale Klasse derzeit mit anhaltender Arroganz und Überheblichkeit ein Trump-Bashing betreibt, gibt der Fall Skripal deshalb noch eine andere Lehre her: Ohne Washington steht der zersplitterte Haufen in Europa ziemlich wehrlos da. Vielleicht sollte man sich auch mal um einen sachlichen Dialog mit der Regierung Trump bemühen. Und dabei lernen, wie man Härte mit Dialog verbindet und dabei glaubwürdig bleibt.